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Gestalten wie Tristan und Artus mit seinen Rittern der Tafelrunde, Hagen und Kriemhild, Tannhäuser und Walther von der Vogelweide oder Jeanne d´Arc und Richard Löwenherz prägen unsere Vorstellung vom Mittelalter. Als Sujet zahlloser Erzählungen und künstlerischer Gestaltungen sind sie im Reservoir kultureller Anspielungen und Assoziationen lebendig geblieben, so vage ihre Umrisse gelegentlich bleiben mögen. Die Konturen der einzelnen Gestalten zeichnet der vorliegende Band nach. Die rund 220 Artikel schildern, ausgehend von den erhaltenen Quellen, die wichtigsten Merkmale und Lebensstationen,…mehr

Produktbeschreibung
Gestalten wie Tristan und Artus mit seinen Rittern der Tafelrunde, Hagen und Kriemhild, Tannhäuser und Walther von der Vogelweide oder Jeanne d´Arc und Richard Löwenherz prägen unsere Vorstellung vom Mittelalter. Als Sujet zahlloser Erzählungen und künstlerischer Gestaltungen sind sie im Reservoir kultureller Anspielungen und Assoziationen lebendig geblieben, so vage ihre Umrisse gelegentlich bleiben mögen. Die Konturen der einzelnen Gestalten zeichnet der vorliegende Band nach. Die rund 220 Artikel schildern, ausgehend von den erhaltenen Quellen, die wichtigsten Merkmale und Lebensstationen, verfolgen die Entwicklung des Stoffs innerhalb der Literatur des Mittelalters und bieten abschließend einen Überblick über das Fortleben in den verschiedenen künstlerischen Medien der Neuzeit. Rund siebzig Abbildungen bringen Darstellungen in der bildenden Kunst und auf der Bühne vor Augen. Wer sich auf den Ursprung der Gestalten in den mittelalterlichen Texte einlassen möchte, findet detaillierte Hinweise auf Ausgaben und Übersetzungen. Darüber hinaus sind die wichtigsten Beiträge der Forschung verzeichnet.
Autorenporträt
Horst Brunner, geb. 1940, war von 1981-2006 Inhaber des Lehrstuhls für deutsche Philologie (Ältere Abteilung) der Universität Würzburg. Zahlreiche Buchpublikationen zur deutschen Literatur des Mittelalters und der frühen Neuzeit./Mathias Herweg, geb. 1971, habilitierte sich 2007 für das Fach Ältere deutsche Philologie und ist seit 2002 wissenschaftlicher Assistent an der Universität Würzburg. Publikationen u.a. zur Literarisierung der Geschichte und zu den Austauschfeldern von Dichtung und Chronistik.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2008

Ritter des Tellerrands
Tunnelblick: Ein Lexikon der Gestalten des Mittelalters

Wer ist Yrkane? Das Lexikon der Gestalten des Mittelalters, das die Würzburger Germanisten Horst Brunner und Mathias Herweg herausgegeben haben, verrät es: Yrkane ist die Gemahlin des Herzogs Reinfried von Braunschweig. Der ist der Held eines mittelhochdeutschen Versromans, der vielleicht um 1300 entstanden ist. Auch Reinfried hat seinen Artikel, der wie der Artikel über Yrkane eine Nacherzählung des Romans enthält und dazu literarhistorische Erläuterungen gibt ("Die einzige Handschrift scheint in die Kanzlei Ludwigs des Bayern zu weisen").

Wenn man die beiden Artikel gelesen hat, weiß man alles über das Paar. Die Frage ist nur, wer das wissen will. Der Roman, der nicht einmal vollständig erhalten ist, gehört zur Durchschnittsware der mittelalterlichen Literatur. Er hat keinerlei erkennbare Nachwirkung im Mittelalter gehabt, geschweige denn in der Neuzeit (wenn man von einer lobenden Erwähnung in Rolf Vollmanns "Roman-Verführer" absieht, auf die stolz verwiesen wird). Interessieren müssen sich für ihn nur Mediävisten, und die haben ganz andere Auskunftsmittel.

Die beiden Artikel sind leider keine Ausnahme in dem Werk, das man so gern freudig begrüßt hätte. Die Herausgeber hatten sich vorgenommen, "die bekanntesten historischen und fiktiven Gestalten" vorzustellen, die "im Mittelalter zum Stoff von Sage und Märchen, Legende und Dichtung wurden und bis heute Literatur, Musik und bildende Kunst inspirieren". So liest man es im ersten Satz des Vorworts, und so steht es plakativ auch auf dem Schutzumschlag.

Was hätte das für ein schönes und nützliches Werk werden können! Gestalten aus dem Mittelalter, wirkliche und erfundene, begegnen uns auf Schritt und Tritt, in Büchern, auf der Bühne, im Kino, auf Bildern. Mittelalter-Rezeption nennt man das, und es gibt einen blühenden Zweig der Mediävistik, der sich damit beschäftigt. Den Ertrag des emsigen Sammelns und Interpretierens, das da betrieben wird, kompakt und für jedermann leicht verständlich bereitzustellen, das hätte sich wahrlich gelohnt.

Das Vorwort bezeugt, dass sich die Herausgeber über die Auswahl heftig den Kopf zerbrochen haben. Am Ende haben sie sich zu viele Gedanken gemacht. Sie haben das schöne Programm verwässert, indem sie neben dem "Bekanntheitsgrad" und der "rezeptionsgeschichtlichen Bedeutung der betreffenden Gestalt" noch die "Aussagekraft für das Stoff- und Typenspektrum der mittelalterlichen Literatur" zum Kriterium erhoben. Man fragt sich, wie sie sich das vorstellen: Sollen sich die Leser aus den zweihundertachtzehn alphabetisch geordneten Artikeln solch ein "Spektrum" zusammenpuzzeln? Und welche Leser möchten ein Interesse daran haben? Doch wohl wiederum nur Mediävisten, die es, einfacher und besser, an anderer Stelle befriedigen können.

Die unglückliche Erweiterung des Programms ist Ausdruck einer typischen déformation professionelle, mit der sich die Fachwissenschaft wieder und wieder um die Früchte ihrer Arbeit bringt. Hier hat sie dazu geführt, dass die Auswahl der Stichwörter schierer Beliebigkeit überantwortet wurde. Es gibt in den mittelalterlichen Literaturen Europas Dutzende von Romanen vom Kaliber des Reinfried von Braunschweig, deren Helden man genauso gut hätte berücksichtigen können - oder eben auch nicht.

Doch könnte man zur Not mit den Yrkane und Reinfried, Amelung, Asprian, Fruote, Goldemar und wie sie alle heißen, leben, wenn man nur zuverlässig auch auf die Gestalten stieße, die noch immer faszinieren. Von denen haben selbstverständlich viele ihren Artikel bekommen, von Abaelard über Thomas Beckett und Elisabeth von Thüringen, Friedrich Barbarossa, Dr. Faust, Hagen von Tronje, Jeanne d'Arc, Marco Polo, Melusine, Parzival, Siegfried, Till Eulenspiegel, Tristan bis zu Wolfram von Eschenbach. Die Artikel sind, wie könnte es anders sein, von unterschiedlicher Qualität. Aber sie sind durch die Bank solide gearbeitet. In den meisten findet man, was man sucht.

Doch könnte der beste Artikel die Lücken nicht wettmachen. Wenn in einem Lexikon der Gestalten des Mittelalters Dantes Beatrice und Petrarcas Laura, wenn Dante selbst, wenn Wilhelm Tell und Dschingis Khan, Beowulf und Griseldis, Libussa und Igor fehlen, dann ist etwas gründlich schiefgegangen. Eine Liste der vermissten Prominenz wäre mindestens so lang wie die Liste der zugelassenen Nobodies. Besonders schmerzlich sind die Lücken im Bereich der Gestalten, die außerhalb ihrer Heimat keine Rolle spielen, dort aber aus dem kulturellen Gedächtnis nicht wegzudenken sind. Ihre Berücksichtigung hätte dem Lexikon erst die europäische Dimension gegeben, die man von einem solchen Werk erwarten darf.

Ein Beispiel? Nehmen wir Rolf Krake. Den kennt hierzulande kaum jemand. Allenfalls Fontane-Leser werden sich erinnern, dass Schulze Kluckhuhn, der Freund des alten Dubslav von Stechlin, im Vierundsechziger-Krieg eine unheimliche Begegnung mit einem dänischen Kriegsschiff hatte, die ihn sein Leben lang nicht mehr losließ. Das Schiff hieß Rolf Krake. Es hat tatsächlich existiert. Sein Name war Programm: Der Dänenkönig Rolf Krake, von dem eine in Skandinavien berühmte isländische Saga berichtet, ist einer der Großen des dänischen Heldenzeitalters. Die Saga ist aber nicht nur für das dänische Nationalbewusstsein von Bedeutung. Sie ist ein Hauptwerk in dem Bestand an mittelalterlicher Überlieferung, auf die sich das Bewusstsein von der Besonderheit und kulturellen Einheit aller Skandinavier stützt.

Auch wenn man günstig rechnet und von Gestalten wie Parzival absieht, der fast nur als Figur aus Wolfram von Eschenbachs Roman behandelt wird, stammt etwa die Hälfte der Stichwörter aus der deutschen Literatur und aus der deutschen Geschichte. Das Missverhältnis zeigt, wo das Problem liegt: Das Buch ist aus einem germanistischen Fachhorizont heraus entworfen worden. Für ein Lexikon der Gestalten des Mittelalters ist dieser Horizont ersichtlich zu eng. Schade um die vertane Chance.

JOACHIM HEINZLE

Horst Brunner, Mathias Herweg (Hrsg.): "Gestalten des Mittelalters". Ein Lexikon historischer und literarischer Gestalten. Verlag Alfred Kröner, Stuttgart 2007. XXIV, 504 S., 73 Abb., geb., 26,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Joachim Heinzle ist untröstlich. Das von Horst Brunner und Mathias Herweg herausgegebene Lexikon der Gestalten des Mittelalters nennt er eine "vertane Chance". Zu gern nämlich hätte er sich die reiche Mittelalter-Rezeption durch so einen Band erhellen lassen. Doch dazu kommt es nicht. Für Heinzle liegt das Problem im "germanistischen Fachhorizont" der Herausgeber. Der, meint er, lässt eine erschöpfende gesamteuropäische Perspektive nicht zu und ist zugleich verantwortlich für eine "unglückliche Erweiterung des Programms". Das für die Stichwörterauswahl herangezogene Kriterium des Stoff- und Typenspektrums hält Heinzle jedenfalls für vollkommen unbrauchbar. Während er Artikel zu Dante, Tell oder Beowulf im Band vergeblich sucht, sieht er sich mit "solide gearbeiteteten", doch leider häufig überflüssigen Einträgen (zu "Nobodies") reichlich versorgt.

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