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Mit dem Paradigmenwechsel zu einer "nachhaltigen" Familienpolitik, die Beruf und Familie besser vereinbar macht, sollte die Geburtenrate in Deutschland auf 1,7 Kinder pro Frau steigen. Dieser Hoffnung lag die Annahme zugrunde, dass die mangelnde Vereinbarkeit am Kindermangel Schuld ist. Dieses in Politik, Medien und Wissenschaft weithin geglaubte Dogma zieht der Autor in Zweifel: Verantwortlich für das niedrige Geburtenniveau in Deutschland sind nicht institutionelle Weichenstellungen, sondern eine individualistische Lebensformenrevolution, die sich politischer Steuerung widersetzt.

Produktbeschreibung
Mit dem Paradigmenwechsel zu einer "nachhaltigen" Familienpolitik, die Beruf und Familie besser vereinbar macht, sollte die Geburtenrate in Deutschland auf 1,7 Kinder pro Frau steigen. Dieser Hoffnung lag die Annahme zugrunde, dass die mangelnde Vereinbarkeit am Kindermangel Schuld ist. Dieses in Politik, Medien und Wissenschaft weithin geglaubte Dogma zieht der Autor in Zweifel: Verantwortlich für das niedrige Geburtenniveau in Deutschland sind nicht institutionelle Weichenstellungen, sondern eine individualistische Lebensformenrevolution, die sich politischer Steuerung widersetzt.
Autorenporträt
Stefan Fuchs arbeitet am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn und ist Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Demographie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2015

Warum Kinderarmut?
Ein Plädoyer gegen eine verengte Debatte

Weil die volkswirtschaftlichen Probleme ergrauender Gesellschaften kaum noch zu übersehen sind, erfreuen sich Demographie und Familienpolitik eines zunehmenden Interesses. Das kommt Stefan Fuchs, einem jungen Politikwissenschaftler an der Universität Bonn und dem Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Demographie, und seinem Buch zugute. Es besteht aus fünf Teilen, wovon der erste weitgehend zeitgeschichtlich orientiert ist und die Familienpolitik beschreibt, der zweite stärker theoretisch orientiert ist und sich mit der Erklärung der niedrigen Fertilität in Deutschland auseinandersetzt. Der dritte Teil analysiert den demographischen Übergang als soziale und kulturelle Revolution, während der vierte auf die historische Kontingenz der niedrigen Fertilität verweist und der letzte bezweifelt, dass die neue und angeblich nachhaltige Familienpolitik das Ziel einer Geburtenrate von 1,7 Kinder pro Frau erreichen kann.

Die familienpolitische Debatte wird weitgehend von der richtigen Beobachtung inspiriert, dass in Skandinavien und in Ostdeutschland die Unterschiede in den Rollen der Geschlechter im Arbeitsleben stärker als in Westdeutschland abgebaut sind, dass mehr öffentliche Kinderbetreuung jedenfalls in Skandinavien mit weniger Kinderlosigkeit zusammenhängt. Die westdeutsche Kinderarmut wird dann als Modernitätsdefizit verstanden und erklärt, woraus abgeleitet wird, dass mehr Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben und mehr öffentliche Kinderbetreuung die Fertilität anheben könnte.

Theoretisch ist auch einleuchtend, dass mehr öffentliche und preiswerte oder gar kostenlose Kinderbetreuung die Opportunitätskosten der Elternschaft, vor allem immer noch für Mütter, senkt. Umfragen bestätigen auch, dass junge Menschen oder die Eltern eines einzigen Kindes großen Wert darauf legen. Aber Fuchs besteht darauf, dass man die familienpolitische Perspektive nicht zu sehr verengen darf. Die öffentliche Kinderbetreuung ist in den Vereinigten Staaten weniger als in Westdeutschland ausgebaut. Trotzdem ist die Fertilität dort höher. Oder: die bessere öffentliche Kinderbetreuung im Osten verglichen mit dem Westen Deutschlands schlägt sich in der Fertilität nicht nieder.

Außerdem ist die Analyse der Daten nicht immer einfach. Nicht moderne Frauen mit einem festen Platz im Arbeitsleben, sondern eher Nur-Hausfrauen haben viele Kinder und betreuen diese auch oft selbst. Umfragen zeigen, dass gerade in Mehrkinderfamilien das Interesse an finanzieller Unterstützung das Interesse an öffentlicher Kinderbetreuung übersteigt. Nach Fuchs kann das Ziel der Anhebung der Fertilität auf 1,7 nur erreicht werden, wenn nicht nur die Kinderlosigkeit abnimmt, sondern auch Mehrkinderfamilien wieder häufiger werden. Das ist auch deshalb schwer zu erreichen, weil die Geschwisterzahl in der Herkunftsfamilie positiv mit der eigenen Kinderzahl korreliert. Je seltener Mehrkinderfamilien werden, desto unwahrscheinlicher werden sie zukünftig vorkommen, desto schwerer wird eine niedrige Fertilität zu überwinden sein.

In der sogenannten nachhaltigen Familienpolitik sieht Fuchs eine Vernachlässigung von familienpolitischen Zielen - wie dem Lastenausgleich zwischen kinderlosen und kinderreichen Familien oder der Anhebung der Fertilität - zugunsten einer Gleichstellung der Geschlechter und der Durchsetzung des Doppelverdienermodells. Diese Politik erklärt er mit dem größeren politischen Einfluss der kleineren Zahl beruflich ambitionierter oder modernerer Frauen als der größeren Zahl der weniger ambitionierten Frauen, die in der Hausfrauen- und Mutterrolle verbleiben (wollen). Weil Fuchs sorgfältig und klar argumentiert, weil die Evidenz zugunsten der die öffentliche Debatte dominierenden Meinung eher fragil als überzeugend ist, kann man dem Buch eine weite Verbreitung wünschen.

ERICH WEEDE

Stefan Fuchs: Gesellschaft ohne Kinder. Woran die neue Familienpolitik scheitert. Wiesbaden 2014, Springer VS, 411 Seiten, 49,99 Euro.

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" ... Die vorliegende Literatur gibt einen guten Einblick in den aktuellen Stand der Elternschaftsforschung ..." (Dr. Désirée Waterstradt, in: Soziologische Revue, Jg. 41, Heft 3, August 2018)