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Was ist eigentlich Kunst? Und: Was ist große Kunst? Was für Arten von Kunst gibt es? Wie verändert sie sich im Lauf der Geschichte? Wie hängt sie mit der natürlichen, wie mit der gesellschaftlichen Welt zusammen - und wie mit dem einzelnen in dieser Welt? An zahlreichen Beispielen aus Musik, Literatur, Malerei und anderen Künsten entwickelt Harald Fricke durch eine strikt rationale, begrifflich präzise Philosophie der Kunst eine differenzierte Antwort auf solche Fragen.

Produktbeschreibung
Was ist eigentlich Kunst? Und: Was ist große Kunst? Was für Arten von Kunst gibt es? Wie verändert sie sich im Lauf der Geschichte? Wie hängt sie mit der natürlichen, wie mit der gesellschaftlichen Welt zusammen - und wie mit dem einzelnen in dieser Welt? An zahlreichen Beispielen aus Musik, Literatur, Malerei und anderen Künsten entwickelt Harald Fricke durch eine strikt rationale, begrifflich präzise Philosophie der Kunst eine differenzierte Antwort auf solche Fragen.

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Autorenporträt
Prof. Dr. Harald Fricke, promovierter Philosoph, zwischenzeitlich Professor für Linguistik in Göttingen, ist seit 1984 Lehrstuhlinhaber für deutsche Literatur und allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Fribourg/ Schweiz. Er ist Mitherausgeber des Reallexikons der deutschen Literaturwissenschaft und der Frankfurter Ausgabe von Goethes Werken.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.2000

Ihr Abweicheier
Harald Fricke spielt neue Töne auf der alten Leier der freien Künste

Zum neuen Einstein der philosophischen Ästhetik sollte Harald Fricke - Professor für deutsche Literatur und allgemeine Literaturwissenschaft in Fribourg (Schweiz) - noch nicht erklärt werden. Denn mit seinem Buch "Gesetz und Freiheit" legt er keinesfalls die "Allgemeine Relativitätstheorie der Künste" vor, die das Vorwort hochtrabend ankündigt. Fricke präsentiert solide das, was der Titel verspricht: eine Genieästhetik mit deutlichen Anklängen an Kant und Schiller, von den Analyserastern der Literaturwissenschaft geprägt und deutlich existenzphilosophisch eingefärbt. Das ist nicht unbedingt neu, aber im Detail unbestreitbar spannend.

Die Intention des Buches ist die Erweiterung von Frickes literaturwissenschaftlicher Abweichungstheorie zu einer allgemeinen Ästhetik. Fricke knüpft so offen an seine Studie über "Norm und Abweichung" aus dem Jahr 1981 an, daß er sogar das Inhaltsverzeichnis abdruckt. Der Grundgedanke ist, daß aus der Auflehnung der Künstler gegen natürliche und kulturelle Beschränkungen der Existenz "Quasi-Normen" entstanden sind, von denen innovative Künstler um "(kunst-)interner oder externer Funktionen" willen "sekundär abweichen". Indem Kunst in "vielfältigster Weise nach Befreiung von gesetzmäßigen Grenzen unseres Daseins strebt", führt sie uns "über die Grenzen von Zeitlichkeit und Sterblichkeit hinaus".

Im ersten Hauptteil, "Ebenen der künstlerischen Abweichungen", veranschaulicht Fricke den Grundgedanken. Am deutlichsten wird er am Beispiel der Plastik: Ihre "Quasi-Normen" stehen gegen die Flüchtigkeit des Lebendigen in der Zeit. Und Christo oder Warhol weichen ab, wenn sie nicht Lebendiges, sondern verpackte Gebäude und Ketchup-Flaschen präsentieren. Im zweiten Teil, "Präzisierung der Grundbegriffe", wird das Unternehmen einer allgemeinen Ästhetik mit Grenzverschmelzungen zwischen den Künsten gerechtfertigt; außerdem werden literaturtheoretische Grundbegriffe für die Zwecke der allgemeinen Abweichungsästhetik paßbar gemacht; das geschieht leider in thetischer Manier mit allzu vielen Tabellen.

Eine Abgrenzung erscheint hier einleuchtend: Beim Design kann es die "primären Abweichungen" der Künste im emphatischen Sinne nicht geben, weil Designprodukte auf fest umrissene "externe Funktionen" festgelegt sind. Sie können jedoch "von ästhetischem Rang" sein, wenn sie um einer "internen Funktion" willen in sekundärer Weise abweichen. Frickes Beispiel ist das Haus, das Wittgenstein zwischen 1926 und 1928 in der Wiener Kundmanngasse Nr. 19 gebaut hat. En passant teilt Fricke einen Seitenhieb gegen die feministische Ästhetik aus, die Kunstwerke in platonischer Manier nach moralischen Gesichtspunkten beurteile und nicht nach originär ästhetischen, nämlich danach, ob sie "erschüttern, entzücken, erschrecken, überwältigen".

Im dritten Teil, der mit "Interdisziplinäre Bewährungsproben" überschrieben ist, werden zunächst - mit einer beeindruckenden Vielfalt an Beispielen und ohne jede Berührungsangst vor Populärem - fünf Spielarten des "Abweichens im Wiederholen" analysiert. Mit Schlagern, Opern und Kunstliedern stehen Symbiosen aus Sprache und Musik im Fokus - für eine noch zu schreibende Theorie des Chansons wäre Fricke eine Fundgrube. Und wenn man gerade fürchtet, im Dschungel von Beispielen und Details den systematischen Faden zu verlieren, dann endet der Abschnitt über die "Komische Wiederholung" düster mit dem Diktum: "Es gibt keine große Kunst . . ., die nicht auch vom Tod handelt."

Aber halt, noch geht es technisch weiter, mit Analysen zur Zeitstrukturierung in den Künsten. Erst wird Bachtins Konzeption des "Chronotopos" aktualisiert, mit der der Sachverhalt erfaßt wird, daß Bilder zeitliche Abläufe kommentieren, raffen und konservieren können. Es folgen der unvermeidliche Ausflug in die Postmoderne (Stichwort: "polymorphe Gleichzeitigkeit") und ein Blick auf Verdi-Opern, in denen die Musik sagt, was das Libretto aus Gründen politischer Vorsicht und zeitlicher Ökonomie verschweigen muß.

Und dann kommt Fricke zum Eigentlichen: dem "Wozu" der Künste. Der letzte Teil ist der kürzeste und der wichtigste. Hier findet sich die Antwort auf die Frage, die der erste Hauptteil unbeantwortet ließ: Um welcher "externen Funktion" willen weicht der kreative Künstler von den "Quasi-Normen" seiner Künste ab? Die Antwort lautet: Um sich zu befreien - und zwar vom Gesetz der Zeit. Wie das? Mit den im dritten Teil exponierten Mitteln der Wiederholung. Denn: "Jede Wiederholung in der Kunst bedeutet eine Auflehnung gegen die Tyrannei unumkehrbar verfließender Zeit." Und deshalb ist es die Kunst, die uns "über alle Ängste der Kreatur hinwegrufen läßt: Tod, wo ist dein Stachel?".

Das ist eine regelrechte existenzphilosophische Wende. Aber ist das nicht eine Verwechslung von Kunst und Leben? Begegnet tatsächlich der Mensch Beethoven in seinen Sinfonien? Oder, um mit Emerson zu sprechen: "Verblaßt" nicht jedes Kunstwerk, sobald "das Auge geöffnet ist gegenüber lebendigen Menschen, Kindern, Bettlern und feinen Damen"?

MARIE-LUISE RATERS

Harald Fricke: "Gesetz und Freiheit". Eine Philosophie der Kunst. C. H. Beck Verlag, München 2000. 274 S., br., 39,80 Mark.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Marie-Luise Raters ist der Ansicht, dass das, was Fricke in diesem Buch zu sagen hat, "nicht unbedingt neu, aber im Detail unbestreitbar spannend ist". Leider vermittelt sich das Spannende daran nicht unbedingt in der Rezension. Raters erläutert dem Leser zunächst, dass es Fricke vor allem um die Darstellung geht, inwiefern sich Künstler gegen `Quasi-Normen` auflehnen und inwieweit dabei `(kunst-)interne oder externe Funktionen` eine Rolle spielen. Antwort darauf gibt der Autor, so Raters, jedoch erst im letzten Teil des Buchs, wo erläutert wird, dass Künstler von den `Quasi-Normen` abweichen, "um sich zu befreien - und zwar vom Gesetz der Zeit". Dies ist nach Fricke, wie die Rezensentin referiert, nur durch Wiederholung möglich, weil diese `in der Kunst eine Auflehnung gegen die Tyrannei unumkehrbar verfließender Zeit` sei. Raters bescheinigt Fricke an dieser Stelle eine "existenzphilosophische Wende" und stellt abschließend die Frage, ob hier nicht "Kunst und Leben" mit einander verwechselt werden.

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