Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.2008Alles Kunst, oder was?
Seit Duchamp vor nun schon bald hundert Jahren der Frage nachging, ob sich überhaupt Werke schaffen ließen, die nicht zu Kunstwerken werden könnten, scheint die Antwort klar: Alles kann zu Kunst werden. Die Faszination an diesem Übergang von Nicht-Kunst zu Kunst drängte die Frage ab, die bis dahin auf einem abgrenzbaren Kunstterrain ausschlaggebend war: ob und warum etwas gute Kunst sei oder nicht. Vor diesem Hintergrund zu Urteilen über Kunst zu finden, die sich nicht ganz in die Zufälligkeit individueller Bildungsgeschichten und von ihnen abgeleiteter Erwartungen auflösen, sondern mit denen auseinanderzusetzen sich lohnt, ist gar keine einfache Angelegenheit. Direkt ist sie auch kaum mehr anzugehen. Aber es lässt sich nachzeichnen, wie die Erfolgsgeschichte der modernen Kunst, die heute etwa an Auktionspreisen für zeitgenössische Künstler abgelesen werden kann, mit der Auflösung der Konturen des Kunstbegriffs einhergeht. Wolfgang Ullrich, Professor für Kunsttheorie und Medientheorie an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, führt das in seinem jüngsten Essayband auf überaus anregende und facettenreiche Weise vor. Die Hochsteigerungen des Kunstmarktes geben sich in seiner Darstellung als Effekt einer Kunst zu erkennen, die durch ihre rhetorisch hochgetriebene Unausdeutbarkeit und Unfassbarkeit selbst Geld als Medium eines inhaltlich unbestimmten Versprechens aussticht. Eine Konsequenz daraus ist, dass der Preis zum Bestandteil des Kunstwerks aufrücken und der Kunstmarkt mittlerweile sogar als Instanz die Künstler ersetzen kann. Das gibt zu denken über den "Joker" Kunst, so wie auch die anderen Essays dieses Bandes, die hochgeschätzte Tugenden der Kunst auf nüchterne Weise vorzustellen wissen. (Wolfgang Ullrich: "Gesucht: Kunst". Phantombild eines Jokers. Wagenbach Verlag, Berlin 2007. 299 S., br., 14,90 [Euro].) hmay
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Seit Duchamp vor nun schon bald hundert Jahren der Frage nachging, ob sich überhaupt Werke schaffen ließen, die nicht zu Kunstwerken werden könnten, scheint die Antwort klar: Alles kann zu Kunst werden. Die Faszination an diesem Übergang von Nicht-Kunst zu Kunst drängte die Frage ab, die bis dahin auf einem abgrenzbaren Kunstterrain ausschlaggebend war: ob und warum etwas gute Kunst sei oder nicht. Vor diesem Hintergrund zu Urteilen über Kunst zu finden, die sich nicht ganz in die Zufälligkeit individueller Bildungsgeschichten und von ihnen abgeleiteter Erwartungen auflösen, sondern mit denen auseinanderzusetzen sich lohnt, ist gar keine einfache Angelegenheit. Direkt ist sie auch kaum mehr anzugehen. Aber es lässt sich nachzeichnen, wie die Erfolgsgeschichte der modernen Kunst, die heute etwa an Auktionspreisen für zeitgenössische Künstler abgelesen werden kann, mit der Auflösung der Konturen des Kunstbegriffs einhergeht. Wolfgang Ullrich, Professor für Kunsttheorie und Medientheorie an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe, führt das in seinem jüngsten Essayband auf überaus anregende und facettenreiche Weise vor. Die Hochsteigerungen des Kunstmarktes geben sich in seiner Darstellung als Effekt einer Kunst zu erkennen, die durch ihre rhetorisch hochgetriebene Unausdeutbarkeit und Unfassbarkeit selbst Geld als Medium eines inhaltlich unbestimmten Versprechens aussticht. Eine Konsequenz daraus ist, dass der Preis zum Bestandteil des Kunstwerks aufrücken und der Kunstmarkt mittlerweile sogar als Instanz die Künstler ersetzen kann. Das gibt zu denken über den "Joker" Kunst, so wie auch die anderen Essays dieses Bandes, die hochgeschätzte Tugenden der Kunst auf nüchterne Weise vorzustellen wissen. (Wolfgang Ullrich: "Gesucht: Kunst". Phantombild eines Jokers. Wagenbach Verlag, Berlin 2007. 299 S., br., 14,90 [Euro].) hmay
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