Ein ergreifendes Zeitdokument: Kurz nach dem Tod ihres Mannes erzählt Jackie Kennedy von den Jahren an seiner Seite.
Eine der unvergesslichen Frauen des 20. Jahrhunderts erinnert sich an die Ehe mit John F. Kennedy und ihre - privaten wie öffentlichen - Erfahrungen. Ein Resümee, fast 50 Jahre unter Verschluss gehalten: vom Aufstieg eines Weltpolitikers bis zum dramatischen Ende, dem Attentat in Dallas.
In tiefster Trauer über den Verlust ihres dreieinhalb Monate zuvor ermordeten Mannes empfängt Jacqueline Kennedy Anfang März 1964 den Historiker Arthur M. Schlesinger und gewährt ihm sieben Interviews, insgesamt sechseinhalb Stunden lang. Sie gibt ihm überraschende Einblicke in Kennedys Wirken als Senator und späterer Präsident der USA, erzählt von ihren Gesprächen mit ihm, von ihrer Rolle in seiner politischen Karriere. Sie wirft interessante, von feinem Gespür zeugende Schlaglichter auf Begegnungen mit bedeutenden Männern und weltbewegende Ereignisse wie die Kubakrise. Und auch private Belange rücken in den Blick, etwa der Glaube ihres Mannes, die Verbundenheit der Kennedy-Brüder und ihr eigenes Hineinwachsen in die Rolle der First Lady.
"Viele Leute glauben tatsächlich, sie haben eine Vorstellung davon, wer meine Mutter war. In Wirklichkeit aber haben sie nicht die Spur einer Ahnung von ihr." Caroline Kennedy
Eine der unvergesslichen Frauen des 20. Jahrhunderts erinnert sich an die Ehe mit John F. Kennedy und ihre - privaten wie öffentlichen - Erfahrungen. Ein Resümee, fast 50 Jahre unter Verschluss gehalten: vom Aufstieg eines Weltpolitikers bis zum dramatischen Ende, dem Attentat in Dallas.
In tiefster Trauer über den Verlust ihres dreieinhalb Monate zuvor ermordeten Mannes empfängt Jacqueline Kennedy Anfang März 1964 den Historiker Arthur M. Schlesinger und gewährt ihm sieben Interviews, insgesamt sechseinhalb Stunden lang. Sie gibt ihm überraschende Einblicke in Kennedys Wirken als Senator und späterer Präsident der USA, erzählt von ihren Gesprächen mit ihm, von ihrer Rolle in seiner politischen Karriere. Sie wirft interessante, von feinem Gespür zeugende Schlaglichter auf Begegnungen mit bedeutenden Männern und weltbewegende Ereignisse wie die Kubakrise. Und auch private Belange rücken in den Blick, etwa der Glaube ihres Mannes, die Verbundenheit der Kennedy-Brüder und ihr eigenes Hineinwachsen in die Rolle der First Lady.
"Viele Leute glauben tatsächlich, sie haben eine Vorstellung davon, wer meine Mutter war. In Wirklichkeit aber haben sie nicht die Spur einer Ahnung von ihr." Caroline Kennedy
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.09.2011"Er war so reizend zu mir"
Wie war das Leben an der Seite von JFK? Historische Interviews mit Jackie Kennedy beschwören eine heile Welt.
Von Anke Schipp
Kurz nach ihrer Hochzeit im September 1953 gibt Jacqueline Kennedy ein Fernsehinterview. Sie trägt ein Seidenkleid mit dreireihiger Perlenkette, ihre Frisur ist perfekt onduliert, sie lächelt zauberhaft. Der Reporter fragt in Bezug auf John F. Kennedy: "Sie sind ganz schön verliebt in ihn, oder?" Eine Suggestivfrage, die Antwort erwartbar. Doch Jacqueline Kennedy schüttelt überraschend den Kopf und sagt: "Oh, nein." Schweigen. "Habe ich gerade ,nein' gesagt?", fragt sie leicht errötend. "Ja", antwortet der Reporter. "Sollen wir das noch mal machen?" In der nächsten Aufnahme antwortet sie: "Ich denke schon."
Es ist ein überraschend unkontrollierter Moment im Leben von Jacqueline Kennedy. Vielleicht nur ein Versprecher, vielleicht der Ausdruck von dem, was sie wirklich fühlte. Mehr als vier Jahrzehnte lang wachte sie mit eiserner Disziplin über das öffentliche Bild ihrer Ehe und sorgte dafür, dass es 17 Jahre nach ihrem Tod allenfalls Kratzer aufweist, aber bislang keiner die Fassade zum Einsturz gebracht hat. Noch immer gelten die Kennedys als das glamouröseste und faszinierendste Paar des 20. Jahrhunderts.
Schon die Ankündigung, dass Mitte September ein Buch mit historischen Interviews erscheinen würde, in denen Jacqueline Kennedy erstmals über ihr Leben an der Seite von JFK spricht, sorgte in Amerika folgerichtig wochenlang für großen Wirbel. Zeitungen mutmaßten, dass sie darin die Affären ihres Mannes kommentieren, vielleicht selbst Seitensprünge eingestehen könnte, dass sie über ihre Einsamkeit spricht, ihre wiederholten Fehlgeburten, den Druck, den der Kennedy-Clan auf sie ausübte, die schweren Krankheiten ihres Mannes und den Verlust des Privaten, den man als Gattin eines amerikanischen Präsidenten aushalten musste.
Doch die sieben Gespräche, die Jacqueline Kennedy mit Arthur Schlesinger, Historiker und früherer Berater ihres Mannes, im März 1964 nur wenige Monate nach der Ermordung des Präsidenten in Dallas führte und die jetzt als Buch erschienen sind, sind so saftig wie ein zu lange gebratenes Rindersteak. Bis in jeden Nebensatz hinein bleibt Jacqueline Kennedy die "First Lady", die kontrolliert und wohl dosiert über den präsidialen Alltag plaudert.
Mit der Heirat im September 1953 geht für das Ostküsten-Mädchen Jacqueline Bouvier, das aus einer wohlhabenden katholischen Familie stammt, nur beste Schulen und Universitäten besuchte und sich den letzten Schliff an Kultiviertheit bei einem Auslandsaufenthalt in Paris holte, ein Traum in Erfüllung. Für sie ist Kennedy, den sie auf einer Dinnerparty kennenlernte und der damals Mitglied des Repräsentantenhauses war, eine standesgemäße Partie. Für ihn, bekannt für seine zahlreichen Frauengeschichten, ist sie die richtige Frau zum Repräsentieren. Sein Vater Joe Kennedy, der bereits mehrere Millionen Dollar in die politische Karriere des Sohnes gesteckt hatte, gab ihm auf den Weg: "Es kommt nicht darauf an, was du bist, sondern für was die Leute dich halten."
Doch die Beziehung des Glamour-Paars ist weniger glücklich, als sie scheint. Kennedy beginnt nicht nur wahllos Affären, noch wenige Wochen vor seiner Hochzeit lernt er an der Côte d'Azur die Schwedin Gunilla von Post kennen, für die er offenbar mehr empfindet. Noch Jahre später schreibt er ihr Liebesbriefe und arrangiert heimliche Treffen in Europa. Am Tag seiner Hochzeit gesteht er einer Mitarbeiterin: "Ich heirate nur, weil ich 37 Jahre alt und Politiker bin. Die Leute glauben, ich sei schwul, wenn ich nicht verheiratet bin." Kennedy und sein ehrgeiziger Vater hatten längst Kurs auf das Weiße Haus genommen. Und Jacqueline Kennedy sollte als bildhübsche Statistin dem Projekt zum Erfolg verhelfen.
"Was dachten Sie selbst darüber, ins Weiße Haus zu ziehen?", fragt Schlesinger im vierten der insgesamt sieben Gespräche Jacqueline Kennedy. "Es ist komisch, aber der Gedanke hat mir ziemlich zu schaffen gemacht", gesteht sie. Sie hatte Angst davor, auf dem Präsentierteller zu stehen und ihren Mann kaum noch zu Gesicht zu bekommen. "Wie sich heute zeigt", fährt sie fort, "war es die glücklichste Zeit meines Lebens. Wir waren uns nie näher als in dieser Zeit. Ich hatte nie geahnt, wie nah man sich auch körperlich ist, wenn das Büro des Mannes im gleichen Haus ist und man sich so oft am Tag sieht." Sie begleitet ihren Mann auf Auslandsreisen, brilliert in Paris mit fließendem Französisch und begeistert in Indien Präsident Nehru. Ihre Analysen ausländischer Staatsoberhäupter und anderer Würdenträger sind oft scharf, bisweilen scharfsinnig, manchmal bissig. Charles de Gaulle nennt sie einen "Egomanen", Adenauer "einen verbitterten alten Mann" und Martin Luther King einen "Heuchler".
Was die Betrachtung ihrer eigenen Familie angeht, bevorzugt die First Lady den Weichzeichner und präsentiert das Bild einer all american family. Um viertel vor acht Wecken, Papa geht ins Bad, während die Kinder Zeichentrickfilme im Schlafzimmer anschauen. Beim Zeitunglesen kitzelt er die Kinder mit dem Zeh. "Er liebte es, wenn die Kinder sich auf dem Boden herumwälzten", erzählt sie. Dann geht er ins Oval Office, sein Büro im Westflügel; mittags kehrt er zurück in sein Schlafzimmer, zieht seinen Pyjama an und hält 45 Minuten lang einen Mittagsschlaf. Dann wieder Büro. Vor dem Abendessen spielt er noch mit den Kindern. Abends veranstaltet seine Gattin oft legendäre Partys, "damit er fröhliche Menschen um sich hatte".
Jacqueline, die sich im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin Mamie Eisenhower nicht darauf beschränkt, mit genialen Kuchenrezepten in die Geschichtsschreibung einzugehen, macht sich gleich nach dem Einzug an die Neugestaltung der Räume. In einer einstündigen Fernsehsendung spricht sie im Februar 1962 über die Restaurierung des Weißen Hauses und führt durch die Räume. 56 Millionen Zuschauer verfolgen die Sendung. Später wird sie dafür den Ehren-Emmy bekommen. Kennedy lobt sie. "Er war so reizend, wenn er stolz auf mich war", schwärmt sie.
In Jacqueline Kennedys Schilderungen ist JFK der liebende, aufmerksame Gatte. Zum zehnten Hochzeitstag schenkt er ihr einen antiken Armreif ("das war so reizend"). Am Wochenende fahren sie in ihr Haus nach Virginia mit eigenen Pferden - "Er sah es gerne, wenn ich ritt." Sie wiederum kann sich nicht satt daran sehen, wenn er morgens mit "federndem Gang ins Oval Office geht". Oft nimmt er Caroline und John mit ins Büro. Sie sagt, er liebte es, wenn er die Kinder um sich hatte. Der kleine John, wie er unter dem Schreibtisch spielt, Caroline, wie sie durch den Raum tanzt, während ihr Vater dazu klatscht - diese Bilder gehen um die Welt. Er habe sich nie Gedanken über ihr Image gemacht, behauptet sie im Interview. "Mit solchen Fotos kann man keine Wahl verlieren", hatte er einmal selbst dazu gesagt.
Sie erzählt, wie er nach der KubaKrise weint und wie sie ihn pathetisch darum bittet, dass sie im Kriegsfall mit den Kindern bei ihm bleiben kann. Sie spielt die Krankheiten herunter. Sein Rückenleiden? In Wahrheit nur eine Muskelschwäche. Die Gala zu seinem 45. Geburtstag im Madison Square Garden, zu der sie nicht erscheint, lässt sie unerwähnt. Es ist der große Auftritt von Marilyn Monroe, in einem hautengen Glitzerkleid, in dem sie ein Happy Birthday hinhaucht, das kaum verschlüsselt als Liebeserklärung zu deuten ist. Monroe soll seine Geliebte gewesen sein, wie viele andere auch, die er sogar zu Sexpartys ins Weiße Haus eingeladen haben soll. Dafür schickt er Jacqueline oft aufs Land, "zum Auftanken". Sie sagt: "Die Trennungen hielten unsere Liebe frisch."
Wie es damals wirklich gewesen sein könnte, wie sehr JFK seine Frau mit den Affären verletzt haben könnte, zeigt die Fernsehserie "Die Kennedys". Sie sollte im April dieses Jahres im amerikanischen Sender "History" gesendet werden, wurde jedoch kurz vorher aus dem Programm genommen. Es wird gemutmaßt, dass Caroline Kennedy, die als tapfere Tochter das Erbe im Sinne ihrer Mutter verwaltet, mit dazu beitrug, die Ausstrahlung zu verhindern. Gezeigt wurde sie schließlich bei dem kleinen Privatsender "ReelzCHannel" mit Sitz in Neu-Mexiko.
Es ist bemerkenswert jedenfalls, dass Caroline ausgerechnet jetzt die Interviews veröffentlichte, obwohl es der Wille ihrer Mutter war, dass sie bis 2014 unter Verschluss bleiben sollten. Vielleicht sind sie als Gegenoffensive zu der Serie zu verstehen: Die Welt soll ihre Eltern als das Paar in Erinnerung behalten, das sie in der Öffentlichkeit vorgaben zu sein. Nicht als das, was sie tatsächlich waren.
Jacqueline Kennedy: "Gespräche über ein Leben mit John F. Kennedy", Hoffmann und Campe, 24,88 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie war das Leben an der Seite von JFK? Historische Interviews mit Jackie Kennedy beschwören eine heile Welt.
Von Anke Schipp
Kurz nach ihrer Hochzeit im September 1953 gibt Jacqueline Kennedy ein Fernsehinterview. Sie trägt ein Seidenkleid mit dreireihiger Perlenkette, ihre Frisur ist perfekt onduliert, sie lächelt zauberhaft. Der Reporter fragt in Bezug auf John F. Kennedy: "Sie sind ganz schön verliebt in ihn, oder?" Eine Suggestivfrage, die Antwort erwartbar. Doch Jacqueline Kennedy schüttelt überraschend den Kopf und sagt: "Oh, nein." Schweigen. "Habe ich gerade ,nein' gesagt?", fragt sie leicht errötend. "Ja", antwortet der Reporter. "Sollen wir das noch mal machen?" In der nächsten Aufnahme antwortet sie: "Ich denke schon."
Es ist ein überraschend unkontrollierter Moment im Leben von Jacqueline Kennedy. Vielleicht nur ein Versprecher, vielleicht der Ausdruck von dem, was sie wirklich fühlte. Mehr als vier Jahrzehnte lang wachte sie mit eiserner Disziplin über das öffentliche Bild ihrer Ehe und sorgte dafür, dass es 17 Jahre nach ihrem Tod allenfalls Kratzer aufweist, aber bislang keiner die Fassade zum Einsturz gebracht hat. Noch immer gelten die Kennedys als das glamouröseste und faszinierendste Paar des 20. Jahrhunderts.
Schon die Ankündigung, dass Mitte September ein Buch mit historischen Interviews erscheinen würde, in denen Jacqueline Kennedy erstmals über ihr Leben an der Seite von JFK spricht, sorgte in Amerika folgerichtig wochenlang für großen Wirbel. Zeitungen mutmaßten, dass sie darin die Affären ihres Mannes kommentieren, vielleicht selbst Seitensprünge eingestehen könnte, dass sie über ihre Einsamkeit spricht, ihre wiederholten Fehlgeburten, den Druck, den der Kennedy-Clan auf sie ausübte, die schweren Krankheiten ihres Mannes und den Verlust des Privaten, den man als Gattin eines amerikanischen Präsidenten aushalten musste.
Doch die sieben Gespräche, die Jacqueline Kennedy mit Arthur Schlesinger, Historiker und früherer Berater ihres Mannes, im März 1964 nur wenige Monate nach der Ermordung des Präsidenten in Dallas führte und die jetzt als Buch erschienen sind, sind so saftig wie ein zu lange gebratenes Rindersteak. Bis in jeden Nebensatz hinein bleibt Jacqueline Kennedy die "First Lady", die kontrolliert und wohl dosiert über den präsidialen Alltag plaudert.
Mit der Heirat im September 1953 geht für das Ostküsten-Mädchen Jacqueline Bouvier, das aus einer wohlhabenden katholischen Familie stammt, nur beste Schulen und Universitäten besuchte und sich den letzten Schliff an Kultiviertheit bei einem Auslandsaufenthalt in Paris holte, ein Traum in Erfüllung. Für sie ist Kennedy, den sie auf einer Dinnerparty kennenlernte und der damals Mitglied des Repräsentantenhauses war, eine standesgemäße Partie. Für ihn, bekannt für seine zahlreichen Frauengeschichten, ist sie die richtige Frau zum Repräsentieren. Sein Vater Joe Kennedy, der bereits mehrere Millionen Dollar in die politische Karriere des Sohnes gesteckt hatte, gab ihm auf den Weg: "Es kommt nicht darauf an, was du bist, sondern für was die Leute dich halten."
Doch die Beziehung des Glamour-Paars ist weniger glücklich, als sie scheint. Kennedy beginnt nicht nur wahllos Affären, noch wenige Wochen vor seiner Hochzeit lernt er an der Côte d'Azur die Schwedin Gunilla von Post kennen, für die er offenbar mehr empfindet. Noch Jahre später schreibt er ihr Liebesbriefe und arrangiert heimliche Treffen in Europa. Am Tag seiner Hochzeit gesteht er einer Mitarbeiterin: "Ich heirate nur, weil ich 37 Jahre alt und Politiker bin. Die Leute glauben, ich sei schwul, wenn ich nicht verheiratet bin." Kennedy und sein ehrgeiziger Vater hatten längst Kurs auf das Weiße Haus genommen. Und Jacqueline Kennedy sollte als bildhübsche Statistin dem Projekt zum Erfolg verhelfen.
"Was dachten Sie selbst darüber, ins Weiße Haus zu ziehen?", fragt Schlesinger im vierten der insgesamt sieben Gespräche Jacqueline Kennedy. "Es ist komisch, aber der Gedanke hat mir ziemlich zu schaffen gemacht", gesteht sie. Sie hatte Angst davor, auf dem Präsentierteller zu stehen und ihren Mann kaum noch zu Gesicht zu bekommen. "Wie sich heute zeigt", fährt sie fort, "war es die glücklichste Zeit meines Lebens. Wir waren uns nie näher als in dieser Zeit. Ich hatte nie geahnt, wie nah man sich auch körperlich ist, wenn das Büro des Mannes im gleichen Haus ist und man sich so oft am Tag sieht." Sie begleitet ihren Mann auf Auslandsreisen, brilliert in Paris mit fließendem Französisch und begeistert in Indien Präsident Nehru. Ihre Analysen ausländischer Staatsoberhäupter und anderer Würdenträger sind oft scharf, bisweilen scharfsinnig, manchmal bissig. Charles de Gaulle nennt sie einen "Egomanen", Adenauer "einen verbitterten alten Mann" und Martin Luther King einen "Heuchler".
Was die Betrachtung ihrer eigenen Familie angeht, bevorzugt die First Lady den Weichzeichner und präsentiert das Bild einer all american family. Um viertel vor acht Wecken, Papa geht ins Bad, während die Kinder Zeichentrickfilme im Schlafzimmer anschauen. Beim Zeitunglesen kitzelt er die Kinder mit dem Zeh. "Er liebte es, wenn die Kinder sich auf dem Boden herumwälzten", erzählt sie. Dann geht er ins Oval Office, sein Büro im Westflügel; mittags kehrt er zurück in sein Schlafzimmer, zieht seinen Pyjama an und hält 45 Minuten lang einen Mittagsschlaf. Dann wieder Büro. Vor dem Abendessen spielt er noch mit den Kindern. Abends veranstaltet seine Gattin oft legendäre Partys, "damit er fröhliche Menschen um sich hatte".
Jacqueline, die sich im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin Mamie Eisenhower nicht darauf beschränkt, mit genialen Kuchenrezepten in die Geschichtsschreibung einzugehen, macht sich gleich nach dem Einzug an die Neugestaltung der Räume. In einer einstündigen Fernsehsendung spricht sie im Februar 1962 über die Restaurierung des Weißen Hauses und führt durch die Räume. 56 Millionen Zuschauer verfolgen die Sendung. Später wird sie dafür den Ehren-Emmy bekommen. Kennedy lobt sie. "Er war so reizend, wenn er stolz auf mich war", schwärmt sie.
In Jacqueline Kennedys Schilderungen ist JFK der liebende, aufmerksame Gatte. Zum zehnten Hochzeitstag schenkt er ihr einen antiken Armreif ("das war so reizend"). Am Wochenende fahren sie in ihr Haus nach Virginia mit eigenen Pferden - "Er sah es gerne, wenn ich ritt." Sie wiederum kann sich nicht satt daran sehen, wenn er morgens mit "federndem Gang ins Oval Office geht". Oft nimmt er Caroline und John mit ins Büro. Sie sagt, er liebte es, wenn er die Kinder um sich hatte. Der kleine John, wie er unter dem Schreibtisch spielt, Caroline, wie sie durch den Raum tanzt, während ihr Vater dazu klatscht - diese Bilder gehen um die Welt. Er habe sich nie Gedanken über ihr Image gemacht, behauptet sie im Interview. "Mit solchen Fotos kann man keine Wahl verlieren", hatte er einmal selbst dazu gesagt.
Sie erzählt, wie er nach der KubaKrise weint und wie sie ihn pathetisch darum bittet, dass sie im Kriegsfall mit den Kindern bei ihm bleiben kann. Sie spielt die Krankheiten herunter. Sein Rückenleiden? In Wahrheit nur eine Muskelschwäche. Die Gala zu seinem 45. Geburtstag im Madison Square Garden, zu der sie nicht erscheint, lässt sie unerwähnt. Es ist der große Auftritt von Marilyn Monroe, in einem hautengen Glitzerkleid, in dem sie ein Happy Birthday hinhaucht, das kaum verschlüsselt als Liebeserklärung zu deuten ist. Monroe soll seine Geliebte gewesen sein, wie viele andere auch, die er sogar zu Sexpartys ins Weiße Haus eingeladen haben soll. Dafür schickt er Jacqueline oft aufs Land, "zum Auftanken". Sie sagt: "Die Trennungen hielten unsere Liebe frisch."
Wie es damals wirklich gewesen sein könnte, wie sehr JFK seine Frau mit den Affären verletzt haben könnte, zeigt die Fernsehserie "Die Kennedys". Sie sollte im April dieses Jahres im amerikanischen Sender "History" gesendet werden, wurde jedoch kurz vorher aus dem Programm genommen. Es wird gemutmaßt, dass Caroline Kennedy, die als tapfere Tochter das Erbe im Sinne ihrer Mutter verwaltet, mit dazu beitrug, die Ausstrahlung zu verhindern. Gezeigt wurde sie schließlich bei dem kleinen Privatsender "ReelzCHannel" mit Sitz in Neu-Mexiko.
Es ist bemerkenswert jedenfalls, dass Caroline ausgerechnet jetzt die Interviews veröffentlichte, obwohl es der Wille ihrer Mutter war, dass sie bis 2014 unter Verschluss bleiben sollten. Vielleicht sind sie als Gegenoffensive zu der Serie zu verstehen: Die Welt soll ihre Eltern als das Paar in Erinnerung behalten, das sie in der Öffentlichkeit vorgaben zu sein. Nicht als das, was sie tatsächlich waren.
Jacqueline Kennedy: "Gespräche über ein Leben mit John F. Kennedy", Hoffmann und Campe, 24,88 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Keine neuen Enthüllungen liefert dieses Buch, sondern bewegt sich aus ausreichend beackertem Terrain, stellt Susanne Meyer über diesen Band fest, der Gespräche ersammelt, die Kennedy 1964 mit dem Harvard-Historiker Arthur Schlesinger führte. Neben den politischen Ereignissen, die sie an der Seite ihres Gatten erlebte, finden sich immer wieder persönliche Kommentare zum Leben mit John F. Kennedy und den politischen Größen, die ihn umgaben. Nichts Spektakuläres, aber Susanne Meyer erfährt dabei eine Menge über die Schatten in Jackies Dasein als Präsidentengattin. Unnahbarkeit habe die Faszination erzeugt, die vom "politischen Doppelkörper Jack und Jackie" ausging, meint Meyer, und dieses Buch zeigt, welche Wichtigkeit Jackie für dessen Überleben hatte. Für Meyer ist es der "letzte Akt" dieses Dramas.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Wie diese Frau wirklich war, überrascht und beeindruckt.« Das macht Spaß! 20111101