Scheitern ohne aufzugeben - neueste Erzählungen des Ingeborg-Bachmann-Preisträgers 2002
Peter Glaser meldet sich eindrucksvoll zurück: Mehr als eine Dekade nach seinen richtungsweisenden Bänden Rawums und Schönheit in Waffen zeigt er sich auf der Höhe seiner Erzählkunst. Der Titel ist Programm: Es geht um nichts - und doch um alles, nämlich um den Menschen in der modernen Alltäglichkeit. Geschichten mitten aus dem Leben also, die um die eine große Frage kreisen: Wie kann man bestehen in einer Welt, die sich jeder Sinngebung verweigert? Peter Glaser liefert keine Antworten, aber Beispiele dafür, wie Menschen sich behaupten, obwohl sie keine Helden sind. Mit extrem geschärfter Wahrnehmung und einer Lakonie, die den Zumutungen der Wirklichkeit ein feines Lächeln entgegensetzt, folgt er ihren Versuchen, Anschluss zu finden, glücklich zu werden, durchzuhalten. So führt die Titelgeschichte den Leser in rasanter Fahrt vom Fuße der Pyramiden von Gizeh durch Griechenland und Italien nach Hamburg, immer auf den Fersen eines jungen Deutschen, der seine davongefahrene alte Tante sucht und dabei vom Verrat seiner Geliebten erfährt. In der Erzählung Raumpflege entfaltet sich eine Verschwörungstheorie, nach der ein Analphabet, eine Putzfrau und ein Steuerberater den Lauf der Welt verändert haben.
Durch die Mikrobeobachtung und die Raffinesse der erzählerischen Feinmechanik entstehen Texte, die die Weltwahrnehmung erweitern, weil sie rätselhafte Berührungen mit der Wirklichkeit herbeiführen. Und immer wieder kann es einem passieren, dass man einen Satz liest, der die ganze Welt aufgehen lässt.
Peter Glaser meldet sich eindrucksvoll zurück: Mehr als eine Dekade nach seinen richtungsweisenden Bänden Rawums und Schönheit in Waffen zeigt er sich auf der Höhe seiner Erzählkunst. Der Titel ist Programm: Es geht um nichts - und doch um alles, nämlich um den Menschen in der modernen Alltäglichkeit. Geschichten mitten aus dem Leben also, die um die eine große Frage kreisen: Wie kann man bestehen in einer Welt, die sich jeder Sinngebung verweigert? Peter Glaser liefert keine Antworten, aber Beispiele dafür, wie Menschen sich behaupten, obwohl sie keine Helden sind. Mit extrem geschärfter Wahrnehmung und einer Lakonie, die den Zumutungen der Wirklichkeit ein feines Lächeln entgegensetzt, folgt er ihren Versuchen, Anschluss zu finden, glücklich zu werden, durchzuhalten. So führt die Titelgeschichte den Leser in rasanter Fahrt vom Fuße der Pyramiden von Gizeh durch Griechenland und Italien nach Hamburg, immer auf den Fersen eines jungen Deutschen, der seine davongefahrene alte Tante sucht und dabei vom Verrat seiner Geliebten erfährt. In der Erzählung Raumpflege entfaltet sich eine Verschwörungstheorie, nach der ein Analphabet, eine Putzfrau und ein Steuerberater den Lauf der Welt verändert haben.
Durch die Mikrobeobachtung und die Raffinesse der erzählerischen Feinmechanik entstehen Texte, die die Weltwahrnehmung erweitern, weil sie rätselhafte Berührungen mit der Wirklichkeit herbeiführen. Und immer wieder kann es einem passieren, dass man einen Satz liest, der die ganze Welt aufgehen lässt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.09.2003Im Kosmos Komputer Klub
Zurück zur Betonung: Peter Glaser loggt sich mit einem neuen Erzählungsband wieder in die deutsche Literatur ein
Wovon träumen Konzerne, wenn man sie nur läßt? Zum Beispiel davon, aus einem einzigen Rechenzentrum ihre weltweite Kundschaft exklusiv mit komprimierten Dateien zu versorgen, die diese als Pophits oder Videoclips wahrnehmen können. Schon in den achtziger Jahren, als das World Wide Web nur Zukunftsmusik war, träumten Hacker den gleichen Traum. Nur in umgekehrter Richtung: In seiner Geschichte "Die rote Präzision" von 1985 erzählt Peter Glaser von einer Gruppe Computerfreaks, deren Ziel ist, sämtliche Datenbestände der Großrechner durch Musik zu ersetzen und damit ein Orchester von globalen Dimensionen zu erzeugen. Nicht Schwerter zu Pflugscharen, sondern Speicherplätze zu E-Gitarren war die Utopie einer neuen Generation, die sich in Übersee als Cyberpunk - William Gibson mit seiner "Neuromancer"-Trilogie -, in Deutschland im technoiden Zweig der "Neuen Deutschen Welle" und später in der Subkutankultur des "Chaos Computer Club" manifestierte.
In "Geschichte von Nichts", Glasers neuem, nach langer literarischer Abstinenz erschienenen Band, ersetzt das Hackertrio Carl, Broderick und Ewa ein paar Ziffern tief in den Hinterkommastellen der Zahl Pi und spielt die falsche Version auf die Rechner großer Forschungszentren. Später erpressen sie einen Direktor mit ihrem für die Scientific Community höchst peinlichen Wissen. "Raumpflege" heißt die Geschichte, und sie beginnt mit einem Satz, der den Ausgangspunkt von Glasers Ästhetik bilden könnte: "Die meisten von uns begegnen der Macht nur als Zuschauer." Die Omnipotenzphantasie des Hackers dagegen stützt sich auf die Chaostheorie: Kleinste Ursachen können allergrößte Folgen haben. Wie die Entstehung des Universums nur möglich war durch eine minimale Störung uranfänglicher Symmetrie - einen Akt der Liebe, wie Ewa glaubt -, so ist auch der schnurrende Gleichlauf der Systeme durch winzige Manipulationen aus dem Rhythmus zu bringen. Wie der an schwerem Rheuma leidende Glaser ist auch Carl auf einen Rollstuhl angewiesen. Mit einem darin versteckten Tesla-Trafo legt er auf Computermessen Stände lahm und schenkt sogar Bill Gates einen fatalen Kurzschluß ein. Der Zusammenbruch der New Economy als Verschwörung dreier anarchistischer Taugenichtse - die Gegenmacht des süßen Nichtstuns wird hier Wirklichkeit.
Peter Glaser, geboren 1957 in Graz, seit 1980 in Deutschland lebend, ist eine zentrale Figur in den Energieflüssen zwischen Kunst und Technik, Ästhetik und Informatik. Zu Beginn der Achtziger gehörte er zu der Gruppe junger Autoren wie Diedrich Diederichsen, Rainald Goetz oder Hubert Winkels, die die deutsche Literatur im Geiste der Großstadt revolutionieren wollten. 1984 dokumentierte er das mit der gerade wiederaufgelegten Anthologie "Rawums". Danach ging Glaser nach Hamburg, gab das Vereinsmagazin des "Chaos Computer Club" heraus, arbeitete als Kolumnist für "Tempo" und als Magazinreporter, schrieb ein Buch über das Internet, leitete "Konr@d", das ambitionierte, aber rasch eingestellte Computermagazin des "Stern", aber - machte keine Literatur mehr. Daß er im letzten Jahr den Bachmann-Preis gewann, ja daß er, der in den frühen Achtzigern als "Poetronic" mit Commodore-Computer die Lesung als Veranstaltungsform verabschiedet hatte, überhaupt am Klagenfurter Wettbewerb teilnahm, war eine Sensation, ein kaum mehr erwarteter Wiedereintritt eines weitschweifigen Trabanten in die literarische Stratosphäre ohne spürbaren Reibungsverlust.
Sein Erzählband, der mit der preisgekrönten "Geschichte von Nichts" (F.A.Z. vom 6. Juli 2002) beginnt, ist deutlich von den Amerikanern beeinflußt, DeLillo, der frühe Pynchon, auch David Foster Wallace. Glaser überhebt sich nicht daran, weil ihn keine überdrehten Plots interessieren, sondern die atmosphärische Spannung zwischen den Figuren und ihrer Umwelt. Es sind die Dinge, die handeln und den Menschen die Agenda diktieren: "In der Stadt nahm uns ein Kaufhaus mit seinen gläsernen Flügeltüren aus der Kälte. Schilfgrassträuße lagen neben Hemdenstapeln, leise klickten Kleiderbügel an Chromstangen, und am Ende des großen Raums transportierte eine Rolltreppe Stufe für Stufe Nichts herauf." Das Nichts freilich, das als Thema beschworen wird, ist der Tod und die Liebe - Grenzerfahrungen, die den gleichförmig surrenden Alltag seiner Figuren jäh mit Akzenten versehen, wie jene kaum vernehmbare Musik, die aus einer Nachbarwohnung herüberklingt und doch wie eine Epiphanie trifft. Die Titelgeschichte führt von einer archäologischen Grabungsstätte in Ägypten über Athen nach Italien und Hamburg, doch erzählt wird von der letzten Reise der alten Tante, von einer scheiternden Beziehung, von unwiederbringlichen Verlusten, zugleich auch von einer Freundschaft. Und ganz nebenbei entsteht ein tiefenscharfes Panorama der Gegenwart, der neuen Weltunordnung, die keine größenwahnsinnigen Techno-Anarchisten mehr braucht, um aus den Fugen zu geraten. Beiläufig wird erwähnt, daß die Geschichte um den 11. September 2001 spielt.
Glaser, der sich selbst früher einmal als "seelischen Stuntman" bezeichnet hat, geht ein hohes Risiko ein, indem er die konventionelle Thematik mit der neusachlichen Bildsprache kollidieren läßt. "Die letzten Schwimmvögel zogen Spuren über das polierte Wasser, wie Glasschneider", heißt es am Ende der "Geschichte von Nichts". Und in "Das Dreikörperproblem" liefert der mörderische Krach einer Papierfabrik den Soundtrack zu einer verzweifelten Suche nach Glück; die verletzende Schärfe des Papiers wird Emblem für die Gewalt des vermeintlich Machtlosen. Die Angestelltenwelt der Medien, die Glaser bestens kennt, ist mehrfach der Hintergrund dieser Parabeln modernen Lebens: der von Gedächtnisverlust befallene Reporter in "Keiner", der einer absurden Story über einen Sonderling hinterherjagt und am Ende Job und Frau verliert, oder der Grafiker, der an dem Auftrag verzweifelt, einen Hamster im Videobild "freizustellen", und der Komplexität der Wirklichkeit unterliegt.
Komplex sind auch die Beziehungen zwischen den Erzählungen. Wie Ausrisse aus einem größeren Ganzen wirken sie, sind bei aller Dichte bewußt unabgeschlossen, werden manchmal wie Musik ausgeblendet. Eine Geschichte wird zur Vorgeschichte der anderen; einem Möbiusband gleich scheinen sie unauflösbar in sich verschlungen. Ihre Netzstruktur wirkt wie ein letzter Gruß an längst zerstobene Internetträume, ist aber wohl auch ein Vorschuß auf den Roman, an dem Glaser seit Jahren arbeitet.
Mit diesen fünf Geschichten aber ist ein wichtiger Autor auf den Monitor des Literaturbetriebssystems zurückgekehrt. Das ist ein Glücksfall, denn wir brauchen seinen ebenso kühlen wie sehnsüchtigen Blick, der unsere versiegelte Oberflächenwelt nach jenen Sprüngen abtastet, die das Leben ermöglichen. Glasers Bilder unserer Gegenwart sind grell, überbelichtet, manchmal schockierend. Immer jedoch von einer Auflösung, die die Sinne schmerzt: "Manchmal war mir, als flösse etwas vom blauen Strahlen des Fernsehens durch meine Adern, die Wärme des Bluts nur noch Kulisse, hinter der sich ein eisiges Wissen auf seinen Auftritt in der Show vorbereitete."
Peter Glaser: "Geschichte von Nichts". Erzählungen. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003. 192 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zurück zur Betonung: Peter Glaser loggt sich mit einem neuen Erzählungsband wieder in die deutsche Literatur ein
Wovon träumen Konzerne, wenn man sie nur läßt? Zum Beispiel davon, aus einem einzigen Rechenzentrum ihre weltweite Kundschaft exklusiv mit komprimierten Dateien zu versorgen, die diese als Pophits oder Videoclips wahrnehmen können. Schon in den achtziger Jahren, als das World Wide Web nur Zukunftsmusik war, träumten Hacker den gleichen Traum. Nur in umgekehrter Richtung: In seiner Geschichte "Die rote Präzision" von 1985 erzählt Peter Glaser von einer Gruppe Computerfreaks, deren Ziel ist, sämtliche Datenbestände der Großrechner durch Musik zu ersetzen und damit ein Orchester von globalen Dimensionen zu erzeugen. Nicht Schwerter zu Pflugscharen, sondern Speicherplätze zu E-Gitarren war die Utopie einer neuen Generation, die sich in Übersee als Cyberpunk - William Gibson mit seiner "Neuromancer"-Trilogie -, in Deutschland im technoiden Zweig der "Neuen Deutschen Welle" und später in der Subkutankultur des "Chaos Computer Club" manifestierte.
In "Geschichte von Nichts", Glasers neuem, nach langer literarischer Abstinenz erschienenen Band, ersetzt das Hackertrio Carl, Broderick und Ewa ein paar Ziffern tief in den Hinterkommastellen der Zahl Pi und spielt die falsche Version auf die Rechner großer Forschungszentren. Später erpressen sie einen Direktor mit ihrem für die Scientific Community höchst peinlichen Wissen. "Raumpflege" heißt die Geschichte, und sie beginnt mit einem Satz, der den Ausgangspunkt von Glasers Ästhetik bilden könnte: "Die meisten von uns begegnen der Macht nur als Zuschauer." Die Omnipotenzphantasie des Hackers dagegen stützt sich auf die Chaostheorie: Kleinste Ursachen können allergrößte Folgen haben. Wie die Entstehung des Universums nur möglich war durch eine minimale Störung uranfänglicher Symmetrie - einen Akt der Liebe, wie Ewa glaubt -, so ist auch der schnurrende Gleichlauf der Systeme durch winzige Manipulationen aus dem Rhythmus zu bringen. Wie der an schwerem Rheuma leidende Glaser ist auch Carl auf einen Rollstuhl angewiesen. Mit einem darin versteckten Tesla-Trafo legt er auf Computermessen Stände lahm und schenkt sogar Bill Gates einen fatalen Kurzschluß ein. Der Zusammenbruch der New Economy als Verschwörung dreier anarchistischer Taugenichtse - die Gegenmacht des süßen Nichtstuns wird hier Wirklichkeit.
Peter Glaser, geboren 1957 in Graz, seit 1980 in Deutschland lebend, ist eine zentrale Figur in den Energieflüssen zwischen Kunst und Technik, Ästhetik und Informatik. Zu Beginn der Achtziger gehörte er zu der Gruppe junger Autoren wie Diedrich Diederichsen, Rainald Goetz oder Hubert Winkels, die die deutsche Literatur im Geiste der Großstadt revolutionieren wollten. 1984 dokumentierte er das mit der gerade wiederaufgelegten Anthologie "Rawums". Danach ging Glaser nach Hamburg, gab das Vereinsmagazin des "Chaos Computer Club" heraus, arbeitete als Kolumnist für "Tempo" und als Magazinreporter, schrieb ein Buch über das Internet, leitete "Konr@d", das ambitionierte, aber rasch eingestellte Computermagazin des "Stern", aber - machte keine Literatur mehr. Daß er im letzten Jahr den Bachmann-Preis gewann, ja daß er, der in den frühen Achtzigern als "Poetronic" mit Commodore-Computer die Lesung als Veranstaltungsform verabschiedet hatte, überhaupt am Klagenfurter Wettbewerb teilnahm, war eine Sensation, ein kaum mehr erwarteter Wiedereintritt eines weitschweifigen Trabanten in die literarische Stratosphäre ohne spürbaren Reibungsverlust.
Sein Erzählband, der mit der preisgekrönten "Geschichte von Nichts" (F.A.Z. vom 6. Juli 2002) beginnt, ist deutlich von den Amerikanern beeinflußt, DeLillo, der frühe Pynchon, auch David Foster Wallace. Glaser überhebt sich nicht daran, weil ihn keine überdrehten Plots interessieren, sondern die atmosphärische Spannung zwischen den Figuren und ihrer Umwelt. Es sind die Dinge, die handeln und den Menschen die Agenda diktieren: "In der Stadt nahm uns ein Kaufhaus mit seinen gläsernen Flügeltüren aus der Kälte. Schilfgrassträuße lagen neben Hemdenstapeln, leise klickten Kleiderbügel an Chromstangen, und am Ende des großen Raums transportierte eine Rolltreppe Stufe für Stufe Nichts herauf." Das Nichts freilich, das als Thema beschworen wird, ist der Tod und die Liebe - Grenzerfahrungen, die den gleichförmig surrenden Alltag seiner Figuren jäh mit Akzenten versehen, wie jene kaum vernehmbare Musik, die aus einer Nachbarwohnung herüberklingt und doch wie eine Epiphanie trifft. Die Titelgeschichte führt von einer archäologischen Grabungsstätte in Ägypten über Athen nach Italien und Hamburg, doch erzählt wird von der letzten Reise der alten Tante, von einer scheiternden Beziehung, von unwiederbringlichen Verlusten, zugleich auch von einer Freundschaft. Und ganz nebenbei entsteht ein tiefenscharfes Panorama der Gegenwart, der neuen Weltunordnung, die keine größenwahnsinnigen Techno-Anarchisten mehr braucht, um aus den Fugen zu geraten. Beiläufig wird erwähnt, daß die Geschichte um den 11. September 2001 spielt.
Glaser, der sich selbst früher einmal als "seelischen Stuntman" bezeichnet hat, geht ein hohes Risiko ein, indem er die konventionelle Thematik mit der neusachlichen Bildsprache kollidieren läßt. "Die letzten Schwimmvögel zogen Spuren über das polierte Wasser, wie Glasschneider", heißt es am Ende der "Geschichte von Nichts". Und in "Das Dreikörperproblem" liefert der mörderische Krach einer Papierfabrik den Soundtrack zu einer verzweifelten Suche nach Glück; die verletzende Schärfe des Papiers wird Emblem für die Gewalt des vermeintlich Machtlosen. Die Angestelltenwelt der Medien, die Glaser bestens kennt, ist mehrfach der Hintergrund dieser Parabeln modernen Lebens: der von Gedächtnisverlust befallene Reporter in "Keiner", der einer absurden Story über einen Sonderling hinterherjagt und am Ende Job und Frau verliert, oder der Grafiker, der an dem Auftrag verzweifelt, einen Hamster im Videobild "freizustellen", und der Komplexität der Wirklichkeit unterliegt.
Komplex sind auch die Beziehungen zwischen den Erzählungen. Wie Ausrisse aus einem größeren Ganzen wirken sie, sind bei aller Dichte bewußt unabgeschlossen, werden manchmal wie Musik ausgeblendet. Eine Geschichte wird zur Vorgeschichte der anderen; einem Möbiusband gleich scheinen sie unauflösbar in sich verschlungen. Ihre Netzstruktur wirkt wie ein letzter Gruß an längst zerstobene Internetträume, ist aber wohl auch ein Vorschuß auf den Roman, an dem Glaser seit Jahren arbeitet.
Mit diesen fünf Geschichten aber ist ein wichtiger Autor auf den Monitor des Literaturbetriebssystems zurückgekehrt. Das ist ein Glücksfall, denn wir brauchen seinen ebenso kühlen wie sehnsüchtigen Blick, der unsere versiegelte Oberflächenwelt nach jenen Sprüngen abtastet, die das Leben ermöglichen. Glasers Bilder unserer Gegenwart sind grell, überbelichtet, manchmal schockierend. Immer jedoch von einer Auflösung, die die Sinne schmerzt: "Manchmal war mir, als flösse etwas vom blauen Strahlen des Fernsehens durch meine Adern, die Wärme des Bluts nur noch Kulisse, hinter der sich ein eisiges Wissen auf seinen Auftritt in der Show vorbereitete."
Peter Glaser: "Geschichte von Nichts". Erzählungen. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003. 192 S., geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.12.2003Das Vibrieren der Papierschneidemaschine
Schmelzwasser aus den fernen Gebirgen der Wirklichkeit: Peter Glasers Erzählband „Geschichte vom Nichts”
„Die Schatten der Hitze, die aus den Lüftungsschlitzen des Toasters stieg, flossen wie winziger Autoverkehr eilig über die Tischplatte”. Ein paar solcher Sätze reichen zur Neugier auf ein ganzes Buch: genaue Beobachtungen, eine konzentrierte Sprache, die auf den ersten Blick manchmal maniriert wirkt. Aber nichts in dieser „Geschichte von Nichts” ist nur für sich selber da, jeder Schnörkel, jeder Gedanke, jede „Übergenauigkeit” dient dazu, die raue Oberfläche der Dinge fühlbar zu machen.
Ein Auto-Schrottplatz eignet sich dazu nicht schlecht: Zunächst bleibt alles im Bereich eines eher geläufigen Realismus, dann aber zeigt sich Peter Glaser als Spezialist für Vergleiche, die dem Leser vor dessen Auge die Welt zerlegen: „Es roch nach nassem Metall, auf einer Pfütze irisierte Öl. Durch die offene Schiebetür einer Wellblechbaracke sah er einen der Mexikaner an einer Entlötpumpe arbeiten. Wie ein Grabräuber, der Juwelen aus einem Geschmeide bricht, pflückte er schwarze Chipsgehäuse mit goldenen Beinchen von einer Leiterplatte”. In der gleichen Erzählung erfährt man, wie die Leere der Welt anschaulich werden kann: „Als sie gegangen war, machte Broderick sinnlose Handbewegungen, ein paar Schritte, und merkte, dass es nirgends mehr lang ging (. . .). Dann schaute er, ohne hineinsehen zu können, im Bad seinem Spiegelbild auf die schwarzen Pupillen.”
Rawums-Detonationen
Als Peter Glaser 2002 den Ingeborg-Bachmann-Preis gewann, wirkte der in Berlin lebende Österreicher wie ein Fremdgänger im Betrieb. Zu gut und mit seinem Geburtsjahr 1957 eigentlich auch zu alt, um unbekannt zu sein, war er für einige die Überraschung der lauen Veranstaltung. Zu viel Zeit war seit seinen letzten Büchern verflossen, die, ging es um Qualität, auch vor bald zwanzig Jahren niemand verpassen konnte.
Schon weil sie damals nicht ohne Angeberei daher kamen, versehen mit dem Selbstbewusstsein einer Avantgarde, die sich gegen frisch verstaubte Kulissen anrennen sah: „Rawums. Texte zum Thema” hieß der von Glaser 1984 bei Kiepenheuer & Witsch herausgegebene Band, der sich von verschiedenen künstlerischen Seiten her (einer der Beiträger war Martin Kippenberger), der früh gealterten neuen Subjektivität der Siebziger Jahre annahm.
Glasers pamphletartiges Eröffnungsmanifest, „Zur Lage der Detonation, ein Explosé”, übertrumpfte dabei alle anderen Beiträge an Größenwahnsinn und satirischer Trefferquote, so im Blick auf die Gegenwartsliteratur: „sie wogt in der Verschwommenheit nicht des Träumers, sondern des Unaufgewachten”, „eine geistesgeschichtliche Blei-Ente, ein Radiergummisaurier, ein wenig friedensbewegt und ein wenig arbeiterklassisch”.1977, so Glaser damals in seinem „nach dem Listings-Schema von Computerprogrammen” geordneten Versmanifest, setzten die Musiker dem Jahrzehnt ein Ende, die Maler machten mit: nur „die Schriftsteller stehen ein wenig betreten vor dem feuchten Fleck, den ihnen die neue Welle unter’m Türspalt durchgeschwemmt hat und flüstern einander zu: Keiner hat’s gesehen”.
Glasers literarischer Werdegang führte vom steirischen Herbst in Düsseldorfer Kunstkeller, zur New Wave. Was das literarisch heißt, deutete Glaser etwa in einer Erzählung aus dem Band „Schönheit in Waffen. Stories” (1985) an. Gegen Geld sollen Lily und Hardy von ihrer Liebe erzählen. Cool sollte sie sein, als das noch nicht üblich war. Der Autor bezahlt nur für eine „moderne Geschichte” ohne „romantische Schlagseite”. Man war nicht verliebt, sondern einander verfallen. Atmosphärisch sollten die Beziehungen zwischen film noir, der nouvelle vague und dem letzten Tango schweben. „Manchmal ist es aber ziemlich jämmerlich”, sagt Hardy, „das interessiert niemanden”, meint der Autor. „Man macht jetzt eine neue Richtung, sagte ich. Heute muss man scharf und flink und witzig sein.” Manches aus dieser Zeit war eher cowboyhaft amüsant als interessant, Aber Glasers Sprache blieb stets schnittig und steil. Und die Skepsis Gefühlen gegenüber förderte schon damals das Verhältnis zur Dingwelt.
Lauter nackte Telefonpfosten
Glaser erkrankte an Rheuma, musste in den Rollstuhl, setzte seinen Avantgarde-Weg in anderen Regionen fort. 1995, als noch wenige Literaten das Internet kannten, schrieb er „Onlinesein. Zu Besuch in der Neuesten Welt. 24 Stunden im 21. Jahrhundert”. Nun, wieder acht Jahre später, meldet sich Glaser in der Literatur zurück. Und wieder scheint es, als habe er nicht geschlafen. Noch immer haben seine Texte die Energie des Anfangs und wirken zudem von aller Angeberei wie entschlackt.
Die Erzählung „Das Dreikörperproblem” spielt mit einem epischen Romananfang und bleibt ironisch in der Gegenwart: „Es war das Jahr, in dem die nackten Telefonpfosten auf den Straßen wieder gläserne Seitenwände und Vordächer bekamen.” Held der Erzählung ist Toni Fischkorn, Arbeiter in einer Papierfabrik. Er lebt in einem Keller, in den Fenstern ist Plastik, kein Glas, das Chaos beherrscht die Wohnung. „Ein Herbstmorgen begann zu leuchten. Die Natur zeigte, wie etwas schön zu Ende gehen kann. Fischkorn war auf dem Weg von der Nachtschicht nach Hause.”
So einen wie Fischkorn gab es schon lange nicht mehr in der deutschsprachigen Literatur. Man fühlt sich an ebenso genauigkeits- und technikbegeisterte wie exaltiert empfindungsstarke Autoren der Moderne wie den Musil der „Vereinigungen” oder den Benn der Rönne-Novellen erinnert: „Nun schlief Toni Fischkorn. Atemwolken flackerten aus seinen Nasenlöchern in die eiskalte Luft”. Doch Fischkorn fehlt jeder Hauch von Herrenmensch, interessant an diesem Außenseiter ist vor allem seine nervöse Wahrnehmung: Plötzlich hört er Musik an der Wand seines Küchenlochs, die er, von sich selbst überrascht, „zart und juwelenfunderfreut und hungrig an sich zog”. Es ist eine seltsame Mischung aus Klassik, marokkanischem HipHop und Mainstream-Pop, abwechslungsreich genug, „einem vor Musiklosigkeit zu Weltwinzigkeit eingeschnurrtem Gemüt wieder neue Weite” zu geben.
Überhaupt wird Fischkorns Kellerloch zum Raum der Erfahrung. Schon seine Berührungen mit dem Papier, das er stiehlt, haben mehr Welt in sich als so mancher brave Roman. Durch die Kellermusik auf den Geschmack gekommen, wird er selber zum Instrument. Als er an der Papierschneide steht, lässt er das Vibrieren der Maschine an sich heran und durch den leicht geöffneten Mund als Brummen in verschiedenen Tonlagen wieder hinaus.
Aber Glasers „Dreikörperproblem” ist keineswegs nur eine der eigenwilligsten Musikerzählungen der deutschsprachigen Literatur. Zusammen mit ihrer Schwester „Raumpflege”, die mit gleichen Personal aus der Sicht einer anderen Figur erzählt ist, macht sie diesen schmalen Band zu einem der interessantesten Bücher der letzten Jahre. Mit wunderbaren Anfangssätzen: „Die meisten von uns begegnen der Macht nur als Zuschauer. Wie Schmelzwasser rauscht es heran aus den fernen Gebirgen der Wirklichkeit, wie Wind, der danach riecht, dass es weit weg geschneit hat.” Aber keine Angst, Glaser beherrscht auch den Kontrapunkt, der nächste Abschnitt beginnt so: „Jeger hatte aus San Francisco Tapas und Flaschenbier mitgebracht.”
HANS-PETER KUNISCH
PETER GLASER: Geschichte von Nichts. Erzählungen. Verlag Kiepenheuer & Witsch. Köln 2003. 190 Seiten, 16,90 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Schmelzwasser aus den fernen Gebirgen der Wirklichkeit: Peter Glasers Erzählband „Geschichte vom Nichts”
„Die Schatten der Hitze, die aus den Lüftungsschlitzen des Toasters stieg, flossen wie winziger Autoverkehr eilig über die Tischplatte”. Ein paar solcher Sätze reichen zur Neugier auf ein ganzes Buch: genaue Beobachtungen, eine konzentrierte Sprache, die auf den ersten Blick manchmal maniriert wirkt. Aber nichts in dieser „Geschichte von Nichts” ist nur für sich selber da, jeder Schnörkel, jeder Gedanke, jede „Übergenauigkeit” dient dazu, die raue Oberfläche der Dinge fühlbar zu machen.
Ein Auto-Schrottplatz eignet sich dazu nicht schlecht: Zunächst bleibt alles im Bereich eines eher geläufigen Realismus, dann aber zeigt sich Peter Glaser als Spezialist für Vergleiche, die dem Leser vor dessen Auge die Welt zerlegen: „Es roch nach nassem Metall, auf einer Pfütze irisierte Öl. Durch die offene Schiebetür einer Wellblechbaracke sah er einen der Mexikaner an einer Entlötpumpe arbeiten. Wie ein Grabräuber, der Juwelen aus einem Geschmeide bricht, pflückte er schwarze Chipsgehäuse mit goldenen Beinchen von einer Leiterplatte”. In der gleichen Erzählung erfährt man, wie die Leere der Welt anschaulich werden kann: „Als sie gegangen war, machte Broderick sinnlose Handbewegungen, ein paar Schritte, und merkte, dass es nirgends mehr lang ging (. . .). Dann schaute er, ohne hineinsehen zu können, im Bad seinem Spiegelbild auf die schwarzen Pupillen.”
Rawums-Detonationen
Als Peter Glaser 2002 den Ingeborg-Bachmann-Preis gewann, wirkte der in Berlin lebende Österreicher wie ein Fremdgänger im Betrieb. Zu gut und mit seinem Geburtsjahr 1957 eigentlich auch zu alt, um unbekannt zu sein, war er für einige die Überraschung der lauen Veranstaltung. Zu viel Zeit war seit seinen letzten Büchern verflossen, die, ging es um Qualität, auch vor bald zwanzig Jahren niemand verpassen konnte.
Schon weil sie damals nicht ohne Angeberei daher kamen, versehen mit dem Selbstbewusstsein einer Avantgarde, die sich gegen frisch verstaubte Kulissen anrennen sah: „Rawums. Texte zum Thema” hieß der von Glaser 1984 bei Kiepenheuer & Witsch herausgegebene Band, der sich von verschiedenen künstlerischen Seiten her (einer der Beiträger war Martin Kippenberger), der früh gealterten neuen Subjektivität der Siebziger Jahre annahm.
Glasers pamphletartiges Eröffnungsmanifest, „Zur Lage der Detonation, ein Explosé”, übertrumpfte dabei alle anderen Beiträge an Größenwahnsinn und satirischer Trefferquote, so im Blick auf die Gegenwartsliteratur: „sie wogt in der Verschwommenheit nicht des Träumers, sondern des Unaufgewachten”, „eine geistesgeschichtliche Blei-Ente, ein Radiergummisaurier, ein wenig friedensbewegt und ein wenig arbeiterklassisch”.1977, so Glaser damals in seinem „nach dem Listings-Schema von Computerprogrammen” geordneten Versmanifest, setzten die Musiker dem Jahrzehnt ein Ende, die Maler machten mit: nur „die Schriftsteller stehen ein wenig betreten vor dem feuchten Fleck, den ihnen die neue Welle unter’m Türspalt durchgeschwemmt hat und flüstern einander zu: Keiner hat’s gesehen”.
Glasers literarischer Werdegang führte vom steirischen Herbst in Düsseldorfer Kunstkeller, zur New Wave. Was das literarisch heißt, deutete Glaser etwa in einer Erzählung aus dem Band „Schönheit in Waffen. Stories” (1985) an. Gegen Geld sollen Lily und Hardy von ihrer Liebe erzählen. Cool sollte sie sein, als das noch nicht üblich war. Der Autor bezahlt nur für eine „moderne Geschichte” ohne „romantische Schlagseite”. Man war nicht verliebt, sondern einander verfallen. Atmosphärisch sollten die Beziehungen zwischen film noir, der nouvelle vague und dem letzten Tango schweben. „Manchmal ist es aber ziemlich jämmerlich”, sagt Hardy, „das interessiert niemanden”, meint der Autor. „Man macht jetzt eine neue Richtung, sagte ich. Heute muss man scharf und flink und witzig sein.” Manches aus dieser Zeit war eher cowboyhaft amüsant als interessant, Aber Glasers Sprache blieb stets schnittig und steil. Und die Skepsis Gefühlen gegenüber förderte schon damals das Verhältnis zur Dingwelt.
Lauter nackte Telefonpfosten
Glaser erkrankte an Rheuma, musste in den Rollstuhl, setzte seinen Avantgarde-Weg in anderen Regionen fort. 1995, als noch wenige Literaten das Internet kannten, schrieb er „Onlinesein. Zu Besuch in der Neuesten Welt. 24 Stunden im 21. Jahrhundert”. Nun, wieder acht Jahre später, meldet sich Glaser in der Literatur zurück. Und wieder scheint es, als habe er nicht geschlafen. Noch immer haben seine Texte die Energie des Anfangs und wirken zudem von aller Angeberei wie entschlackt.
Die Erzählung „Das Dreikörperproblem” spielt mit einem epischen Romananfang und bleibt ironisch in der Gegenwart: „Es war das Jahr, in dem die nackten Telefonpfosten auf den Straßen wieder gläserne Seitenwände und Vordächer bekamen.” Held der Erzählung ist Toni Fischkorn, Arbeiter in einer Papierfabrik. Er lebt in einem Keller, in den Fenstern ist Plastik, kein Glas, das Chaos beherrscht die Wohnung. „Ein Herbstmorgen begann zu leuchten. Die Natur zeigte, wie etwas schön zu Ende gehen kann. Fischkorn war auf dem Weg von der Nachtschicht nach Hause.”
So einen wie Fischkorn gab es schon lange nicht mehr in der deutschsprachigen Literatur. Man fühlt sich an ebenso genauigkeits- und technikbegeisterte wie exaltiert empfindungsstarke Autoren der Moderne wie den Musil der „Vereinigungen” oder den Benn der Rönne-Novellen erinnert: „Nun schlief Toni Fischkorn. Atemwolken flackerten aus seinen Nasenlöchern in die eiskalte Luft”. Doch Fischkorn fehlt jeder Hauch von Herrenmensch, interessant an diesem Außenseiter ist vor allem seine nervöse Wahrnehmung: Plötzlich hört er Musik an der Wand seines Küchenlochs, die er, von sich selbst überrascht, „zart und juwelenfunderfreut und hungrig an sich zog”. Es ist eine seltsame Mischung aus Klassik, marokkanischem HipHop und Mainstream-Pop, abwechslungsreich genug, „einem vor Musiklosigkeit zu Weltwinzigkeit eingeschnurrtem Gemüt wieder neue Weite” zu geben.
Überhaupt wird Fischkorns Kellerloch zum Raum der Erfahrung. Schon seine Berührungen mit dem Papier, das er stiehlt, haben mehr Welt in sich als so mancher brave Roman. Durch die Kellermusik auf den Geschmack gekommen, wird er selber zum Instrument. Als er an der Papierschneide steht, lässt er das Vibrieren der Maschine an sich heran und durch den leicht geöffneten Mund als Brummen in verschiedenen Tonlagen wieder hinaus.
Aber Glasers „Dreikörperproblem” ist keineswegs nur eine der eigenwilligsten Musikerzählungen der deutschsprachigen Literatur. Zusammen mit ihrer Schwester „Raumpflege”, die mit gleichen Personal aus der Sicht einer anderen Figur erzählt ist, macht sie diesen schmalen Band zu einem der interessantesten Bücher der letzten Jahre. Mit wunderbaren Anfangssätzen: „Die meisten von uns begegnen der Macht nur als Zuschauer. Wie Schmelzwasser rauscht es heran aus den fernen Gebirgen der Wirklichkeit, wie Wind, der danach riecht, dass es weit weg geschneit hat.” Aber keine Angst, Glaser beherrscht auch den Kontrapunkt, der nächste Abschnitt beginnt so: „Jeger hatte aus San Francisco Tapas und Flaschenbier mitgebracht.”
HANS-PETER KUNISCH
PETER GLASER: Geschichte von Nichts. Erzählungen. Verlag Kiepenheuer & Witsch. Köln 2003. 190 Seiten, 16,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Als Glücksfall betrachtet Rezensent Richard Kämmerlings die Rückkehr Peter Glasers (den er eine "zentrale Figur in den Energieflüssen zwischen Kunst und Technik, Ästhetik und Information" nennt) auf den "Monitor des Literaturbetriebs". Seine Erzählungen, die ihn ausgesprochen begeistert haben. findet er deutlich von amerikanischen Autoren wie deLillo oder dem frühen Pynchon beeinflusst. Als Hintergrund der Erzählungen beschreibt der Rezent die Angestelltenwelt der Medien, als ihre Protagonisten Reporter, Grafiker oder Computerspezialisten. Kämmerlings feiert an diesen Erzählungen besonders Glasers "ebenso kühlen wie sehnsüchtigen Blick", mit dem er die Sprünge in der glatten Oberfläche unserer Welt registriert. Grell, überbelichtet und manchmal schockierend findet er die Bilder, die Glasers Erzählungen von Gegenwart zeichnen: "von einer Auflösung, die die Sinne schmerzt".
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Meisterstücke aus der Werkstatt der rasanten Vergleiche. Peter Glaser ist unter denen, die sich nur im Kleinen betätigen, der Größte.« Harald Jähner Berliner Zeitung