Im Frühjahr 2000 begann Susan Blackmore, Material für ein Radiofeature zum Thema Bewußtsein zu sammeln. Die Sendung kam nie zustande, aber die Idee, sich einem der großen Rätsel der menschlichen Existenz in Gesprächen zu nähern, ließ sie nicht mehr los. So entstanden zwanzig Interviews mit Philosophen und Naturwissenschaftlern, der Crème de la Crème der internationalen Bewußtseinsforschung, die hier Rede und Antwort steht. David Chalmers zum Beispiel, der erklärt, warum das Bewußtsein ein solch schwieriges Problem ist, oder Susan Greenfield, der zufolge man schon bei Sophokles und Euripides Interessantes über Willensfreiheit lernen kann. Francisco Varela spricht über Zombies, Roger Penrose über John Searle, John Searle über Immanuel Kant. Wir erfahren von Vilayanur Ramachandran, warum er nicht meditiert, und von Thomas Metzinger, inwiefern das bewußte Selbst eine Illusion ist. Und im letzten Interview vor seinem Tod rekapituliert Francis Crick seinen Weg von der Genetik zur Bewußtseinsforschung. Es geht um den Geist und um die Gene, um das Gehirn und die Gefühle, aber auch um Quantenprozesse und Träume, Descartes und Shiva, Kabbala und Drogenpolitik - und nicht zuletzt um Forscherkarrieren und Lebensträume.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.10.2007Sind Sie sich dessen bewusst?
Jeder von uns hat es. Vermutlich zumindest, denn einige meinen, dass man nur bei sich selbst gewiss sein kann, während man bei anderen streng genommen nur darauf schließen könne. Außerdem rätselt man darüber, wie wir eigentlich dazu kommen. Manche behaupten, das verstünden wir wohl nie. Andere meinen, das sei eines der ganz schwierigen Probleme, für die man vielleicht sogar einen neuen Typus von wissenschaftlicher Erklärung brauche. Wieder andere finden das maßlos übertrieben. Und einige verstehen nicht, wo überhaupt das Problem liegen soll, über das so heftig gestritten wird.
So ungefähr steht es mit dem Problem des Bewusstseins. Wer jetzt den Verdacht hegt, an solch unübersichtlicher Lage könnten nur die Philosophen schuld sein, liegt daneben. Um sich davon zu überzeugen, genügt es, den Band von Susan Blackmore zur Hand zu nehmen. Die englische Psychologin, die vor einigen Jahren mit ihrer auf Richard Dawkins "Memen" fußenden Theorie kultureller Evolution auf sich aufmerksam machte, hat mit Neurowissenschaftlern, Psychologen, Kognitionsforschern, Physikern, Künstliche-Intelligenz-Forschern, Philosophen, Psychophysiologen und Medizinern über deren Ansichten vom Bewusstsein gesprochen (Susan Blackmore: "Gespräche über Bewusstsein". Aus dem Englischen von Frank Born. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 380 S., geb., 26,80 [Euro]).
Blackmore hat ihre Gesprächspartner gut gewählt. Man findet unter ihnen die einschlägig prominenten Namen, mit denen auch annähernd das ganze Spektrum der vertretenen Grundpositionen abgedeckt wird. Auf knappem Raum hat man so vor sich, was sonst meist nur der Vergleich zwischen Büchern und Aufsätzen ermöglicht: die erstaunliche Divergenz der Problemfassungen, Perspektiven und anvisierten Erklärungen von Bewusstsein. Dass bei Autoren wie David Chalmers, Daniel Dennett, Francis Crick, John Searle, Roger Penrose, Bernard Baars oder den Churchlands immer vom selben Problem die Rede ist, darf man also nicht erwarten. Zu sehen ist viel eher, wie verschieden die als zentral erachteten Fragen vor dem Hintergrund von tiefliegenden Überzeugungen und Vokabularen ausfallen können.
Das resultierende Panorama ist lehrreich und gleichzeitig nicht ohne eine gewisse Komik. Denn in dieser kompakten Form, in der die Positionen offen und untechnisch formuliert aufeinanderfolgen, wird der Effekt des beharrlichen aneinander Vorbeiredens besonders deutlich. Wenigen Autoren nur gelingt es, auf die rivalisierenden Ansichten in erhellender Weise einzugehen. Einmal mehr ist Daniel Dennett einer von ihnen (was seine Kritiker natürlich vehement bestreiten würden). Er ficht gegen die Vorstellung, dass Bewusstsein ein abgründiges Problem sei, weil es eigentlich aus der Außenperspektive der dritten Person gar nicht richtig in den Blick gebracht werden könne. Es ist ein Kampf gegen die Front jener Autoren, die im subjektiven Charakter des Bewusstseins, in seiner irreduziblen "phänomenologischen" Qualität die Crux jeder Erklärung sehen.
Auf dieser Seite werden "Erklärungslücken" und das verwandte Problem der "Qualia" in Anschlag gebracht: Wie kann man begreifen, dass aus feuernden Neuronen Geist und diese mir so ganz präsenten Empfindungen zum Beispiel einer Farbe oder eines Geschmacks entstehen? Auf die Bühne treten auch die von Chalmers ins Spiel gebrachten "Zombies": Bis in die Mikrophysik identisch mit uns und doch ohne Bewusstsein ihrer selbst, mit "dunklem Inneren" im Gegensatz zu unserem illuminierten Bewusstseinsstrom. Sind solche Zombies nun möglich? Dann wäre Bewusstsein tatsächlich eine Zutat, die sich nicht funktional erklären lässt. Ist ein Roboter immer eine Art von Zombie, oder könnte er von einer gewissen Komplexitätsstufe an ein inneres Bewusstseinstheater vergleichbar mit unserem erzeugen? Aber vielleicht kommt es ohnehin nur auf sein Verhalten an, um ihm ein solches Innenleben zuzuschreiben.
Es sind die wohlbekannten Gedankenexperimente, die hier zu einem schnellen Durchgang einladen. Neben dem Bezug auf abgründige Probleme stehen nüchterne Ermahnungen, dass man weder quantenmechanische Zaubereien (Penrose) noch eine um subjektive Phänomene erweiterte Naturwissenschaft (Searle) brauche. Dass in der Frage des freien Willens keine Einigkeit besteht, braucht da gar nicht mehr eigens hervorgehoben zu werden. Und auch bei der von Blackmore immer angebrachten Schlussfrage, wie es denn nun nach dem Tod aussehe, gehen die Ansichten aufs schönste auseinander. Angesichts der schwer abwägbaren Vorstellung, als Quantenrestkohärenz (Hameroff) fortzudauern, ist man versucht, für verlässliche Auflösung zu optieren.
Darüber allerdings ist nun wirklich nichts in Erfahrung zu bringen. Beim Bewusstsein dagegen wird man von der naiven Hoffnung nicht ganz lassen wollen, dass man zumindest einige Schimären los wird. Um deren Verführungskraft genauso wie ihre Schwächen kennenzulernen, ist dieser Band ein guter Einstieg.
HELMUT MAYER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jeder von uns hat es. Vermutlich zumindest, denn einige meinen, dass man nur bei sich selbst gewiss sein kann, während man bei anderen streng genommen nur darauf schließen könne. Außerdem rätselt man darüber, wie wir eigentlich dazu kommen. Manche behaupten, das verstünden wir wohl nie. Andere meinen, das sei eines der ganz schwierigen Probleme, für die man vielleicht sogar einen neuen Typus von wissenschaftlicher Erklärung brauche. Wieder andere finden das maßlos übertrieben. Und einige verstehen nicht, wo überhaupt das Problem liegen soll, über das so heftig gestritten wird.
So ungefähr steht es mit dem Problem des Bewusstseins. Wer jetzt den Verdacht hegt, an solch unübersichtlicher Lage könnten nur die Philosophen schuld sein, liegt daneben. Um sich davon zu überzeugen, genügt es, den Band von Susan Blackmore zur Hand zu nehmen. Die englische Psychologin, die vor einigen Jahren mit ihrer auf Richard Dawkins "Memen" fußenden Theorie kultureller Evolution auf sich aufmerksam machte, hat mit Neurowissenschaftlern, Psychologen, Kognitionsforschern, Physikern, Künstliche-Intelligenz-Forschern, Philosophen, Psychophysiologen und Medizinern über deren Ansichten vom Bewusstsein gesprochen (Susan Blackmore: "Gespräche über Bewusstsein". Aus dem Englischen von Frank Born. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 380 S., geb., 26,80 [Euro]).
Blackmore hat ihre Gesprächspartner gut gewählt. Man findet unter ihnen die einschlägig prominenten Namen, mit denen auch annähernd das ganze Spektrum der vertretenen Grundpositionen abgedeckt wird. Auf knappem Raum hat man so vor sich, was sonst meist nur der Vergleich zwischen Büchern und Aufsätzen ermöglicht: die erstaunliche Divergenz der Problemfassungen, Perspektiven und anvisierten Erklärungen von Bewusstsein. Dass bei Autoren wie David Chalmers, Daniel Dennett, Francis Crick, John Searle, Roger Penrose, Bernard Baars oder den Churchlands immer vom selben Problem die Rede ist, darf man also nicht erwarten. Zu sehen ist viel eher, wie verschieden die als zentral erachteten Fragen vor dem Hintergrund von tiefliegenden Überzeugungen und Vokabularen ausfallen können.
Das resultierende Panorama ist lehrreich und gleichzeitig nicht ohne eine gewisse Komik. Denn in dieser kompakten Form, in der die Positionen offen und untechnisch formuliert aufeinanderfolgen, wird der Effekt des beharrlichen aneinander Vorbeiredens besonders deutlich. Wenigen Autoren nur gelingt es, auf die rivalisierenden Ansichten in erhellender Weise einzugehen. Einmal mehr ist Daniel Dennett einer von ihnen (was seine Kritiker natürlich vehement bestreiten würden). Er ficht gegen die Vorstellung, dass Bewusstsein ein abgründiges Problem sei, weil es eigentlich aus der Außenperspektive der dritten Person gar nicht richtig in den Blick gebracht werden könne. Es ist ein Kampf gegen die Front jener Autoren, die im subjektiven Charakter des Bewusstseins, in seiner irreduziblen "phänomenologischen" Qualität die Crux jeder Erklärung sehen.
Auf dieser Seite werden "Erklärungslücken" und das verwandte Problem der "Qualia" in Anschlag gebracht: Wie kann man begreifen, dass aus feuernden Neuronen Geist und diese mir so ganz präsenten Empfindungen zum Beispiel einer Farbe oder eines Geschmacks entstehen? Auf die Bühne treten auch die von Chalmers ins Spiel gebrachten "Zombies": Bis in die Mikrophysik identisch mit uns und doch ohne Bewusstsein ihrer selbst, mit "dunklem Inneren" im Gegensatz zu unserem illuminierten Bewusstseinsstrom. Sind solche Zombies nun möglich? Dann wäre Bewusstsein tatsächlich eine Zutat, die sich nicht funktional erklären lässt. Ist ein Roboter immer eine Art von Zombie, oder könnte er von einer gewissen Komplexitätsstufe an ein inneres Bewusstseinstheater vergleichbar mit unserem erzeugen? Aber vielleicht kommt es ohnehin nur auf sein Verhalten an, um ihm ein solches Innenleben zuzuschreiben.
Es sind die wohlbekannten Gedankenexperimente, die hier zu einem schnellen Durchgang einladen. Neben dem Bezug auf abgründige Probleme stehen nüchterne Ermahnungen, dass man weder quantenmechanische Zaubereien (Penrose) noch eine um subjektive Phänomene erweiterte Naturwissenschaft (Searle) brauche. Dass in der Frage des freien Willens keine Einigkeit besteht, braucht da gar nicht mehr eigens hervorgehoben zu werden. Und auch bei der von Blackmore immer angebrachten Schlussfrage, wie es denn nun nach dem Tod aussehe, gehen die Ansichten aufs schönste auseinander. Angesichts der schwer abwägbaren Vorstellung, als Quantenrestkohärenz (Hameroff) fortzudauern, ist man versucht, für verlässliche Auflösung zu optieren.
Darüber allerdings ist nun wirklich nichts in Erfahrung zu bringen. Beim Bewusstsein dagegen wird man von der naiven Hoffnung nicht ganz lassen wollen, dass man zumindest einige Schimären los wird. Um deren Verführungskraft genauso wie ihre Schwächen kennenzulernen, ist dieser Band ein guter Einstieg.
HELMUT MAYER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Erhellend scheint Rezensent Helmut Mayer dieses Buch mit Gesprächen über das Problem des Bewusstseins, das Susan Blackmore vorgelegt hat. Wie er berichtet, hat sich die Autorin mit Neurowissenschaftlern, Psychologen, Kognitionsforschern, Physikern, Künstliche-Intelligenz-Forschern, Philosophen, Psychophysiologen und Medizinern über dieses Thema unterhalten. Entstanden ist in seinen Augen ein gut verständlicher Überblick über die vertretenen Positionen. Dabei wird für ihn nicht nur die gesamte Bandbreite unterschiedlicher Ansichten zum Bewusstseins deutlich, sondern auch, dass schon in der Formulierung des Problems keine Einigkeit unter den Wissenschaftlern und Forschern besteht. Er sieht auch eine gewisse Komik am Werk, zeigt Blackmores transparente Zusammenschau doch, wie hier immer wieder aneinander vorbei geredet wird. Schließlich geht Mayer noch auf einige Diskussionspunkte ein, etwa auf das Problem der "Qualia" oder die Frage nach der Zugänglichkeit des Bewusstseins. Sein Fazit: ein "guter Einstieg" in die Thematik.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Auf knappem Raum hat man so vor sich, was sonst meist nur der Vergleich zwischen Büchern und Aufsätzen ermöglicht...« Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Blackmores Gespräche über Bewußtsein kommen einer unfreiwilligen Selbstentzauberung der Hirnforschung gleich - so widersprüchlich fallen mitunter die Antworten der Vertreter der selbst erklärten neuen Leitdisziplin der Humanwissenschaften aus, so offen gestehen viele der Befragten ihre Ratlosigkeit ein, wo es um die Frage nach der Beziehung zwischen dem Ich und seinem Gehirn geht. Lesenswert und anregend ist das Buch gleichwohl, in dem sich Blackmore als sympathisch unorthodoxe Gesprächspartnerin erweist.«