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Mit diesem Buch wird ein Lehrbuch für das neue Pflichtfach »Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin« des Medizinstudiums bereitgestellt. Der Band gibt einen überblick über die wesentlichen Themen und Debatten der Medizinethik. Er stellt dar, in welchen Fragen übereinstimmung besteht und welche Fragen mit welchen Argumenten kontrovers diskutiert werden. Der medizinethische Stoff wird in die jüngere Medizingeschichte eingeordnet und durch relevante medizintheoretische Themen ergänzt. Das Buch will aber auch Ärzten, Pflegenden, Politikern, Journalisten und interessierten Laien eine Orientierung…mehr

Produktbeschreibung
Mit diesem Buch wird ein Lehrbuch für das neue Pflichtfach »Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin« des Medizinstudiums bereitgestellt. Der Band gibt einen überblick über die wesentlichen Themen und Debatten der Medizinethik. Er stellt dar, in welchen Fragen übereinstimmung besteht und welche Fragen mit welchen Argumenten kontrovers diskutiert werden. Der medizinethische Stoff wird in die jüngere Medizingeschichte eingeordnet und durch relevante medizintheoretische Themen ergänzt. Das Buch will aber auch Ärzten, Pflegenden, Politikern, Journalisten und interessierten Laien eine Orientierung zum Stand und zu den aktuellen Fragen der Medizinethik bieten. Die Herausgeber lehren seit Jahren an verschiedenen Universitäten Medizinethik, Medizingeschichte oder Medizintheorie.
Autorenporträt
Heiner Fangerau, geb. 1972, ist Direktor des Institutes für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Universität Ulm. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Entwicklung der Biomedizin des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, Geschichte der Rassenhygiene/Eugenik, Geschichte und Ethik der Psychiatrie, Historische Netzwerkanalysen, Klassifikation und Evolution in der medizinischen Diagnostik.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.11.2006

Was macht der weiße Kittel ?

Nach der neuen Approbationsordnung muß jeder Medizinstudent das Pflichtfach "Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin" belegen. Doch wie lehrt man eine solche hybride Disziplin, die ihre Entstehung nicht sachlichen Gründen zu verdanken hat, sondern professionspolitischen Überlegungen? An Einführungen in die Bio- oder Medizinethik fehlt es auf dem deutschen Buchmarkt nicht; denn nicht nur die Stellungnahmen des Nationalen Ethikrats, auch die Entscheidungen lokaler Ethikkommissionen sorgen für stetige Nachfrage nach Büchern, die Basiswissen vermitteln. Doch meist bieten diese Werke nicht mehr als einen Intensivkurs über Grundbegriffe ethischer Reflexion oder problemorientiertes Lernen. Insofern füllt eine neue Einführung, an der mehrere Autoren (neben Medizinhistorikern auch Experten für Medizintheorie und Bioethik) mitgewirkt haben, ein Lücke, indem aktuelle medizinethische Themen und Probleme aufgegriffen und aus der ethischen, historischen und theoretischen Perspektive abgehandelt werden ("Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin". Herausgegeben von Stefan Schulz, Klaus Steigleder, Heiner Fangerau und Norbert Paul. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 511 S., br., 16,- [Euro]).Um das Urteil vorwegzunehmen: Diese Vernetzung, wie sie für die Lehre eines solches Querschnittsfachs erforderlich ist, kann als gelungen bezeichnet werden.

Den Auftakt bilden drei Beiträge, die eine Standortbestimmung der beteiligten Fächer (Ethik, Medizintheorie, Medizingeschichte) versuchen und deren Beiträge zum Lehrgegenstand herausarbeiten. Dabei wird gelegentlich der Bogen überspannt. So kann man über die Definition: "Als Medizinhistoriker in einem engeren Sinne bezeichnet man aber die an den medizinischen Fakultäten tätigen Fachleute" nur lächeln. Denn somit wären viele der international renommierten Medizinhistoriker keine Fachleute. Man denke etwa an den leider früh verstorbenen englischen Medizinhistoriker Roy Porter (F.A.Z. vom 6. März 2002), der vorwiegend Geschichtsstudenten ausgebildet hat.

Solche professionspolitischen Scheuklappen finden sich in den auf einzelne Probleme bezogenen Beiträgen nicht. Gerade das Kapitel, in dem von den ethischen Problemen des medizinischen Handelns die Rede ist, zeigt, was die nicht auf die Geschichte des weißen Kittels fixierte Medizingeschichte in den letzten Jahrzehnten geleistet hat. Das gilt insbesondere für die Erforschung des Arzt-Patient-Verhältnisses, das sich unter dem Einfluß des medizinischen Fortschritts und der Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung stark gewandelt hat. Gerade die Patientenautonomie ist in das Zentrum ethischer Debatten gerückt, ob es sich um Forschung am Menschen oder um Sterbehilfe handelt. So wird beispielsweise die Bedeutung der Verrechtlichung und Hierarchisierung der Arzt-Patient-Beziehung beschrieben. Dabei lassen die Autoren leider die in der Wirtschafts- und Sozialwissenschaft fruchtbare Prinzipal-Agent-Theorie außer acht. Dieser Ansatz geht von begrenzt rationalen Wirtschaftssubjekten aus, die in ihrer Entscheidungsfindung eingeschränkt sind, etwa durch asymmetrische Informationsverteilung. Menschen verfügen nur über unvollständige Informationen, wenn sie das Handeln anderer beurteilen sollen. Die sich daraus ergebenden Probleme können durch folgende Mechanismen gelöst werden: bürokratische Kontrolle (Hierarchie), Informationssysteme (Controlling, Zeiterfassung), Anreize (Incentives, Prämien), Verbesserung der Unternehmenskultur, Reputation und Vertrauen. Was das im einzelnen für das Arzt-Patient-Verhältnis bedeutet, das müßte näher bestimmt werden. Immerhin erfahren wir aus diesem Buch, daß gutinformierte Patienten offenbar weniger Kosten verursachen.

Damit sind wir bei den Einflußfaktoren und Rahmenbedingungen für medizinisches Handeln im Alltag. Wer die heutigen Probleme des Gesundheitswesens verstehen will, der muß die Genese der medizinischen Fürsorge durch den Staat kennen. Die Anfänge der heute fast omnipotenten Medizinalverwaltung dürften allerdings nicht in den frühneuzeitlichen Territorien zu suchen sein, wie hier behauptet wird, sondern in der Seuchenpolitik der spätmittelalterlichen Kommunen. Wer sich weniger für historische, sondern für theoretische und ethische Fragen, zum Beispiel den Beitrag des Staates zur Verteilungsgerechtigkeit interessiert, der kommt in diesem Band auf seine Kosten.

Besonders zur Lektüre empfohlen seien die Kapitel, die sich mit den "klassischen" Problemen in der heutigen bioethischen Medizin befassen. Ob es um ethische Probleme am Lebensbeginn oder am Lebensende geht, die historische Dimension (Stichwort: Rassenhygiene und Euthanasie im Dritten Reich) wird immer mitberücksichtigt. Das gilt auch für die ethischen Fragen, die sich aus dem medizinischen Fortschritt (Organtransplantation, Hirntod) ergeben. So dachte man bereits in der Weimarer Republik über die Gefahren einer Kommerzialisierung des Organhandels nach, obwohl damals die Transplantationsmedizin in den Kinderschuhen steckte, weil die entsprechenden Techniken (Intensivmedizin, Immunsuppressiva) nicht entwickelt waren. Leider wird Thomas Mann in diesem Zusammenhang nicht erwähnt, der in seiner Erzählung "Die vertauschten Köpfe" (1940) schon früh auf Identitätsprobleme nach einer Organtransplantation hingewiesen hat.

ROBERT JÜTTE

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gelungen findet Rezensent Robert Jütte diesen Sammelband zur "Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin". Sowohl die einleitenden Beiträge, die eine Standortbestimmung der beteiligten Fächer Ethik, Medizintheorie und Medizingeschichte vornehmen, als auch die problembezogenen Beiträge hält er für überaus instruktiv. Besonders die Kapitel über die "klassischen" Probleme der bioethischen Medizin scheinen ihm lesenswert. Lobend äußert er sich darüber, dass die Beiträge zu ethischen Problemen am Lebensbeginn oder am Lebensende stets die historische Dimension (Stichwort Rassenhygiene und Euthanasie im Dritten Reich) einbeziehen. Generell sind für Jütte in erster Linie die Beiträge zu theoretischen und ethischen Fragen interessant, während ihn die Aufsätze zur Medizingeschichte nicht immer überzeugt haben.

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