Marktplatzangebote
16 Angebote ab € 2,11 €
  • Broschiertes Buch

Dieses Buch versammelt Auszüge aus Tagebüchern von Frauen und dokumentiert die Erfahrungen der Zeit des Nationalsozialismus in vielfältiger Weise: es sind die Stimmen der Opfer, der Frauen im Widerstand, auf der Flucht, in Lagern; es sind aber auch Stimmen der Mitläuferinnen, der jungen hoffnungsvollen Schülerinnen, der Gesellschaftsreporterin oder der Wehrmachtshelferin. Das Buch zeigt die Verblendungen, die Hoffnungen und Enttäuschungen, die Verzweiflung und die Reaktionsmuster angesichts des Untergangs vieler Fronten - eine Dokumentation authentischer Lebenserfahrung.

Produktbeschreibung
Dieses Buch versammelt Auszüge aus Tagebüchern von Frauen und dokumentiert die Erfahrungen der Zeit des Nationalsozialismus in vielfältiger Weise: es sind die Stimmen der Opfer, der Frauen im Widerstand, auf der Flucht, in Lagern; es sind aber auch Stimmen der Mitläuferinnen, der jungen hoffnungsvollen Schülerinnen, der Gesellschaftsreporterin oder der Wehrmachtshelferin. Das Buch zeigt die Verblendungen, die Hoffnungen und Enttäuschungen, die Verzweiflung und die Reaktionsmuster angesichts des Untergangs vieler Fronten - eine Dokumentation authentischer Lebenserfahrung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.12.1998

Bubikopf
Frauentagebücher aus der NS-Zeit

Barbara Bronnen (Herausgeber): Geschichten vom Überleben. Frauentagebücher aus der NS-Zeit. Beck'sche Reihe 1264. Verlag C. H. Beck, München 1998. 251 Seiten, 22,- Mark.

Hitler "wußte nicht recht, was er mit seinen Händen anfangen sollte. Er umklammerte sein Taschentuch oder schob seine schmierige Haarsträhne aus der Stirn", schreibt die jüdische Journalistin Bella Fromm in ihrem 1994 erschienenen Tagebuch "Als Hitler mir die Hand küßte". Sie macht keinen Hehl aus ihrer Abscheu. Ganz anders die Studentin Lore Walb, die sich 1940 auf einer Reise in die damals noch junge Tschechoslowakei bestürzt zeigt über die Fruchtbarkeit der Tschechen, die dazu beitrage, daß das Deutschtum in dem Örtchen Iglau bald in der Minderheit sein werde. Sie gibt sich in ihren Aufzeichnungen als begeisterte NSDAP-Anhängerin zu erkennen. Die Schriftstellerin Barbara Bronnen hat nun Auszüge aus den Tagebüchern Fromms, Walbs und achtzehn anderer Frauen zu einem Lesebuch zusammengestellt.

Es kommen Zeitzeugen zu Wort, die am eigenen Leib erfahren haben, welche Auswirkungen die Herrschaft der Nationalsozialisten auf das Leben der Menschen in Deutschland hatte: mit Aufzeichnungen aus einer Zeit, in der das Aufschreiben ketzerischer Gedanken lebensgefährlich war. Die "Geschichten vom Überleben" sind freilich keine unbekannten Texte, sondern Ausschnitte aus bereits erschienenen Tagebüchern. In chronologischer Reihenfolge werden die Jahre 1933 bis 1945 abgehandelt; es kommen Widerstandskämpferinnen zu Wort, Krankenschwestern, KZ-Häftlinge und Wehrmachtshelferinnen. Die Herausgeberin läßt die Texte für sich selbst sprechen. In wenigen Sätzen stellt sie die Autorinnen vor, die Tagebucheintragungen läßt sie unkommentiert, ein Register gibt es nicht, lediglich ein Quellenverzeichnis.

In den Tagebuchauszügen der Jahre 1933 bis 1940 wird zunächst das Erstaunen über die Dinge thematisiert, die sich im Leben der Frauen durch die Machtergreifung Hitlers geändert haben. Hatte Bella Fromm sich noch naserümpfend über den Führer ausgelassen, "das unansehnliche und magere Geschöpf", das sich zum ersten Mal in seinem "schäbigen besten Sonntagskleid" in Gesellschaft zeigte, so zeigt sich die jüdische Ärztin Hertha Nathorff schon einen Monat später, im April 1933, verzweifelt und verletzt angesichts der Tatsache, daß sie ihre Praxis aufgeben muß. Aber auch begeisterte Anhängerinnen Hitlers kommen zu Wort, die meist aus Einfalt von der Machtergreifung der Nationalsozialisten begeistert sind.

Die Jahre 1940 bis 1945 zeugen vom Widerstand einzelner mutiger Frauen wie der russischen Prinzessin Marie Wassiltschikow, die - in Berlin lebend - Einblick in die Vorbereitungen zum Sturz Hitlers hatte, und der Journalistin Ruth Andreas Friedrich, die verfolgten Juden Asyl bot und sie mit falschen Pässen versorgte. Auszüge aus den Tagebüchern der Jüdinnen Niza Ganor, Resi Weglein und Etty Hillesum über ihre Deportation in die Konzentrationslager von Auschwitz und Theresienstadt fallen ebenfalls in diese Zeit. Daß sie nicht ahnten, was sich hinter dem Begriff Arbeitslager verbarg, zeigt sich, wenn die Psychologiestudentin Etty Hillesum schildert, wie sie sich auf ihre Deportation vorbereitet: "Ich würde mir einen Bubikopf schneiden lassen und meinen Lippenstift wegwerfen. Ich würde versuchen, die Rilke-Briefe noch in dieser Woche zu lesen. Nach einigen Tagen würde ich zum Zahnarzt gehen, um meine vielen hohlen Backenzähne füllen zu lassen, denn das wäre wirklich grotesk, wenn man dort Zahnweh bekäme."

KATRIN HUMMEL

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr