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Jeder weiß, was er am liebsten isst, welche Farbe er mag und welches die beste Kultserie ist. Aber wie entscheiden wir, was wir gut finden? Sind diese Entscheidungen biologisch begründet oder von persönlichen Erfahrungen geprägt? Tom Vanderbilt stützt sich auf die neuesten Erkenntnisse von Psychologie und Hirnforschung und beantwortet die Frage nach den Ursprüngen unseres Geschmacks. Von den komplizierten Hintergründen der Essensauswahl über die Nonstop-Vergabe von Likes im Netz bis zu unserer Unsicherheit beim Anblick eines Kunstwerks: Tom Vanderbilt zeigt in diesem Standardwerk, welcher…mehr

Produktbeschreibung
Jeder weiß, was er am liebsten isst, welche Farbe er mag und welches die beste Kultserie ist. Aber wie entscheiden wir, was wir gut finden? Sind diese Entscheidungen biologisch begründet oder von persönlichen Erfahrungen geprägt? Tom Vanderbilt stützt sich auf die neuesten Erkenntnisse von Psychologie und Hirnforschung und beantwortet die Frage nach den Ursprüngen unseres Geschmacks. Von den komplizierten Hintergründen der Essensauswahl über die Nonstop-Vergabe von Likes im Netz bis zu unserer Unsicherheit beim Anblick eines Kunstwerks: Tom Vanderbilt zeigt in diesem Standardwerk, welcher Anteil der Präferenzen im Alltag in unseren Gehirnen angelegt ist und welcher von unserem Umfeld beeinflusst wird.
Autorenporträt
Vanderbilt, Tom
Der Journalist Tom Vanderbilt schreibt unter anderem für das "New York Times Magazine", das "Wall Street Journal", den "Rolling Stone" und "Popular Science" über Wissenschaft, Design, Technologie und Kultur. Sein letztes Buch "Traffic" war ein "New York Times"-Bestseller und wurde in 18 Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2016

Im Ernst, das gefällt Ihnen?

Wein, Hunde, Essen, Kunst, Mode, Autos: Tom Vanderbilts hinreißendes Buch über unsere unterschiedlichen Geschmacksvorlieben.

Von Stephan Wackwitz

Die Frage, ob man über Geschmack streiten kann, ist selber eine Streitfrage, seit langem. "De gustibus et coloribus non est disputandum" lautet eine lateinische Maxime, die in der mittelalterlichen Scholastik zum ersten Mal aufgetaucht zu sein scheint. "De gustibus est disputandum", schrieb dagegen Adorno in den "Minima Moralia", und auch er hatte recht. Pierre Bourdieu machte die Untersuchung von Geschmacksfragen zu einem wichtigen Zweig der Soziologie. Und das Interesse junger Bevölkerungsgruppen in den wohlhabenden großen Städten zwischen New York und Schanghai an modischen, innenarchitektonischen und künstlerischen Geschmacksfragen hat diese zum Motor ausgedehnter "creative industries" werden lassen. Geschmack setzt Milliarden um.

Dass man trotzdem nicht genau weiß, was Geschmack eigentlich ist, scheint daran zu liegen, dass Geschmacksempfindungen zugleich subjektiv und objektiv sind. "Unser Geschmack, auf dem unser Urteil beruht, scheint (...) eine undurchsichtige Mittelstellung einzunehmen", schreibt Tom Vanderbilt - derzeit einer der interessantesten Journalisten und Blogger der Vereinigten Staaten - in seinem neuen Buch "You May Also Like: Taste in an Age of Endless Choice", das jetzt unter dem Titel "Geschmack. Warum wir mögen, was wir mögen" auf Deutsch herausgekommen ist.

Vanderbilt setzt seine Untersuchung "tiefer" an als sein großer kultursoziologisch orientierter Vorgänger Pierre Bourdieu. Er beginnt mit einer Physiologie der Geschmacksempfindungen. Er interessiert sich dafür, was in unserem Körper vorgeht, wenn uns etwas schmeckt oder gefällt. Zentrum seiner theoretischen Reportagen sind Gespräche mit professionellen Experten für die geheimnisvollen, vielfältigen und widersprüchlichen Empfindungen, die wir unter dem undeutlichen Begriff "Geschmack" verbuchen. Mit Köchen und Restaurantkritikerinnen. Mit den Verfassern von Algorithmen, die den Nutzern von "Amazon" aufgrund ihrer bisherigen Bestellungen neue Bücher vorschlagen, die ihnen gefallen könnten. Mit den Wissenschaftlern des amerikanischen Gewürzherstellers McCormick. Mit professionellen Weintestern. Mit Preisrichtern bei Ausstellungen besonders schöner Katzen und Hunde. Mit "Farbberaterinnen" und den Beamten des amerikanischen "Combat Feeding Directorate of the Department of Defence".

Das Hauptergebnis seiner mehrjährigen Untersuchungen könnte einen enttäuschen. Es besteht darin, dass die Frage, was Geschmack ist, seit Jahrhunderten und bis heute nicht eindeutig beantwortet werden kann. Je genauer man Geschmacksempfindungen analysiert, desto paradoxer und unbegreiflicher werden sie. "Was ich über die Welt des Geschmacks berichten konnte, klingt eher beunruhigend. Wir wissen scheinbar oft gar nicht, was und warum uns etwas gefällt." Und doch bringt der Reporter Vanderbilt von seinen populärwissenschaftlichen Reisen interessante Erkenntnisse zurück. Zum Beispiel das Paradox, dass die unendliche Vervielfältigung kultureller Wahlmöglichkeiten, die das Internet Musikliebhabern oder Leserinnen von Büchern beschert hat, durchaus nicht zu einer Diversifizierung des musikalischen oder literarischen Geschmacks geführt hat. Im Gegenteil: Je mehr und vielfältiger wir auswählen könnten, desto sklavischer scheinen wir uns in Wirklichkeit daran zu orientieren, was viele andere vor uns schon gewählt haben. Wahlmöglichkeit überfordert.

Oder eine interessante Übertragung des "neutralen Modells" genetischer Veränderungen auf die Untersuchung kulturellen Wandels: Die meisten genetischen Veränderungen "passieren einfach", ohne dass es für sie einen Grund gibt und ohne dass sie Konsequenzen für die Entwicklung der jeweiligen Spezies hätten. "Auf die Kultur übertragen, besagt die ,neutrale Theorie', dass sich etwa die Rangfolge der beliebtesten Hunderassen regelmäßig verändert, eine Rasse aber nicht darum auf einmal beliebt wird, weil sie besser wäre als andere oder die Oberschicht plötzlich ihre Liebe zu ihr entdeckt hat. Die Beliebtheit ändert sich vielmehr durch ,zufällige Nachahmung', weil sich jemand einen Hund wünscht, den er bei anderen gesehen hat." Indem er - offenbar mit vielen theoretisch informierten Praktikern der Geschmacksindustrie - dem neutralen Modell des Kulturwandels zuneigt, distanziert sich Vanderbilt von seinem großen Vorgänger Bourdieu, eine Distanzierung, die allerdings nur in kleinen, eleganten Nebenbemerkungen zum Ausdruck kommt.

Wir neigen offenbar dazu, kulturellem Wandel von Geschmacksentscheidungen eine historische oder soziale Logik zu unterstellen, die er überhaupt nicht hat. Am deutlichsten wird das in Vanderbilts Untersuchung der Kunstgeschichte. Im Rückblick scheint sich zum Beispiel die moderne Malerei in einer logischen Bewegung von Courbet über die Impressionisten zum Kubismus und zum "action painting" der vierziger und fünfziger Jahre weiterentwickelt zu haben. Dieses von Clement Greenberg und dem New Yorker MoMA kanonisierte Narrativ liegt heute der Sammlungspolitik aller westlichen Museen zugrunde. Aber man muss nur durch das Puschkin-Museum oder die Tretjakow-Galerie in Moskau gehen, um zu begreifen, dass man die Kunstgeschichte (auch die des Westens) völlig anders erzählen kann. Ein verblüffender Nebeneffekt von Vanderbilts Ausflug in die Kunstgeschichte ist es übrigens, wie gut die völlig vergessenen Gemälde der heute komplett unbekannten Künstler sind, die berühmt waren, als Cézanne und Renoir von allen zurechnungsfähigen Leuten mit Geschmack für Maler gehalten wurden, die es einfach nicht konnten. Man googelt Edwin Longs Gemälde "Der Heiratsmarkt in Babylon" oder "Diana of the Uplands" von Charles Wellington Furse, und man begreift, dass es von diesen seinerzeit hochberühmten Leinwänden auch irgendwie anders hätte plausibel weitergehen können in der Kunstgeschichte. Es ist nur - höchstwahrscheinlich zufällig - so gekommen, wie es uns heute zwangsläufig vorkommt.

Tom Vanderbilt, der mit einem Buch über das Verhalten von Autofahrern berühmt geworden ist, schreibt Bestseller, die bei uns noch selten sind: genaue, gut recherchierte, philosophiehistorisch tiefenscharfe, rundum gediegene Monographien über Dinge, über die sich niemand Gedanken macht und die umso interessanter werden, je mehr man über sie erfährt. Wolfgang Schivelbuschs "Geschichte der Eisenbahnreise" kommt einem als deutsches Gegenstück in den Sinn. Man wünscht diesem Buch viele Leser und kompetente deutsche Nachahmer.

Tom Vanderbilt: "Geschmack". Warum wir mögen, was wir mögen.

Aus dem Englischen von Christine Ammann. Carl Hanser Verlag, München 2016. 368 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Tom Vanderbilt (...) schreibt Bestseller, die bei uns noch selten sind: genaue, gut recherchierte, philosophiehistorisch tiefenscharfe, rundum gediegene Monographien über Dinge, über die sich niemand Gedanken macht und die umso interessanter werden, je mehr man über sie erfährt. (...)
Man wünscht diesem Buch viele Leser und kompetente deutsche Nachahmer." Stephan Wackwitz, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.11.16

"Ein kundiges, dabei verständlich und unterhaltsam geschriebenes Buch über Geschmack, das uns selbst den Spiegel vorhält." Tabea Grzeszyk, Deutschlandradio Kultur "Lesart", 27.09.16

"Dieses Buch ist eine Herausforderung. Kaum meint man, eine Gesetzmäßigkeit verstanden zu haben, kann auch das Gegenteil richtig sein. Von Seite zu Seite folgt man so den Kapriolen des wetterwendischen Geschmacks. Dennoch schafft Vanderbilt es, sich und den Leser bei Laune zu halten und zu zeigen, dass Geschmack ein wichtiger Mechanismus unseres Gehirns ist, um Komplexität zu reduzieren." Ilona Jerger, Psychologie heute, Dezember 2016