Ungewöhnlich - vorbildlich´
Als ich das Buch zum ersten Mal aufschlug, dachte ich: Oh Gott, was ist das? Ein Adressbuch, aber nein ... Wahnsinn! Jedes Gebäude, jeder Garten, jeder Platz am Canal Grande, jeder Seitenkanal, jede Gasse, die zu ihm hinführt, ist aufgelistet. Und nicht nur das. Zu
jedem Gebäude berichtet der Autor - soweit das in Erfahrung zu bringen war - über Baugeschichte, Eigner…mehrUngewöhnlich - vorbildlich´
Als ich das Buch zum ersten Mal aufschlug, dachte ich: Oh Gott, was ist das? Ein Adressbuch, aber nein ... Wahnsinn! Jedes Gebäude, jeder Garten, jeder Platz am Canal Grande, jeder Seitenkanal, jede Gasse, die zu ihm hinführt, ist aufgelistet. Und nicht nur das. Zu jedem Gebäude berichtet der Autor - soweit das in Erfahrung zu bringen war - über Baugeschichte, Eigner und Bewohner, über historische Ereignisse, die damit in Verbindung stehen, und findet darüber hinaus reichlich Anlaß, von Kuriosa, Histörchen und Historie Venedigs zu erzählen - und das Ganze noch in einer erfrischend lockeren Sprache (Manch einer wird sich vielleicht daran stoßen, wenn etwa Kriege, die in dem einem oder anderen Land als Teil der ruhmvollen Geschichte gelten, als "Keilerei" bezeichnet werden. Ich meine auch: Nicht ein einziges Gemetzel hat irgendwelchen Respekt verdient!). Also höchstmögliches Berliner Lob: Da kannste nich meckern!
Das Buch ist eine Freude für jeden Perfektionisten, der möglichst von jedem Gebäude, Platz, Kanal usw. alles wissen will. Vielleicht ist es eine Anregung für weitere ähnliche Bücher...
Aber ein bißchen meckern muß ich doch: Ziemlich unverständlich ist mir - und das ist ein wirklicher Mangel - daß Hermann E. Mark nicht die Nummerierung der Objekte am Canal Grande von Giulo Lorenzetti (Venezia e il suo estuario. 1926; neu herausgegeben von Maria Lorenzetti Ciartoso 1956 und von Nero Vianello 1974, 2002, Padova 2005. Dort S. 615-645) zugrundelegt und ergänzt hat. Lorenzetti hat diese Ehre als der Venedig-Reiseführer-Klassiker überhaupt ohne jeden Zweifel verdient, auch wenn seine Ausführungen schon allein durch den Lauf der Zeit inzwischen ergänzungsbedürftig sind (übrigens ist es eine Schande, daß Lorenzetti immer noch nicht ins Deutsche übersetzt ediert worden ist; selbstverständlich gibt es immer weider englische und französische Ausgaben).
Und noch eines, was doch eigentlich selbstverständlich ist, Herr Doktor: Wenn Sie sonst für eine Krankengeschichte eine erstmalige oder klassische Beschreibung von Symptomen ausfindig gemacht haben, notieren Sie doch auch genauestens Autor und Fundstelle, damit es stets nachprüfbar bleibt. Also für eine hoffentlich bald erscheinende erweiterte und ergänzte Auflage bitte immer stets und natürlich insbesondere bei Zitaten, Interpretationen unterschiedlicher Autoren oder Legenden die genaue Quelle angeben! Das Literaturverzeichnis S. 448-449 genügt da nicht!
Der Abschnitt "Der venezianische Staat" (S. 400-415) hätte dagegen durchaus entfallen oder gekürzt und durch Hinweise auf Literatur, wo dies ausführlicher, präziser dargestellt ist, ersetzt werden können. Damit wäre Platz gewonnen, die sehr hilfreiche Zeittafel (S. 416-438), in der wichtige Daten aus Venedigs Geschichte parallel zu anderen welthistorischen Ereignissen aufgeführt werden, wesentlich zu erweitern. Wünschenswert wäre es auch, daß noch mehr aktuelle Fotos der beschriebenen Objekte entsprechenden historischen Ansichten (die Photos möglichst im gleichen Blickwinkel wie letztere) gegenübergestellt werden. Dann würde noch mehr deutlich, welchen entsetzlichen Verluste und Verunstaltungen Venedig im 19. Jahrhundert erlitten hat (man zähle einfach mal nach, wie oft von Abrissen und Umbauten am Canal Grande nach 1797 berichtet werden mußte). Die Stadt hat zu ihrer Ehre diese Kritik am 19. Jahrhundert einfach verdient!