Über die Macht der Emotionen von der Antike bis in unsere Zeit
Wie verändern sich Moral und Ehre im Laufe der Zeit, was bedeutet Vertrauen in der Wirtschaftsgeschichte, was richtete die sprichwörtliche »German Angst« im 20. Jahrhundert an, und wieso befinden wir uns im sogenannten therapeutischen Zeitalter?
Gefühle schreiben Geschichte, sie bestimmen Macht und Politik. Triebe, Affekte und Leidenschaften sind kulturspezifi sch, zeitlichem Wandel unterworfen und für den Lauf der Geschichte von immenser Bedeutung. Wenn Menschen lieben oder hassen, wenn sie ehrgeizig, rachsüchtig oder stolz sind, wenn sie Freude, Mitleid, Zorn oder Schuld empfinden - dann hat das Einfluss auf ihr Handeln. Diese scheinbar banale Erkenntnis eröffnet völlig neue Perspektiven auf vergangene Zeiten und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart.
Gut erzählt und mit zahlreichen Beispielen aus der Vergangenheit führt Jan Plampers Buch in das boomende Forschungsgebiet der Emotionsgeschichte ein. Zugleich warnt er vor voreiligen Schlüssen und leichtfertigen Anleihen bei den Neurowissenschaften, die viele aktuelle Debatten - wie zum Beispiel die Frage nach der Willensfreiheit - bestimmen.
Wie verändern sich Moral und Ehre im Laufe der Zeit, was bedeutet Vertrauen in der Wirtschaftsgeschichte, was richtete die sprichwörtliche »German Angst« im 20. Jahrhundert an, und wieso befinden wir uns im sogenannten therapeutischen Zeitalter?
Gefühle schreiben Geschichte, sie bestimmen Macht und Politik. Triebe, Affekte und Leidenschaften sind kulturspezifi sch, zeitlichem Wandel unterworfen und für den Lauf der Geschichte von immenser Bedeutung. Wenn Menschen lieben oder hassen, wenn sie ehrgeizig, rachsüchtig oder stolz sind, wenn sie Freude, Mitleid, Zorn oder Schuld empfinden - dann hat das Einfluss auf ihr Handeln. Diese scheinbar banale Erkenntnis eröffnet völlig neue Perspektiven auf vergangene Zeiten und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart.
Gut erzählt und mit zahlreichen Beispielen aus der Vergangenheit führt Jan Plampers Buch in das boomende Forschungsgebiet der Emotionsgeschichte ein. Zugleich warnt er vor voreiligen Schlüssen und leichtfertigen Anleihen bei den Neurowissenschaften, die viele aktuelle Debatten - wie zum Beispiel die Frage nach der Willensfreiheit - bestimmen.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Für Hannah Lühmann ist das Buch des deutschen Historikers Jan Plamper nicht weniger als ein interdisziplinäres Friedensangebot gegen die Grabenkämpfe zwischen Neurowissenschaft und naturgeschichtlichen Fächern, das auch Fragestellungen aus Ethnologie, Soziologie, Pädagogik, Psychologie, Kunst- und Literaturwissenschaft zulässt. Was eine Geschichtswissenschaft der Emotionen noch sein kann, erfährt Lühmann bei Plamper in Form einer methodischen Grundlegung, indem der Autor etwa skizziert, was zum Gefühlsleben bereits geforscht wurde, bei Marc Bloch und Lucien Febvre zum Beispiel. Dass der Autor dabei konsequent geschichtlich zu denken bemüht ist, ohne jedoch zu vergessen, dass Gefühle im Körper entstehen, rechnet die Rezensentin ihm hoch an.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.02.2013Die Leidenschaften einst und jetzt
Wie lässt sich die Geschichte des Ausdrucks von Gefühlen schreiben? Der Historiker Jan Plamper kartiert das Terrain einer Emotionsgeschichte.
Dass wir Menschen fühlen, dass wir Angst haben, Freude empfinden und Trauer, erscheint als eine der grundlegenden Gegebenheiten unseres Daseins, weitgehend unabhängig von geographischen und geschichtlichen Umständen. Doch schwankt die Art und Weise, wie Menschen mit Gefühlen umgehen, von Kultur zu Kultur erheblich, lachen die Menschen auf Tahiti beim Besuch einer Sterbenden, scheinen die Bewohner des Ifaluk-Atolls Zorn als individuelles Wutgefühl nicht zu kennen. Manch ein Ethnologe des letzten Jahrhunderts kam zu dem Schluss, dass Gefühle kulturell produziert und keineswegs anthropologische Konstanten seien.
Diesem sozialkonstruktivistischen Zugang steht, vereinfacht gesprochen, eine Haltung gegenüber, die Gefühle als immergleiche körperliche Vorgänge begreift, welche auf evolutionär ererbten Reiz-Reaktions-Schemata beruhen: Wir fürchten die Schlange, weil die Schlange für unsere Vorfahren gefährlich war. In einem solchen Verständnis mag es zwar kulturelle Besonderheiten im Umgang mit Gefühlen geben, aber letzten Endes lassen sie sich aufs Körperliche, auf Neuronenfeuer und Hormonausschüttungen, reduzieren.
Der deutsche Historiker Jan Plamper will die Wandelbarkeit menschlichen Fühlens in den Horizont der Geschichtswissenschaft rücken. Plamper lehrt am Goldsmiths Institute der University of London. Sein letztes Buch "The Stalin Cult. A study in the Alchemy of Power" (F.A.Z. vom 23. Mai 2012) ist bisher nur auf Englisch erschienen - sein neues hat er jedoch auf Deutsch geschrieben: "Geschichte und Gefühl - Grundlagen der Emotionsgeschichte". Aber was genau ist das eigentlich, eine Geschichtswissenschaft der Emotionen? Beispiele, die von der kulturbedingten Verschiedenheit emotionalen Erlebens zeugen, stammen ja eher aus der Ethnologie denn aus der Geschichtswissenschaft.
Emotionsgeschichte, das wäre Plamper zufolge zunächst einmal eine Geschichtswissenschaft, welcher die Fotos einer angstgespannten Angela Merkel angesichts von Vladimir Putins riesiger Labradorhündin und das maliziöse Machtlächeln des russischen Präsidenten ebenso Gegenstand sind wie Napoleon Bonapartes Liebesbriefe an Joséphine. Bestes Beispiel sind wohl Plampers eigene Forschungen, in denen er sich der Geschichte der Angst bei russischen Soldaten im Ersten Weltkrieg widmet. "Geschichte und Gefühl" ist aber auch eine geschichtliche Untersuchung des wissenschaftlichen Nachdenkens über Gefühle - und es ist der Versuch einer methodischen Grundlegung, denn "Emotionsgeschichte" muss sich als Disziplin erst noch etablieren, sich ihren Stoff aus den Nebensträngen der Wissenschaftsgeschichte zusammensuchen.
In der Forschungsgruppe "Geschichte der Gefühle" des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, in der Plamper mitarbeitete, bündeln sich die Stränge der mit dem Thema "Emotionen" befassten geistesund lebenswissenschaftlichen Disziplinen: Ethnologie, Soziologie und Pädagogik, Psychologie natürlich, aber auch Kunst- und Literaturwissenschaften. Dass in der Geschichtsschreibung auch emotionale Strukturen und Praktiken berücksichtigt werden, ist freilich nicht ganz neu. Bereits Lucien Febvre, mit Marc Bloch Begründer der "École des Annales", forschte zum "Gefühlsleben früherer Epochen". Die Spuren dieses Umdenkens in der Geschichtswissenschaft ziehen sich durch das gesamte zwanzigste Jahrhundert.
Plamper trägt dieses Wissen skizzierend zusammen. Insofern ist "Geschichte und Gefühl" nicht nur Grundlagenwerk, es ist Begriffsgeschichte, Wissenschaftsgeschichte und nicht zuletzt Geschichte der Wissenschaftskritik. Denn die mitlaufende Frage lautet immer: Wie kann man historisch etwas erforschen, das als konstitutiver Bestandteil unseres menschlichen Daseins eine Bedingung für das Entstehen von Kultur überhaupt ist, das jeden Bereich unseres Lebens durchdringt und gleichzeitig restriktiven Darstellungscodes unterworfen ist? Die große Aufgabe einer Geschichtsschreibung der Gefühle ist es, Emotionen konsequent geschichtlich zu denken, ohne in eine Denkweise zurückzufallen, die im Versuch, die soziale Konstruiertheit von Emotionen zu denken, ihr Entstehen im Körper zu vergessen scheint.
Plamper hat nun aber eben kein Manifest für einen radikalen Sozialkonstruktivismus geschrieben. Er will eine methodische Grundlage entwerfen, auf der ein Forschen zu Gefühlen jenseits des alten Scheingegensatzes "nature versus nurture" möglich ist. So ist "Geschichte und Gefühl" in großen Teilen auch eine gut fundierte und nie polemische Auseinandersetzung mit den sich seit den achtziger Jahren rasant entwickelnden Neurowissenschaften, welche derzeit die Deutungshoheit über den Bereich des Emotionalen zu übernehmen scheinen - beispielsweise mit bildgebenden Verfahren, deren attraktives Versprechen einer Lokalisierbarkeit von Gefühlsvorgängen im Hirn meist gar zu vereinfacht beim nicht fachlich geschulten Publikum ankommt. Man denke nur an die zahlreichen Forscher, die, auch unter dem Druck der Verlage, Bücher auf den Markt bringen, welche die Entschlüsselung des menschlichen Bewusstseins oder eine Aufklärung über den genauen Entstehungsort eines Gefühls versprechen. So werden einzelne Stränge der Forschung zu welterklärenden Modellen aufgebauscht.
Tatsächlich leuchten bei bildgebenden Verfahren auf kartographierten Durchschnittshirnen Areale auf, die während der Gefühlsregung des Probanden "aktiv" sind - was nur bedeutet, dass zeitverzögert die Spuren eines erhöhten Sauerstoffverbrauches bestimmter Nervenzellen festgestellt werden können. So kommt es dann zur Vorstellung, dass "die Angst" in "der Amygdala" sitze - obwohl es viele Amygdalae gibt, die schwer vom restlichen Gehirngewebe abzugrenzen sind, und obwohl viel dafür spricht, dass das ganze Gehirn, nicht nur ein bestimmter Teil, bei einem komplexen Phänomen wie "Angst" ins Spiel kommt. Was Plamper fordert, ist nicht der Verzicht auf die Einbeziehung neurologischer Erkenntnisse in das wissenschaftliche Nachdenken über den Menschen als Gefühlswesen - es ist eine Neurowissenschaft, die sich ihrer eigenen Grundlagen bewusst ist.
Vor allem aber wendet sich Plamper gegen die "leichtsinnigen Anleihen", welche etwa eine "Neuroliteraturwissenschaft" oder eine "Neurogeschichte" bei der neuen Leitwissenschaft machen. Sachlich fächert er die Argumente auf, die vergegenwärtigen, dass die Geisteswissenschaften fundierte Kritik an diesem vulgären Verständnis menschlicher Emotionen üben müssen. Er verwendet dabei Einsichten, die aus der kritischen Neurowissenschaft stammen - ein interdisziplinäres Friedensangebot. Das weckt die Hoffnung auf ein Verständnis des emotionalen Menschen, das ihn weder auf sein Gehirn reduziert noch sein naturgeschichtliches Erbe beiseite setzt.
HANNAH LÜHMANN.
Jan Plamper: "Geschichte und Gefühl". Grundlagen der Emotionsgeschichte.
Siedler Verlag, München 2012. 480 S., geb., 29,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie lässt sich die Geschichte des Ausdrucks von Gefühlen schreiben? Der Historiker Jan Plamper kartiert das Terrain einer Emotionsgeschichte.
Dass wir Menschen fühlen, dass wir Angst haben, Freude empfinden und Trauer, erscheint als eine der grundlegenden Gegebenheiten unseres Daseins, weitgehend unabhängig von geographischen und geschichtlichen Umständen. Doch schwankt die Art und Weise, wie Menschen mit Gefühlen umgehen, von Kultur zu Kultur erheblich, lachen die Menschen auf Tahiti beim Besuch einer Sterbenden, scheinen die Bewohner des Ifaluk-Atolls Zorn als individuelles Wutgefühl nicht zu kennen. Manch ein Ethnologe des letzten Jahrhunderts kam zu dem Schluss, dass Gefühle kulturell produziert und keineswegs anthropologische Konstanten seien.
Diesem sozialkonstruktivistischen Zugang steht, vereinfacht gesprochen, eine Haltung gegenüber, die Gefühle als immergleiche körperliche Vorgänge begreift, welche auf evolutionär ererbten Reiz-Reaktions-Schemata beruhen: Wir fürchten die Schlange, weil die Schlange für unsere Vorfahren gefährlich war. In einem solchen Verständnis mag es zwar kulturelle Besonderheiten im Umgang mit Gefühlen geben, aber letzten Endes lassen sie sich aufs Körperliche, auf Neuronenfeuer und Hormonausschüttungen, reduzieren.
Der deutsche Historiker Jan Plamper will die Wandelbarkeit menschlichen Fühlens in den Horizont der Geschichtswissenschaft rücken. Plamper lehrt am Goldsmiths Institute der University of London. Sein letztes Buch "The Stalin Cult. A study in the Alchemy of Power" (F.A.Z. vom 23. Mai 2012) ist bisher nur auf Englisch erschienen - sein neues hat er jedoch auf Deutsch geschrieben: "Geschichte und Gefühl - Grundlagen der Emotionsgeschichte". Aber was genau ist das eigentlich, eine Geschichtswissenschaft der Emotionen? Beispiele, die von der kulturbedingten Verschiedenheit emotionalen Erlebens zeugen, stammen ja eher aus der Ethnologie denn aus der Geschichtswissenschaft.
Emotionsgeschichte, das wäre Plamper zufolge zunächst einmal eine Geschichtswissenschaft, welcher die Fotos einer angstgespannten Angela Merkel angesichts von Vladimir Putins riesiger Labradorhündin und das maliziöse Machtlächeln des russischen Präsidenten ebenso Gegenstand sind wie Napoleon Bonapartes Liebesbriefe an Joséphine. Bestes Beispiel sind wohl Plampers eigene Forschungen, in denen er sich der Geschichte der Angst bei russischen Soldaten im Ersten Weltkrieg widmet. "Geschichte und Gefühl" ist aber auch eine geschichtliche Untersuchung des wissenschaftlichen Nachdenkens über Gefühle - und es ist der Versuch einer methodischen Grundlegung, denn "Emotionsgeschichte" muss sich als Disziplin erst noch etablieren, sich ihren Stoff aus den Nebensträngen der Wissenschaftsgeschichte zusammensuchen.
In der Forschungsgruppe "Geschichte der Gefühle" des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, in der Plamper mitarbeitete, bündeln sich die Stränge der mit dem Thema "Emotionen" befassten geistesund lebenswissenschaftlichen Disziplinen: Ethnologie, Soziologie und Pädagogik, Psychologie natürlich, aber auch Kunst- und Literaturwissenschaften. Dass in der Geschichtsschreibung auch emotionale Strukturen und Praktiken berücksichtigt werden, ist freilich nicht ganz neu. Bereits Lucien Febvre, mit Marc Bloch Begründer der "École des Annales", forschte zum "Gefühlsleben früherer Epochen". Die Spuren dieses Umdenkens in der Geschichtswissenschaft ziehen sich durch das gesamte zwanzigste Jahrhundert.
Plamper trägt dieses Wissen skizzierend zusammen. Insofern ist "Geschichte und Gefühl" nicht nur Grundlagenwerk, es ist Begriffsgeschichte, Wissenschaftsgeschichte und nicht zuletzt Geschichte der Wissenschaftskritik. Denn die mitlaufende Frage lautet immer: Wie kann man historisch etwas erforschen, das als konstitutiver Bestandteil unseres menschlichen Daseins eine Bedingung für das Entstehen von Kultur überhaupt ist, das jeden Bereich unseres Lebens durchdringt und gleichzeitig restriktiven Darstellungscodes unterworfen ist? Die große Aufgabe einer Geschichtsschreibung der Gefühle ist es, Emotionen konsequent geschichtlich zu denken, ohne in eine Denkweise zurückzufallen, die im Versuch, die soziale Konstruiertheit von Emotionen zu denken, ihr Entstehen im Körper zu vergessen scheint.
Plamper hat nun aber eben kein Manifest für einen radikalen Sozialkonstruktivismus geschrieben. Er will eine methodische Grundlage entwerfen, auf der ein Forschen zu Gefühlen jenseits des alten Scheingegensatzes "nature versus nurture" möglich ist. So ist "Geschichte und Gefühl" in großen Teilen auch eine gut fundierte und nie polemische Auseinandersetzung mit den sich seit den achtziger Jahren rasant entwickelnden Neurowissenschaften, welche derzeit die Deutungshoheit über den Bereich des Emotionalen zu übernehmen scheinen - beispielsweise mit bildgebenden Verfahren, deren attraktives Versprechen einer Lokalisierbarkeit von Gefühlsvorgängen im Hirn meist gar zu vereinfacht beim nicht fachlich geschulten Publikum ankommt. Man denke nur an die zahlreichen Forscher, die, auch unter dem Druck der Verlage, Bücher auf den Markt bringen, welche die Entschlüsselung des menschlichen Bewusstseins oder eine Aufklärung über den genauen Entstehungsort eines Gefühls versprechen. So werden einzelne Stränge der Forschung zu welterklärenden Modellen aufgebauscht.
Tatsächlich leuchten bei bildgebenden Verfahren auf kartographierten Durchschnittshirnen Areale auf, die während der Gefühlsregung des Probanden "aktiv" sind - was nur bedeutet, dass zeitverzögert die Spuren eines erhöhten Sauerstoffverbrauches bestimmter Nervenzellen festgestellt werden können. So kommt es dann zur Vorstellung, dass "die Angst" in "der Amygdala" sitze - obwohl es viele Amygdalae gibt, die schwer vom restlichen Gehirngewebe abzugrenzen sind, und obwohl viel dafür spricht, dass das ganze Gehirn, nicht nur ein bestimmter Teil, bei einem komplexen Phänomen wie "Angst" ins Spiel kommt. Was Plamper fordert, ist nicht der Verzicht auf die Einbeziehung neurologischer Erkenntnisse in das wissenschaftliche Nachdenken über den Menschen als Gefühlswesen - es ist eine Neurowissenschaft, die sich ihrer eigenen Grundlagen bewusst ist.
Vor allem aber wendet sich Plamper gegen die "leichtsinnigen Anleihen", welche etwa eine "Neuroliteraturwissenschaft" oder eine "Neurogeschichte" bei der neuen Leitwissenschaft machen. Sachlich fächert er die Argumente auf, die vergegenwärtigen, dass die Geisteswissenschaften fundierte Kritik an diesem vulgären Verständnis menschlicher Emotionen üben müssen. Er verwendet dabei Einsichten, die aus der kritischen Neurowissenschaft stammen - ein interdisziplinäres Friedensangebot. Das weckt die Hoffnung auf ein Verständnis des emotionalen Menschen, das ihn weder auf sein Gehirn reduziert noch sein naturgeschichtliches Erbe beiseite setzt.
HANNAH LÜHMANN.
Jan Plamper: "Geschichte und Gefühl". Grundlagen der Emotionsgeschichte.
Siedler Verlag, München 2012. 480 S., geb., 29,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Ein lehrreiches, erhellend und glänzend geschriebenes Buch." Süddeutsche Zeitung
»Mit diesem anschaulichen Sachbuch liefert Plamper einen faszinierenden Einblick in die Welt der Emotionen und ihrer Erforschung. Obwohl er selbst Historiker ist, gelingt es ihm, nicht nur geistes- und sozialwissenschaftliche, sondern auch naturwissenschaftliche Analysen fundiert darzulegen.«