Ein mäanderndes Hier und Jetzt durchzieht Orte und Zeiten in Volkmar Mühleis' neuem Gedichtband »Gesichtsverlusterkennung« - historische Schuld und bleibende Verantwortung werden damit ebenso angesprochen wie technologische Grenzen und poetisch-spielerische Freiheiten. Die Gedichte laden zu einer Reise durch Europa und darüber hinaus ein, zu vertrauten Orten wie Paris oder Brüssel, zu verwunschenen Seitenwegen, ob in Cayeux-sur-Mer oder Alt-Kladow. Das Politische vermischt sich mit dem Künstlerischen, in einer Hommage an Nâzim Hikmet, in Erinnerung an Ernst Stadler. Dazwischen schillern Beobachtungen, Begegnungen - »ein hinkend vor sich hin Denkender« zieht dort seiner Wege, eine Studentin aus Kiew, eine aus Moskau, Obdachlose liegen wie »gestrandete Kegelrobben in der U-Bahn« - Alltagsbilder, ins Einmalige gewendet, zurück ins Verlangen, sich nicht zu verlieren.