Es gab sie wirklich im alten Japan, Frauen, die in der Kampfkunst geübt waren und sogar Heere führten, aber sie waren die absolute Ausnahme und haben weder in der Literatur, noch den historischen Quellen große Spuren hinterlassen. Benjamin Lacombe trug seit langem den Wunsch in sich, die Geschichten
dieser außergewöhnlichen Frauen zu illustrieren, aber seine Suche nach einem authentischen…mehrEs gab sie wirklich im alten Japan, Frauen, die in der Kampfkunst geübt waren und sogar Heere führten, aber sie waren die absolute Ausnahme und haben weder in der Literatur, noch den historischen Quellen große Spuren hinterlassen. Benjamin Lacombe trug seit langem den Wunsch in sich, die Geschichten dieser außergewöhnlichen Frauen zu illustrieren, aber seine Suche nach einem authentischen japanischen Text war vergeblich: Die männlich dominierte Gesellschaft Japans hat den Frauen, die aus ihrer Rolle fielen, bisher kaum Beachtung geschenkt und daher hat Lacombe Sebastien Perez darum gebeten, die Geschichten aufzuschreiben.
Lacombes Illustrationen, das muss ich vorausschicken, sind wunderschön, so wie bereits in seinen anderen Japan-Büchern. Diesmal sind die bestimmenden Farben Rot und Silber, was eine besonders edle Atmosphäre schafft, wie bei einer mittelalterlichen Buchmalerei. Stilistisch erkennt man Anklänge bei Hokusai oder Kunisada und natürlich im europäischen Jugendstil (der selber wieder japanisch beeinflusst ist). Das ist alles sehr stimmig und elegant umgesetzt und das ganze Buchlayout ist prachtvoll gelungen.
Dennoch hat mich dieses Buch, anders als die Lafcadio Hearn Bände aus der Serie, inhaltlich nicht wirklich überzeugt. Wie eingangs erwähnt, ist die Quellenlage ausgesprochen dünn und Sebastien Perez schmückt teilweise eine vierzeilige Erwähnung im Heike Monogatari zu 20 Seiten Prosa aus. Das wäre kein grundsätzliches Problem, hätte er nicht die Sichtweise der jeweiligen Samuraifrauen eingenommen und sich über deren Absichten und Ansichten sehr detailliert ausgelassen. Dabei wird leider nur zu deutlich, dass sich Perez in der japanischen Kulturgeschichte (und Geschichte) nicht gut auskennt. Seine Samuraifrauen sind hochgradig individualistisch und versprühen meist einen emanzipatorischen Kampfgeist, der europäischen Feministinen gut zu Gesicht steht, im mittelalterlichen oder edozeitlichen Japan aber gesellschaftlich völlig geächtet gewesen wäre. Eine noch so kampfesmutige Samuraifrau hätte nicht existieren können, ohne gesellschaftlichen Rückhalt. Es muss also andere Mechanismen gegeben haben, nur sind diese leider nicht dokumentiert, wobei eine männlich dominante (Beschützer)Rolle sehr wahrscheinlich ist. Dem Ganzen stattdessen die westliche Brille aufzusetzen, ist dagegen keine überzeugende Lösung, ganz abgesehen davon, dass Perez kein literarisches Naturtalent ist. Hinzu kommen auch sachliche Fehler, wie zum Beispiel Jingu als „Kaiserin“ zu titulieren. Sie war Regentin, wie viele Frauen vor und nach ihr, aber nie Kaiserin, und das auch nur bis zur Volljährigkeit ihres Sohnes. Das sind alles Fehler und Fehleinschätzungen, die mich beim Lesen mehr und mehr gestört haben.
Woke und Wahrheit diffundieren heute immer deutlicher auseinander, so auch hier. Visuell ein Genuss, intellektuell eine Enttäuschung.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)