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Ländlicher WegIm Zikadenschleier gefangen / der Mittag, bebender Schweißglanz / auf den Flanken der Rinder hinter / dem elektrischen Zaun. / Durch die Lichtmaschen schuppt / etwas von meinem verbrauchten Leben, / Schemenhaftes, über den Weg / geweht. Mein letzter Fußabdruck / weit hinter mir.

Produktbeschreibung
Ländlicher WegIm Zikadenschleier gefangen / der Mittag, bebender Schweißglanz / auf den Flanken der Rinder hinter / dem elektrischen Zaun. / Durch die Lichtmaschen schuppt / etwas von meinem verbrauchten Leben, / Schemenhaftes, über den Weg / geweht. Mein letzter Fußabdruck / weit hinter mir.
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Autorenporträt
Dagmar Nick, geboren 1926 in Breslau, ab 1933 in Berlin, gehört zu den wichtigsten deutschsprachigen Lyrikerinnen nach 1945. Seit 1947 veröffentlichte sie zahlreiche Lyrik- und Prosabände, Reisebücher und Hörspiele. Sie ist Mitglied des PEN und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und lebt heute in München. Seit 1990 erscheint ihr Werk im Rimbaud Verlag.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Einem "Zugvogel auf dem Weg in sein Winterquartier" folgt Rezensent Hubert Spiegel in den späten Gedichten von Dagmar Nick - wie die 1926 geborene Autorin und Dichterin von Krankheit, schwindenden Kräften und der Sehnsucht nach einstiger Leichtigkeit schreibt, "ohne Schonung" aber auch ohne Bitterkeit, scheint den Rezensenten zu berühren, der hier auch noch einmal auf das Lebenswerk der Lyrikerin zurückblickt: Seit ihrem 1947 erschienenen Debüt "Märtyrer", das sie den Opfern der Konzentrationslager widmete, wurden ihre Gedichte in zahlreiche Anthologien aufgenommen und sie selbst schnell zu einer der wichtigsten deutschen Lyrikerinnen neben Nelly Sachs, Hilde Domin oder Ingeborg Bachmann, rekapituliert Spiegel. Nach ihren Werken zur Mythologie, zu ihren Reisen oder zum jüdischen Leben in ihrer Geburtsstadt Breslau blickt Nick in diesem Gedichtband nun dem Lebensende entgegen, mit einem besonderen "Beharrungswillen" und dem Herzen im Mittelpunkt, analysiert Spiegel: als vertrauter Wegbegleiter und als der "unzuverlässige Muskel der Erkenntnis".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.05.2021

Abtrünniges Herz
Lyrik von Dagmar Nick

Eines der in diesem Band versammelten Gedichte trägt den Titel "Herzinfarkt", andere sind überschrieben mit "Rückzug", "Abgeschlossen", "Abschiedslos". Von Krankheit, Alter, Tod ist hier die Rede, vom unerbittlichen, unaufhaltsamen Nachlassen der Kräfte, vom Blick zurück auf ein gelebtes Leben und auf die jetzt schmerzlich vermisste Leichtigkeit früherer Jahre, in denen "die Tanzschritte funktionierten / auf der Oberfläche des Wassers". Es sind Verse ohne Schonung, aber auch ohne all die Bitterstoffe, die der Verfall im Menschen freizusetzen pflegt. Vielleicht bringt nichts die vorherrschende Geisteshaltung hinter diesen späten Gedichten Dagmar Nicks besser zum Ausdruck als diese beiden Zeilen: "Ich bin nicht flügellahm. // Ich bedenke das Ende / des Flugs . . .". Es ist ein Zugvogel auf dem Weg in sein Winterquartier, der hier spricht.

Dagmar Nick wurde 1926 geboren, ein Jahr vor Günter Grass und Martin Walser und drei Jahre vor Hans Magnus Enzensberger. Der Beharrungswille, der sich in ihren späten Gedichten ausdrückt, ist von anderer Art als der ihrer männlichen Kollegen und Generationsgenossen. Vielleicht zeigt sich der wichtigste Unterschied in der "unerhörten Freiheit", die Holger Pils, der Leiter des Münchner Lyrik-Kabinetts, in seinem Vorwort des Bandes anspricht. Gemeint ist damit vor allem die letzte und vielleicht größte menschliche Freiheit, die Freiheit im Angesicht des Unausweichlichen.

Als Dagmar Nick debütierte, lag- Deutschland in Trümmern. 1947, ganze zehn Jahre bevor Enzensbergers Gedichtband "Die Verteidigung der Wölfe" erschien und ihr Verfasser sich in einem bemerkenswerten Spagat in die Fußstapfen der ungleichen, beide 1956 verstorbenen Dichterfürsten Benn und Brecht begeben hatte, veröffentlichte sie ihren ersten Lyrikband. Er trug den Titel "Märtyer". Die Widmung lautete: "Geschrieben für jene, die die Konzentrationslager erlebten". Im Jahr zuvor hatte Gunter Groll ein Gedicht Dagmar Nicks in den Band "De profundis" aufgenommen, seine berühmte "Anthologie aus zwölf Jahren", die im "Dritten Reich" unterdrückte Dichter präsentierte. Dagmar Nick gehörte wie Nelly Sachs, Hilde Domin, Ingeborg Bachmann oder Rose Ausländer früh zum Kreis der bedeutendsten Lyrikerinnen deutscher Sprache. Ihre Gedichte fanden Eingang in unzählige Anthologien. Ihr Ruhm wuchs im Hintergrund.

Auf den Spuren der jüdischen Wurzeln ihrer Familie verbrachte sie in den sechziger Jahren vier Jahre in Israel, wo Teile ihres 1969 erschienenen Gedichtbandes "Zeugnis und Zeichen" entstanden. Dagmar Nick schrieb über ihre Reisen und Aufenthalte in Israel, auf Rhodos, Sizilien und den "Götterinseln der Ägäis" (1981), Reisebücher ganz eigener Art, in denen sie Poesie, Mythologie und Gegenwart in Einklang brachte. Es folgten Darstellungen jüdischen Lebens in ihrer Geburtsstadt: "Jüdisches Wirken in Breslau - Eingeholte Erinnerungen" (1998) und "Eingefangene Schatten. Mein jüdisches Familienbuch" (2015).

Erich Kästner publizierte Dagmar Nicks Gedicht "Flucht" im Oktober 1945. Jetzt, ein ganzes Menschenalter später, ist im Rimbaud Verlag, dem sie seit Jahrzehnten die Treue hält, unter dem Titel "Getaktete Eile" ihr jüngstes Buch erschienen: 26 Gedichte, ergänzt um zwei interpretierende Begleittexte von Reinhard Kiefer und Christoph Leisten. Das Herz spielt in diesem Band eine besondere Rolle: Es hat vieles hinter sich. Es hat den Infarkt als "Feuerschlucht" erlebt und harrt seitdem aus "in Erwartung / des letzten Befehls: deine Schotten / dicht zu machen, um mit mir / die Stellung zu räumen und vielleicht / über unsere Verwandlung / noch eine zuckende Erdsekunde / zu staunen".

Das Herz ist Gefährte, Vertrauter, Verräter und der unzuverlässige Muskel der Erkenntnis. Es ist noch immer "Mein Wildfang", aber auch "Mein abtrünniges Herz" - "Verdurstet, als mumifizierten / Fremdkörper fand ich es wieder / an einem Kreuzweg / in abgründiger Gegend, wo früher / die Marterl aufgestellt wurden / zur Aufmunterung für irrende Pilger." Religiöse Motive werden beiläufig eingestreut, als handelte es sich um die Namen von Orten, die zu besuchen sich lohnen könnte. Die letzten Zeilen des Gedichts "Quasi ein Gebet" lauten: "Wir werden nicht müde. Die Wißbegier / hält mich wach." Am morgigen Sonntag wird Dagmar Nick fünfundneunzig Jahre alt.

HUBERT SPIEGEL.

Dagmar Nick: "Getaktete Eile". Gedichte.

Vorwort von Holger Pils, mit Aufsätzen von Reinhard Kiefer und Christoph Leisten. Rimbaud Verlag, Aachen 2021. 63 S., br., 20,- [Euro]

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