Mit dem "Gestaltwandel der Götter" erscheint Band II von Leopold Zieglers Gesammelten Werken in Einzelbänden. Dieses erste große Hauptwerk Zieglers aus dem Jahr 1920, das sein wirkungsgeschichtlich bedeutsamstes bleiben sollte, war eines der meistgelesenen philosophischen Bücher im Deutschland der zwanziger Jahre. Die essayistisch angelegte kulturphilosophische Studie zeichnet die Etappen abendländischer Religiosität vom homerischen Griechenland über die christlichen Jahrhunderte bis hin zum "Mythos Atheos" der modernen Naturwissenschaft nach. Nietzsches Gott-ist-tot-Diagnose aufnehmend und modifizierend, geht es Ziegler um den Nachweis einer "Tendenz zur Religion" im Menschen, die als anthropologische Grundkonstante den Tod Gottes und das Ende der traditionell verfaßten Religionen überdauert. Das Werk verdient angesichts der "Rückkehr der Religion" im zeitgenössischen philosophischen Diskurs unbedingt eine Wiederentdeckung, da es die Einsicht in die Grenzen der Säkularisierung vorwegnimmt, ohne deren wahrheitsgeschichtliche Bedeutung zu verkennen.