Im Frühjahr 2000 begann Susan Blackmore, Material für ein Radiofeature zum Thema Bewußtsein zu sammeln. Die Sendung kam nie zustande, aber die Idee, sich einem der großen Rätsel der menschlichen Existenz in Gesprächen zu nähern, ließ sie nicht mehr los. So entstanden zwanzig Interviews mit Philosophen und Naturwissenschaftlern, der Crème de la Crème der internationalen Bewußtseinsforschung, die hier Rede und Antwort steht. David Chalmers zum Beispiel, der erklärt, warum das Bewußtsein ein solch schwieriges Problem ist, oder Susan Greenfield, der zufolge man schon bei Sophokles und Euripides Interessantes über Willensfreiheit lernen kann. Francisco Varela spricht über Zombies, Roger Penrose über John Searle, John Searle über Immanuel Kant. Wir erfahren von Vilayanur Ramachandran, warum er nicht meditiert, und von Thomas Metzinger, inwiefern das bewußte Selbst eine Illusion ist. Und im letzten Interview vor seinem Tod rekapituliert Francis Crick seinen Weg von der Genetik zur Bewußtseinsforschung. Es geht um den Geist und um die Gene, um das Gehirn und die Gefühle, aber auch um Quantenprozesse und Träume, Descartes und Shiva, Kabbala und Drogenpolitik - und nicht zuletzt um Forscherkarrieren und Lebensträume.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.12.2007Die Illusion fühlt sich sehr real an
Mensch ist Gehirn? Susan Blackmores Inquisitionen prominenter Bewusstseinsforscher
Seit über zwanzig Jahren hat die Philosophie des Geistes, die philosophy of mind, die zuvor dominierende Philosophie der Sprache in den Hintergrund gedrängt. Im Zentrum dieser Philosophie des Geistes steht der Begriff des Bewusstseins. Um dessen „Rätselhaftigkeit” kreisen derzeit die gänzlich kontroversen Gedanken vorwiegend angelsächsischer, mittlerweile auch deutscher Philosophen. Zugleich beanspruchen Psychologen, Neurophysiologen, Kognitionswissenschaftler, KI-Forscher, Hirnforscher, einzeln oder in Koalitionen, ein Erklärungsmonopol gegenüber den Philosophen. Da steht Meinung gegen Meinung, oder anders gesagt, es herrscht ein heilloses Durcheinander.
Vor acht Jahren hat Susan Blackmore begonnen, mit namhaften Forschern Gespräche über das Bewusstseinsproblem zu führen, dabei die Befragten drängend, spontan und ohne Fachjargon zu reagieren – Tacheles zu reden. Im daraus entstandenen Buch ist die Form freier mündlicher Rede, wie sie ursprünglich für Radiosendungen gedacht war, unverändert beibehalten worden.
Unter den zwanzig Wissenschaftlern, die sich den hartnäckigen, kompetenten Fragen der Autorin – ihr Buch „Die Macht der Meme” wurde in elf Sprachen übersetzt – gestellt haben, sind die prominentesten und bei uns am ehesten bekannten: Daniel Dennett, etwa durch sein Buch mit dem lakonischen Originaltitel „Consciousness explained”; Francis Crick, Entdecker der DNA-Struktur; David Chalmers, Philosoph und Kognitionswissenschaftler; John Searle, dessen Buch „Die Wiederentdeckung des Geistes” (1992) die heftigsten Diskussionen auslöste; oder Roger Penrose („Wege zu einer neuen Physik des Bewusstseins”).
Die Mehrheit der zu Wort Kommenden stammt aus den Naturwissenschaften oder argumentiert unter deren Auspizien. Philosophen, heißt es etwa bei Francis Crick, „tun nichts weiter, als ständig darüber zu diskutieren . . . man sollte ihren Diskussionen daher nicht allzuviel Beachtung schenken.” Dem applaudieren materialistisch orientierte Philosophen wie Daniel Dennett oder Patricia und Paul Churchland. Für sie ist, grob gesagt, der Mensch sein Gehirn. Solche Ansichten verleihen dem Band eine fragwürdige Gewichtung, wie überhaupt die Auswahl der Beteiligten nicht zufriedenstellen kann. Blackmore selbst spricht von „eklatanten Versäumnissen”, entschuldigt sich sogar dafür – aber so ist es nun mal auf dem Markt.
Und doch ist dies, ungeachtet aller Einschränkungen, ein bemerkenswertes Buch. Es gibt Einblick in die Sisyphusarbeit, die das verschlungene Phänomen des Bewusstseins – „ein Grundmerkmal der Welt, so irreduzibel wie Raum und Zeit”, nach David Chalmers und dem Mediziner Stuart Hameroff – menschlichen Hirnen abverlangt.
Verstünden wir die Gehirntätigkeit vollkommen, wäre damit auch das Bewusstsein (weg)erklärt, oder bliebe es als Residuum sui generis übrig? Aus der alleinigen Erklärung der Hirnprozesse lässt sich Bewusstsein nicht ableiten, erklären entschieden die Philosophen. Mitunter geben sie sich zwar funktionalistisch; sie glauben, wenn evolutionär selektierte physikalische Systeme funktionieren, dann hätten sie auch Bewusstsein. Aber, fragt sich Chalmers, „hat sich das System entwickelt, weil es Bewusstsein hatte”, oder umgekehrt?
Die eigentlich „schwierige Frage” (Chalmers), die Susan Blackmore zu Beginn jedem stellt, lautet: Ist phänomenales, subjektives Erleben, die Art wie es ist, Ich zu sein, das also, was einige Philosophen Qualia nennen, mit objektiven naturwissenschaftlichen Methoden erfassbar? Die Mehrzahl der hier Befragten sind dieser Meinung, andere halten Qualia für eine Mystifikation, die sich auflöst, sobald wir erst alle Hirnfunktionen erklärt haben.
Und hier kommt wieder das beliebte Gedankenkonstrukt des Zombies ins Spiel, eines von menschlichen Personen äußerlich in nichts zu unterscheidenden Wesens, dessen Inneres jedoch hohl ist, ohne Selbstbewusstsein. Diese Ununterscheidbarkeit läuft für den hartköpfigen Antimentalisten Dennett darauf hinaus, das sich auch für uns eine Entität namens Bewusstsein als Summe aller Hirnprozesse erübrigt. Kevin O’Regan, Direktor eines psychologischen Labors in Paris, hält das „schwierige Problem” für ein Scheinproblem und bekennt: „Ich wollte schon als Kind ein Roboter sein”. „In einigen Jahren”, meint er, würden wir in der Lage sein, „unsere Persönlichkeit auf Computer hochzuladen . . . Dann wird unser Bewusstsein nach dem Tod weiterleben”. Dies seine futuristische Antwort auf Blackmores Schlussfrage nach einem Leben nach dem Tode.
Vom alten cartesianischen Leib-Seele-Dualismus will übrigens keiner der Beteiligten mehr etwas wissen; doch im modernen Gewand von Gehirn und Bewusstsein versteckt sich bei manchen immer noch die blasse Gestalt eines Dualismus, selbst wenn sie sich als Monisten und Identitätstheoretiker gerieren.
Die andere, derzeit gerade mal wieder virulente Frage ist die nach dem freien Willen. Frau Blackmore selbst bekennt mehrfach, dass sie ihn für eine Illusion hält. Die Antworten ihrer Gesprächspartner driften hier weit auseinander und ähneln mehr Glaubensbekenntnissen als wissenschaftlichen Aussagen: „Ja, er ist eine Illusion . . ., aber er fühlt sich sehr real an”; „Die schnelle Antwort lautet, dass ich mein Gefühl der Freiheit für ein genuines Gefühl halte”; „Wahrscheinlich nicht”; „Mir bleibt keine andere Wahl, als an den freien Willen zu glauben!”; „Der bewusste Wille ist gewissermaßen ein Epiphänomen”; „Vielleicht ist er eine Illusion, aber wenn man an die Illusion glaubt, ist es ja, wie wir alle wissen, keine”. Selten ist ein schlichtes „Ja”, häufiger liest man: „Ja. Ja, ich sollte vielleicht ‚Jein‘ sagen . . .”.
Bei der Frage nach der Willensfreiheit zeigt sich, dass man, philosophische Verfeinerungen hin, neueste Hirnforschung her, nicht eigentlich über das traditionelle Schwanken zwischen Determinismus und Indeterminismus hinausgekommen ist. Ferner geht aus Blackmores Fragestunden hervor, dass die naturwissenschaftlich und häufig reduktionistisch eingestellten Wissenschaftler vielfach einem Wunschdenken erliegen und ihre Erfolge in die Zukunft verlegen: Wir hoffen zu erreichen . . ., wenn die Zeit gekommen ist . . . sobald wir mehr über das Gehirn wissen . . . vielleicht in hundert Jahren werden wir . . .
Susan Blackmores Buch ist der ebenso erhellende wie ernüchternde Report einer Erscheinung, so unfassbar wie der Aal in der Faust, und der letztlichen Auskunft: ignoramus. Ignorabimus? WILLY HOCHKEPPEL
SUSAN BLACKMORE: Gespräche über Bewusstsein. Aus dem Englischen von Frank Born. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 380 Seiten, 26,80 Euro.
Na, wo stecken hier Bewusstsein und freier Wille? Schädelbohrung (Trepanation), dargestellt auf einem Stich aus der Barockzeit. Foto: Bettmann/Corbis
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Mensch ist Gehirn? Susan Blackmores Inquisitionen prominenter Bewusstseinsforscher
Seit über zwanzig Jahren hat die Philosophie des Geistes, die philosophy of mind, die zuvor dominierende Philosophie der Sprache in den Hintergrund gedrängt. Im Zentrum dieser Philosophie des Geistes steht der Begriff des Bewusstseins. Um dessen „Rätselhaftigkeit” kreisen derzeit die gänzlich kontroversen Gedanken vorwiegend angelsächsischer, mittlerweile auch deutscher Philosophen. Zugleich beanspruchen Psychologen, Neurophysiologen, Kognitionswissenschaftler, KI-Forscher, Hirnforscher, einzeln oder in Koalitionen, ein Erklärungsmonopol gegenüber den Philosophen. Da steht Meinung gegen Meinung, oder anders gesagt, es herrscht ein heilloses Durcheinander.
Vor acht Jahren hat Susan Blackmore begonnen, mit namhaften Forschern Gespräche über das Bewusstseinsproblem zu führen, dabei die Befragten drängend, spontan und ohne Fachjargon zu reagieren – Tacheles zu reden. Im daraus entstandenen Buch ist die Form freier mündlicher Rede, wie sie ursprünglich für Radiosendungen gedacht war, unverändert beibehalten worden.
Unter den zwanzig Wissenschaftlern, die sich den hartnäckigen, kompetenten Fragen der Autorin – ihr Buch „Die Macht der Meme” wurde in elf Sprachen übersetzt – gestellt haben, sind die prominentesten und bei uns am ehesten bekannten: Daniel Dennett, etwa durch sein Buch mit dem lakonischen Originaltitel „Consciousness explained”; Francis Crick, Entdecker der DNA-Struktur; David Chalmers, Philosoph und Kognitionswissenschaftler; John Searle, dessen Buch „Die Wiederentdeckung des Geistes” (1992) die heftigsten Diskussionen auslöste; oder Roger Penrose („Wege zu einer neuen Physik des Bewusstseins”).
Die Mehrheit der zu Wort Kommenden stammt aus den Naturwissenschaften oder argumentiert unter deren Auspizien. Philosophen, heißt es etwa bei Francis Crick, „tun nichts weiter, als ständig darüber zu diskutieren . . . man sollte ihren Diskussionen daher nicht allzuviel Beachtung schenken.” Dem applaudieren materialistisch orientierte Philosophen wie Daniel Dennett oder Patricia und Paul Churchland. Für sie ist, grob gesagt, der Mensch sein Gehirn. Solche Ansichten verleihen dem Band eine fragwürdige Gewichtung, wie überhaupt die Auswahl der Beteiligten nicht zufriedenstellen kann. Blackmore selbst spricht von „eklatanten Versäumnissen”, entschuldigt sich sogar dafür – aber so ist es nun mal auf dem Markt.
Und doch ist dies, ungeachtet aller Einschränkungen, ein bemerkenswertes Buch. Es gibt Einblick in die Sisyphusarbeit, die das verschlungene Phänomen des Bewusstseins – „ein Grundmerkmal der Welt, so irreduzibel wie Raum und Zeit”, nach David Chalmers und dem Mediziner Stuart Hameroff – menschlichen Hirnen abverlangt.
Verstünden wir die Gehirntätigkeit vollkommen, wäre damit auch das Bewusstsein (weg)erklärt, oder bliebe es als Residuum sui generis übrig? Aus der alleinigen Erklärung der Hirnprozesse lässt sich Bewusstsein nicht ableiten, erklären entschieden die Philosophen. Mitunter geben sie sich zwar funktionalistisch; sie glauben, wenn evolutionär selektierte physikalische Systeme funktionieren, dann hätten sie auch Bewusstsein. Aber, fragt sich Chalmers, „hat sich das System entwickelt, weil es Bewusstsein hatte”, oder umgekehrt?
Die eigentlich „schwierige Frage” (Chalmers), die Susan Blackmore zu Beginn jedem stellt, lautet: Ist phänomenales, subjektives Erleben, die Art wie es ist, Ich zu sein, das also, was einige Philosophen Qualia nennen, mit objektiven naturwissenschaftlichen Methoden erfassbar? Die Mehrzahl der hier Befragten sind dieser Meinung, andere halten Qualia für eine Mystifikation, die sich auflöst, sobald wir erst alle Hirnfunktionen erklärt haben.
Und hier kommt wieder das beliebte Gedankenkonstrukt des Zombies ins Spiel, eines von menschlichen Personen äußerlich in nichts zu unterscheidenden Wesens, dessen Inneres jedoch hohl ist, ohne Selbstbewusstsein. Diese Ununterscheidbarkeit läuft für den hartköpfigen Antimentalisten Dennett darauf hinaus, das sich auch für uns eine Entität namens Bewusstsein als Summe aller Hirnprozesse erübrigt. Kevin O’Regan, Direktor eines psychologischen Labors in Paris, hält das „schwierige Problem” für ein Scheinproblem und bekennt: „Ich wollte schon als Kind ein Roboter sein”. „In einigen Jahren”, meint er, würden wir in der Lage sein, „unsere Persönlichkeit auf Computer hochzuladen . . . Dann wird unser Bewusstsein nach dem Tod weiterleben”. Dies seine futuristische Antwort auf Blackmores Schlussfrage nach einem Leben nach dem Tode.
Vom alten cartesianischen Leib-Seele-Dualismus will übrigens keiner der Beteiligten mehr etwas wissen; doch im modernen Gewand von Gehirn und Bewusstsein versteckt sich bei manchen immer noch die blasse Gestalt eines Dualismus, selbst wenn sie sich als Monisten und Identitätstheoretiker gerieren.
Die andere, derzeit gerade mal wieder virulente Frage ist die nach dem freien Willen. Frau Blackmore selbst bekennt mehrfach, dass sie ihn für eine Illusion hält. Die Antworten ihrer Gesprächspartner driften hier weit auseinander und ähneln mehr Glaubensbekenntnissen als wissenschaftlichen Aussagen: „Ja, er ist eine Illusion . . ., aber er fühlt sich sehr real an”; „Die schnelle Antwort lautet, dass ich mein Gefühl der Freiheit für ein genuines Gefühl halte”; „Wahrscheinlich nicht”; „Mir bleibt keine andere Wahl, als an den freien Willen zu glauben!”; „Der bewusste Wille ist gewissermaßen ein Epiphänomen”; „Vielleicht ist er eine Illusion, aber wenn man an die Illusion glaubt, ist es ja, wie wir alle wissen, keine”. Selten ist ein schlichtes „Ja”, häufiger liest man: „Ja. Ja, ich sollte vielleicht ‚Jein‘ sagen . . .”.
Bei der Frage nach der Willensfreiheit zeigt sich, dass man, philosophische Verfeinerungen hin, neueste Hirnforschung her, nicht eigentlich über das traditionelle Schwanken zwischen Determinismus und Indeterminismus hinausgekommen ist. Ferner geht aus Blackmores Fragestunden hervor, dass die naturwissenschaftlich und häufig reduktionistisch eingestellten Wissenschaftler vielfach einem Wunschdenken erliegen und ihre Erfolge in die Zukunft verlegen: Wir hoffen zu erreichen . . ., wenn die Zeit gekommen ist . . . sobald wir mehr über das Gehirn wissen . . . vielleicht in hundert Jahren werden wir . . .
Susan Blackmores Buch ist der ebenso erhellende wie ernüchternde Report einer Erscheinung, so unfassbar wie der Aal in der Faust, und der letztlichen Auskunft: ignoramus. Ignorabimus? WILLY HOCHKEPPEL
SUSAN BLACKMORE: Gespräche über Bewusstsein. Aus dem Englischen von Frank Born. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 380 Seiten, 26,80 Euro.
Na, wo stecken hier Bewusstsein und freier Wille? Schädelbohrung (Trepanation), dargestellt auf einem Stich aus der Barockzeit. Foto: Bettmann/Corbis
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.10.2007Sind Sie sich dessen bewusst?
Jeder von uns hat es. Vermutlich zumindest, denn einige meinen, dass man nur bei sich selbst gewiss sein kann, während man bei anderen streng genommen nur darauf schließen könne. Außerdem rätselt man darüber, wie wir eigentlich dazu kommen. Manche behaupten, das verstünden wir wohl nie. Andere meinen, das sei eines der ganz schwierigen Probleme, für die man vielleicht sogar einen neuen Typus von wissenschaftlicher Erklärung brauche. Wieder andere finden das maßlos übertrieben. Und einige verstehen nicht, wo überhaupt das Problem liegen soll, über das so heftig gestritten wird.
So ungefähr steht es mit dem Problem des Bewusstseins. Wer jetzt den Verdacht hegt, an solch unübersichtlicher Lage könnten nur die Philosophen schuld sein, liegt daneben. Um sich davon zu überzeugen, genügt es, den Band von Susan Blackmore zur Hand zu nehmen. Die englische Psychologin, die vor einigen Jahren mit ihrer auf Richard Dawkins "Memen" fußenden Theorie kultureller Evolution auf sich aufmerksam machte, hat mit Neurowissenschaftlern, Psychologen, Kognitionsforschern, Physikern, Künstliche-Intelligenz-Forschern, Philosophen, Psychophysiologen und Medizinern über deren Ansichten vom Bewusstsein gesprochen (Susan Blackmore: "Gespräche über Bewusstsein". Aus dem Englischen von Frank Born. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 380 S., geb., 26,80 [Euro]).
Blackmore hat ihre Gesprächspartner gut gewählt. Man findet unter ihnen die einschlägig prominenten Namen, mit denen auch annähernd das ganze Spektrum der vertretenen Grundpositionen abgedeckt wird. Auf knappem Raum hat man so vor sich, was sonst meist nur der Vergleich zwischen Büchern und Aufsätzen ermöglicht: die erstaunliche Divergenz der Problemfassungen, Perspektiven und anvisierten Erklärungen von Bewusstsein. Dass bei Autoren wie David Chalmers, Daniel Dennett, Francis Crick, John Searle, Roger Penrose, Bernard Baars oder den Churchlands immer vom selben Problem die Rede ist, darf man also nicht erwarten. Zu sehen ist viel eher, wie verschieden die als zentral erachteten Fragen vor dem Hintergrund von tiefliegenden Überzeugungen und Vokabularen ausfallen können.
Das resultierende Panorama ist lehrreich und gleichzeitig nicht ohne eine gewisse Komik. Denn in dieser kompakten Form, in der die Positionen offen und untechnisch formuliert aufeinanderfolgen, wird der Effekt des beharrlichen aneinander Vorbeiredens besonders deutlich. Wenigen Autoren nur gelingt es, auf die rivalisierenden Ansichten in erhellender Weise einzugehen. Einmal mehr ist Daniel Dennett einer von ihnen (was seine Kritiker natürlich vehement bestreiten würden). Er ficht gegen die Vorstellung, dass Bewusstsein ein abgründiges Problem sei, weil es eigentlich aus der Außenperspektive der dritten Person gar nicht richtig in den Blick gebracht werden könne. Es ist ein Kampf gegen die Front jener Autoren, die im subjektiven Charakter des Bewusstseins, in seiner irreduziblen "phänomenologischen" Qualität die Crux jeder Erklärung sehen.
Auf dieser Seite werden "Erklärungslücken" und das verwandte Problem der "Qualia" in Anschlag gebracht: Wie kann man begreifen, dass aus feuernden Neuronen Geist und diese mir so ganz präsenten Empfindungen zum Beispiel einer Farbe oder eines Geschmacks entstehen? Auf die Bühne treten auch die von Chalmers ins Spiel gebrachten "Zombies": Bis in die Mikrophysik identisch mit uns und doch ohne Bewusstsein ihrer selbst, mit "dunklem Inneren" im Gegensatz zu unserem illuminierten Bewusstseinsstrom. Sind solche Zombies nun möglich? Dann wäre Bewusstsein tatsächlich eine Zutat, die sich nicht funktional erklären lässt. Ist ein Roboter immer eine Art von Zombie, oder könnte er von einer gewissen Komplexitätsstufe an ein inneres Bewusstseinstheater vergleichbar mit unserem erzeugen? Aber vielleicht kommt es ohnehin nur auf sein Verhalten an, um ihm ein solches Innenleben zuzuschreiben.
Es sind die wohlbekannten Gedankenexperimente, die hier zu einem schnellen Durchgang einladen. Neben dem Bezug auf abgründige Probleme stehen nüchterne Ermahnungen, dass man weder quantenmechanische Zaubereien (Penrose) noch eine um subjektive Phänomene erweiterte Naturwissenschaft (Searle) brauche. Dass in der Frage des freien Willens keine Einigkeit besteht, braucht da gar nicht mehr eigens hervorgehoben zu werden. Und auch bei der von Blackmore immer angebrachten Schlussfrage, wie es denn nun nach dem Tod aussehe, gehen die Ansichten aufs schönste auseinander. Angesichts der schwer abwägbaren Vorstellung, als Quantenrestkohärenz (Hameroff) fortzudauern, ist man versucht, für verlässliche Auflösung zu optieren.
Darüber allerdings ist nun wirklich nichts in Erfahrung zu bringen. Beim Bewusstsein dagegen wird man von der naiven Hoffnung nicht ganz lassen wollen, dass man zumindest einige Schimären los wird. Um deren Verführungskraft genauso wie ihre Schwächen kennenzulernen, ist dieser Band ein guter Einstieg.
HELMUT MAYER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jeder von uns hat es. Vermutlich zumindest, denn einige meinen, dass man nur bei sich selbst gewiss sein kann, während man bei anderen streng genommen nur darauf schließen könne. Außerdem rätselt man darüber, wie wir eigentlich dazu kommen. Manche behaupten, das verstünden wir wohl nie. Andere meinen, das sei eines der ganz schwierigen Probleme, für die man vielleicht sogar einen neuen Typus von wissenschaftlicher Erklärung brauche. Wieder andere finden das maßlos übertrieben. Und einige verstehen nicht, wo überhaupt das Problem liegen soll, über das so heftig gestritten wird.
So ungefähr steht es mit dem Problem des Bewusstseins. Wer jetzt den Verdacht hegt, an solch unübersichtlicher Lage könnten nur die Philosophen schuld sein, liegt daneben. Um sich davon zu überzeugen, genügt es, den Band von Susan Blackmore zur Hand zu nehmen. Die englische Psychologin, die vor einigen Jahren mit ihrer auf Richard Dawkins "Memen" fußenden Theorie kultureller Evolution auf sich aufmerksam machte, hat mit Neurowissenschaftlern, Psychologen, Kognitionsforschern, Physikern, Künstliche-Intelligenz-Forschern, Philosophen, Psychophysiologen und Medizinern über deren Ansichten vom Bewusstsein gesprochen (Susan Blackmore: "Gespräche über Bewusstsein". Aus dem Englischen von Frank Born. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 380 S., geb., 26,80 [Euro]).
Blackmore hat ihre Gesprächspartner gut gewählt. Man findet unter ihnen die einschlägig prominenten Namen, mit denen auch annähernd das ganze Spektrum der vertretenen Grundpositionen abgedeckt wird. Auf knappem Raum hat man so vor sich, was sonst meist nur der Vergleich zwischen Büchern und Aufsätzen ermöglicht: die erstaunliche Divergenz der Problemfassungen, Perspektiven und anvisierten Erklärungen von Bewusstsein. Dass bei Autoren wie David Chalmers, Daniel Dennett, Francis Crick, John Searle, Roger Penrose, Bernard Baars oder den Churchlands immer vom selben Problem die Rede ist, darf man also nicht erwarten. Zu sehen ist viel eher, wie verschieden die als zentral erachteten Fragen vor dem Hintergrund von tiefliegenden Überzeugungen und Vokabularen ausfallen können.
Das resultierende Panorama ist lehrreich und gleichzeitig nicht ohne eine gewisse Komik. Denn in dieser kompakten Form, in der die Positionen offen und untechnisch formuliert aufeinanderfolgen, wird der Effekt des beharrlichen aneinander Vorbeiredens besonders deutlich. Wenigen Autoren nur gelingt es, auf die rivalisierenden Ansichten in erhellender Weise einzugehen. Einmal mehr ist Daniel Dennett einer von ihnen (was seine Kritiker natürlich vehement bestreiten würden). Er ficht gegen die Vorstellung, dass Bewusstsein ein abgründiges Problem sei, weil es eigentlich aus der Außenperspektive der dritten Person gar nicht richtig in den Blick gebracht werden könne. Es ist ein Kampf gegen die Front jener Autoren, die im subjektiven Charakter des Bewusstseins, in seiner irreduziblen "phänomenologischen" Qualität die Crux jeder Erklärung sehen.
Auf dieser Seite werden "Erklärungslücken" und das verwandte Problem der "Qualia" in Anschlag gebracht: Wie kann man begreifen, dass aus feuernden Neuronen Geist und diese mir so ganz präsenten Empfindungen zum Beispiel einer Farbe oder eines Geschmacks entstehen? Auf die Bühne treten auch die von Chalmers ins Spiel gebrachten "Zombies": Bis in die Mikrophysik identisch mit uns und doch ohne Bewusstsein ihrer selbst, mit "dunklem Inneren" im Gegensatz zu unserem illuminierten Bewusstseinsstrom. Sind solche Zombies nun möglich? Dann wäre Bewusstsein tatsächlich eine Zutat, die sich nicht funktional erklären lässt. Ist ein Roboter immer eine Art von Zombie, oder könnte er von einer gewissen Komplexitätsstufe an ein inneres Bewusstseinstheater vergleichbar mit unserem erzeugen? Aber vielleicht kommt es ohnehin nur auf sein Verhalten an, um ihm ein solches Innenleben zuzuschreiben.
Es sind die wohlbekannten Gedankenexperimente, die hier zu einem schnellen Durchgang einladen. Neben dem Bezug auf abgründige Probleme stehen nüchterne Ermahnungen, dass man weder quantenmechanische Zaubereien (Penrose) noch eine um subjektive Phänomene erweiterte Naturwissenschaft (Searle) brauche. Dass in der Frage des freien Willens keine Einigkeit besteht, braucht da gar nicht mehr eigens hervorgehoben zu werden. Und auch bei der von Blackmore immer angebrachten Schlussfrage, wie es denn nun nach dem Tod aussehe, gehen die Ansichten aufs schönste auseinander. Angesichts der schwer abwägbaren Vorstellung, als Quantenrestkohärenz (Hameroff) fortzudauern, ist man versucht, für verlässliche Auflösung zu optieren.
Darüber allerdings ist nun wirklich nichts in Erfahrung zu bringen. Beim Bewusstsein dagegen wird man von der naiven Hoffnung nicht ganz lassen wollen, dass man zumindest einige Schimären los wird. Um deren Verführungskraft genauso wie ihre Schwächen kennenzulernen, ist dieser Band ein guter Einstieg.
HELMUT MAYER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Erhellend scheint Rezensent Helmut Mayer dieses Buch mit Gesprächen über das Problem des Bewusstseins, das Susan Blackmore vorgelegt hat. Wie er berichtet, hat sich die Autorin mit Neurowissenschaftlern, Psychologen, Kognitionsforschern, Physikern, Künstliche-Intelligenz-Forschern, Philosophen, Psychophysiologen und Medizinern über dieses Thema unterhalten. Entstanden ist in seinen Augen ein gut verständlicher Überblick über die vertretenen Positionen. Dabei wird für ihn nicht nur die gesamte Bandbreite unterschiedlicher Ansichten zum Bewusstseins deutlich, sondern auch, dass schon in der Formulierung des Problems keine Einigkeit unter den Wissenschaftlern und Forschern besteht. Er sieht auch eine gewisse Komik am Werk, zeigt Blackmores transparente Zusammenschau doch, wie hier immer wieder aneinander vorbei geredet wird. Schließlich geht Mayer noch auf einige Diskussionspunkte ein, etwa auf das Problem der "Qualia" oder die Frage nach der Zugänglichkeit des Bewusstseins. Sein Fazit: ein "guter Einstieg" in die Thematik.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Auf knappem Raum hat man so vor sich, was sonst meist nur der Vergleich zwischen Büchern und Aufsätzen ermöglicht...« Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Blackmores Gespräche über Bewußtsein kommen einer unfreiwilligen Selbstentzauberung der Hirnforschung gleich - so widersprüchlich fallen mitunter die Antworten der Vertreter der selbst erklärten neuen Leitdisziplin der Humanwissenschaften aus, so offen gestehen viele der Befragten ihre Ratlosigkeit ein, wo es um die Frage nach der Beziehung zwischen dem Ich und seinem Gehirn geht. Lesenswert und anregend ist das Buch gleichwohl, in dem sich Blackmore als sympathisch unorthodoxe Gesprächspartnerin erweist.«