Im öffentlichen Diskurs wird ununterbrochen von Gewalt gesprochen. Sie erscheint als Einbruch in eine eigentlich friedlich-normale Welt, als Phänomen, das selbst ebenso fasziniert wie seine eigentümliche Unerklärlichkeit. Durch die Terroranschläge am 11. September 2001 hat das Thema eine beklemmende Aktualisierung erfahren.Psychoanalytiker haben mit Nachdruck auf die menschliche Aggressivität verwiesen und damit deutlich gemacht, dass Gewalt konstitutiver Bestandteil menschlicher Zivilisation ist. Nur der kulturell erzwungene Verzicht auf »Inzest, Kannibalismus und Mordlust«, wie Freud es 1927…mehr
Im öffentlichen Diskurs wird ununterbrochen von Gewalt gesprochen. Sie erscheint als Einbruch in eine eigentlich friedlich-normale Welt, als Phänomen, das selbst ebenso fasziniert wie seine eigentümliche Unerklärlichkeit. Durch die Terroranschläge am 11. September 2001 hat das Thema eine beklemmende Aktualisierung erfahren.Psychoanalytiker haben mit Nachdruck auf die menschliche Aggressivität verwiesen und damit deutlich gemacht, dass Gewalt konstitutiver Bestandteil menschlicher Zivilisation ist. Nur der kulturell erzwungene Verzicht auf »Inzest, Kannibalismus und Mordlust«, wie Freud es 1927 formulierte, scheint in dieser Perspektive Zivilisation zu sichern, führt andererseits aber auch zu einer ständigen unbewussten Rebellion gegen die Unterdrückung dieser Triebwünsche. Gewalt kommt also nicht von außen, als das Fremde und überraschend Unerklärliche. Eher scheint sie interner, vielleicht sogar unverzichtbarer Bestandteil unserer so sehr auf Fortschritt ausgerichteten Zivilisation zu sein. Immer schwieriger wird es, zwischen einem Fortschritt, der von der Lebensnot entlasten könnte, und dessen destruktiven Folgekosten zu unterscheiden. Auch die Frage nach der Eskalation rechtsradikaler Gewalt wirft zugleich die nach einer Zivilisation auf, die dieses Potential hervorbringt und aktualisiert. Unter dem Stichwort »Kultur, Kunst, Sublimierung« finden sich Beiträge zur künstlerischen Verarbeitung von Gewaltphänomenen. Schließlich soll das Augenmerk auf den Berufsstand der Psychoanalytiker selbst gerichtet werden. Hier geht es um offene oder verborgene Manifestationen von Destruktivität in der psychoanalytischen Behandlungssituation und in der psychoanalytischen Ausbildung.
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Autorenporträt
Anne-Marie Schlösser, geboren 1945, Diplom-Psychologin, Psychoanalytikerin in eigener Praxis. Dozentin und Lehranalytikerin am Lou-Andreas-Salome-Institut, Göttingen, sowie am Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie (DPG), Kassel, dort auch stellvertretende Vorsitzende. 1995-1997 Stellvertretende Vorsitzende, seit 1997 Vorsitzende der DGPT.
Dr. med Alf Gerlach ist Diplom-Soziologe und Arzt mit psychoanalytischer Ausbildung, die er am Sigmund-Freud-Institut Frankfurt am Main absolviert hat. Seit 1986 hat er sich niedergelassen in einer eigenenen psychoanalytischen Praxis, seit 1992 in Saarbrücken. Er ist Lehranalytiker der DPV und DGPT, Mitglied des Vorstandes der DGPT. Seit 1983 ist er aktiv in ethnopsychoanalytischer Forschung in China.
Inhaltsangabe
InhaltDie Psychoanalyse im kulturellen Kontext der GewaltWinfrid Trimborn: »Ich lasse mich nicht zerstören«. Zur Dynamik von Gewalt bei narzisstischen Störungen Benno Winker: Gewalt als Ausdruck missglückter narzisstischer RegulationRainer Krause: Affektpsychologische Aspekte menschlicher Destruktivität Ingrid Baumert: Angst folgt auf Drohungen. Das Unbewusste der Drohungen, deren Verkleidungen und Auswirkungen Hildegard Adler: Gewalterfahrung im kollektiv-kulturellen und im individuellen Gedächtis Wulf Hübner: Angst vor Gewalt. Bemerkungen zur Macht der IntrojektePaul R. Franke: Liegt Sebnitz in Andorra? Gewalt, Spaltung, Projektion und die kulturelle Macht des Klischees in den Medien Christoph Biermann: »Das Antlitz des Anderen« (E. Levinas) und das »Wegsehen dieses Antlitzes des Anderen« als Ursprung von Gewalt.Klinische Erfahrungen und die Geschichte des NationalsozialismusReimer Hinrichs: Gibt es gesunde Gewalt?Sozio-Psychoanalytische Beiträge zu Terrorismus und KriegStavros Mentzos: Die Psychosoziodynamik des Krieges. Eine Alternativantwort auf die Einstein'sche Frage »Warum Krieg?«Vamik D. Volkan: Religiöser Fundamentalismus und GewaltVamik D. Volkan: Nach der Vertreibung. Eine Flüchtlingsfamilie von innen betrachtetMicha Hilgers: Das Ringen der Vernunft mit dem totalitären Gewissen. Die Terroranschläge in den USA als Ausdruck eines durch massive Affekte radikalisierten Über-Ichs Selbst und Gesellschaft: Explosionen des KernsJoachim Küchenhoff: Innere und äußere Gewalt. Der Beitrag der Psychoanalyse zum Verständnis individueller Gewaltbereitschaft und Gewaltverarbeitung im gesellschaftlichen Kontext Sieglinde Eva Tömmel: Identität und »Deutsch-Sein«. Ein kulturpsychoanalytischer Beitrag zum Verständnis der neuen rechtsradikalen Gewalt in Deutschland Jörg Frommer: Ein psychoanalytisches Phasenmodell des Identitätswandels im vereinten Deutschland Hans-Dieter König: Zur Faszination rechter Gewalt in den Medien. Ein psychoanalytischer Beitrag zur qualitativen Erforschung des Rechtsextremismus Georg R. Gfäller: Staatliches Gewaltmonopol, Gewaltenteilung, Notwehr und Unterdrückung der Geschichte von Gewalterfahrungen - Eine mögliche Ursache für Gewalt gegen »Fremde« durch marginale Gruppen? Hans-Jürgen Wirth: Die 68er-Generation und das Problem der Gewalt Joachim W. Hohl: Zygmunt Bauman und Christopher Browning. Sozio-historische Erklärungsversuche zur nationalsozialistischen Menschenvernichtung und ihre Konsequenzen für die Psychoanalyse Gudrun Brockhaus: »Kampf - wie eine Erlösung« (Goebbels). Motive der nationalsozialistischen ErlebnisweltMargit Venner und Uwe Wutzler: Aggressive und kannibalische Triebimpulse im modernen Gewand der Lebendorgantransplantation Joachim Grefe: Krankheit - (verleugnete) alltägliche Gewalterfahrung Kultur, Kunst, SublimierungRicarda Elgeti: Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los! Zur Entstehung von Gewalt aus der KulturGerhard Armanski: Der gemeine Unfrieden der Kultur. Geschichte der Gewalt in Europa Mathias Hirsch: Die Opferung des Kindes als eine Grundlage unserer Kultur Jens Christian: Liebe und (Selbst-)Erkenntnis von Gut und Böse als »Ursünden des Menschen«. Der paranoid-schizoide Paradies-Mythos der patriarchalen ZivilisationNiels Beckenbach: Die Stadt Dis. - Aspekte einer Topographie der Gewalt in der 'okzidentalen' Zivilisation Rudolf Walter: Gewalt und geistige Existenz. Eine Annäherung an Werk und Lebensgeschichte des Schriftstellers Thomas Bernhard Gewalt in der psychosozialen EntwicklungWerner Bohleber: Gewalt in der Adoleszenz - Sackgassen in der EntwicklungUte Benz: Gewalt in der Pubertät als Konfliktlösung?Thomas Auchter: Gewalt als Zeichen von Hoffnung? Zur psychoanalytischen Theorie der jugendlichen Gewalt bei D. W. WinnicottSchlechte Behandlung? Gewalt in der psychoanalytischen SituationKlaus Grabska: Zur Gewalt der Deutung. Über Destruktivität in der analytischen Methode Christoph Klotter: Gewaltimpulse bei Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytikern Autorengespräch - DiskussionsforumGünter Lempa im Gespräch mit Vamik D. Volkan: »Man kann den Menschen nicht befehlen zu trauern, man muss ihnen helfen, einen Prozess zu beginnen«
InhaltDie Psychoanalyse im kulturellen Kontext der GewaltWinfrid Trimborn: »Ich lasse mich nicht zerstören«. Zur Dynamik von Gewalt bei narzisstischen Störungen Benno Winker: Gewalt als Ausdruck missglückter narzisstischer RegulationRainer Krause: Affektpsychologische Aspekte menschlicher Destruktivität Ingrid Baumert: Angst folgt auf Drohungen. Das Unbewusste der Drohungen, deren Verkleidungen und Auswirkungen Hildegard Adler: Gewalterfahrung im kollektiv-kulturellen und im individuellen Gedächtis Wulf Hübner: Angst vor Gewalt. Bemerkungen zur Macht der IntrojektePaul R. Franke: Liegt Sebnitz in Andorra? Gewalt, Spaltung, Projektion und die kulturelle Macht des Klischees in den Medien Christoph Biermann: »Das Antlitz des Anderen« (E. Levinas) und das »Wegsehen dieses Antlitzes des Anderen« als Ursprung von Gewalt.Klinische Erfahrungen und die Geschichte des NationalsozialismusReimer Hinrichs: Gibt es gesunde Gewalt?Sozio-Psychoanalytische Beiträge zu Terrorismus und KriegStavros Mentzos: Die Psychosoziodynamik des Krieges. Eine Alternativantwort auf die Einstein'sche Frage »Warum Krieg?«Vamik D. Volkan: Religiöser Fundamentalismus und GewaltVamik D. Volkan: Nach der Vertreibung. Eine Flüchtlingsfamilie von innen betrachtetMicha Hilgers: Das Ringen der Vernunft mit dem totalitären Gewissen. Die Terroranschläge in den USA als Ausdruck eines durch massive Affekte radikalisierten Über-Ichs Selbst und Gesellschaft: Explosionen des KernsJoachim Küchenhoff: Innere und äußere Gewalt. Der Beitrag der Psychoanalyse zum Verständnis individueller Gewaltbereitschaft und Gewaltverarbeitung im gesellschaftlichen Kontext Sieglinde Eva Tömmel: Identität und »Deutsch-Sein«. Ein kulturpsychoanalytischer Beitrag zum Verständnis der neuen rechtsradikalen Gewalt in Deutschland Jörg Frommer: Ein psychoanalytisches Phasenmodell des Identitätswandels im vereinten Deutschland Hans-Dieter König: Zur Faszination rechter Gewalt in den Medien. Ein psychoanalytischer Beitrag zur qualitativen Erforschung des Rechtsextremismus Georg R. Gfäller: Staatliches Gewaltmonopol, Gewaltenteilung, Notwehr und Unterdrückung der Geschichte von Gewalterfahrungen - Eine mögliche Ursache für Gewalt gegen »Fremde« durch marginale Gruppen? Hans-Jürgen Wirth: Die 68er-Generation und das Problem der Gewalt Joachim W. Hohl: Zygmunt Bauman und Christopher Browning. Sozio-historische Erklärungsversuche zur nationalsozialistischen Menschenvernichtung und ihre Konsequenzen für die Psychoanalyse Gudrun Brockhaus: »Kampf - wie eine Erlösung« (Goebbels). Motive der nationalsozialistischen ErlebnisweltMargit Venner und Uwe Wutzler: Aggressive und kannibalische Triebimpulse im modernen Gewand der Lebendorgantransplantation Joachim Grefe: Krankheit - (verleugnete) alltägliche Gewalterfahrung Kultur, Kunst, SublimierungRicarda Elgeti: Die ich rief, die Geister, werd' ich nun nicht los! Zur Entstehung von Gewalt aus der KulturGerhard Armanski: Der gemeine Unfrieden der Kultur. Geschichte der Gewalt in Europa Mathias Hirsch: Die Opferung des Kindes als eine Grundlage unserer Kultur Jens Christian: Liebe und (Selbst-)Erkenntnis von Gut und Böse als »Ursünden des Menschen«. Der paranoid-schizoide Paradies-Mythos der patriarchalen ZivilisationNiels Beckenbach: Die Stadt Dis. - Aspekte einer Topographie der Gewalt in der 'okzidentalen' Zivilisation Rudolf Walter: Gewalt und geistige Existenz. Eine Annäherung an Werk und Lebensgeschichte des Schriftstellers Thomas Bernhard Gewalt in der psychosozialen EntwicklungWerner Bohleber: Gewalt in der Adoleszenz - Sackgassen in der EntwicklungUte Benz: Gewalt in der Pubertät als Konfliktlösung?Thomas Auchter: Gewalt als Zeichen von Hoffnung? Zur psychoanalytischen Theorie der jugendlichen Gewalt bei D. W. WinnicottSchlechte Behandlung? Gewalt in der psychoanalytischen SituationKlaus Grabska: Zur Gewalt der Deutung. Über Destruktivität in der analytischen Methode Christoph Klotter: Gewaltimpulse bei Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytikern Autorengespräch - DiskussionsforumGünter Lempa im Gespräch mit Vamik D. Volkan: »Man kann den Menschen nicht befehlen zu trauern, man muss ihnen helfen, einen Prozess zu beginnen«
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