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Die Kriege der Zukunft finden bereits heute und im Geheimen statt. Ihre Strategie stützt sich auf Drohnen, Nanobewaffnung und gezielte Tötungen. Diese Individualisierung des Krieges wirft dabei völlig neue ethische und politische Fragen auf, denen sich Krishnan in diesem militärstrategischen und philosophischen Essay unerschrocken stellt. Er diskutiert die Gründe der zunehmenden Individualisierung, ihre militärische und politische Nützlichkeit, aber auch ihre ethische Fragwürdigkeit: Brauchen wir eine neue Genfer Kommission?

Produktbeschreibung
Die Kriege der Zukunft finden bereits heute und im Geheimen statt. Ihre Strategie stützt sich auf Drohnen, Nanobewaffnung und gezielte Tötungen. Diese Individualisierung des Krieges wirft dabei völlig neue ethische und politische Fragen auf, denen sich Krishnan in diesem militärstrategischen und philosophischen Essay unerschrocken stellt. Er diskutiert die Gründe der zunehmenden Individualisierung, ihre militärische und politische Nützlichkeit, aber auch ihre ethische Fragwürdigkeit: Brauchen wir eine neue Genfer Kommission?
Autorenporträt
Krishnan, Armin

Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Thomas Thiel begrüßt Armin Krishnans Auseinandersetzung mit den gezielten Tötungen mittels moderner Waffentechnologie, die in den asymmetrischen Kriegen der Gegenwart eine immer größere Rolle spielen. Erhellend findet er die eingehende Darlegung der Unterschiede zur traditionellen Kriegsführung und der zunehmenden Bedeutung der selektiven Kriegsführung. Thiel attestiert dem Autor eine ausgewogene Argumentation, an deren Ende die kritischen Töne gegenüber dieser Art der Kriegsführung überwiegen. Sein Fazit: ein wichtiges Buch, das die Gefahren der selektiven Kriegsführung verständlich macht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.01.2013

Als Nächstes könnten Regimekritiker ins Visier geraten
Nicht nur der Eindruck der chirurgischen Präzision ist falsch: Armin Krishnan beschreibt den Drohneneinsatz als nicht legitimierten Krieg ohne Fronten

Im aktuellen Bond wird der britische Geheimagent mitsamt seinem Geheimdienst zum Auslaufmodell erklärt. Der legendären Technikabteilung versiegen die Geniestreiche. Der Krieg wird zum Psychoduell von Softwaremanipulatoren stilisiert. Es ist nicht mehr als Heldenromantik, wenn das Duell zuletzt ein Messerwurf entscheidet. Nimmt man das Buch von Armin Krishnan über die neuen Formen des Tötens zur Hand, wird man zu einer ganz anderen Prognose kommen. Der texanische Militärforscher sieht die geheimdienstliche und mafiaähnliche Kriegführung zum Standard militärischer Konflikte werden. Der Krieg wird wahrscheinlich mehr als je zuvor in der Hand von Geheimagenten und ihren intelligenten Mikrowaffen liegen.

Seit den neunziger Jahren spricht man von asymmetrischen Kriegen. Angesichts der enormen Zerstörungspotentiale führen Staaten den Krieg immer seltener gegen ihresgleichen und immer öfter gegen Terrororganisationen und als besonders gefährlich bezeichnete Individuen. Krishnan kommt für das Jahr 2008 auf weltweit sechsunddreißig Kriege, von denen kein einziger ein zwischenstaatlicher Konflikt war. Das Mittel der Wahl ist hier die selektive Tötung. Mit der Ächtung des konventionellen Kriegs sinken die Toleranzschwellen für den minimalinvasiven Einsatz. Der verhaltene internationale Protest gegen die völkerrechtlich ungedeckte Liquidation Bin Ladins ist dafür ein deutliches Zeichen.

Die selektive Kriegführung ist im Grunde nicht neu. Geheimdienste, voran der amerikanische CIA und der israelische Mossad, verfolgen sie in kleinerem Maßstab seit langem. Neu ist, dass die selektive Liquidation kein Nebenschauplatz und keine Präventivmaßnahme mehr ist, sondern mit dem Fortschritt der Waffentechnik zum Kriegsalltag wird. Krishnan blickt auf eine nicht mehr ferne Zukunft, in der Nanowaffen, Laserwaffen und Strahlenwaffen mit lautloser Perfektion Todeskommandos ausführen. Mit dem Wandel ins Mikrologische werden auch biologische Waffen, die bisher als Massenvernichtungswaffen galten, zu individuellen Projektilen. Besonders attraktiv macht sie, dass sie ähnlich wie der Cyberkrieg kaum einen Hinweis auf den Täter hinterlassen. Der Krieg sinkt unter die Schwelle öffentlicher Wahrnehmung.

Hier liegt die Tücke des vermeintlich harmlosen Krieges. Krishnan warnt vor einem Krieg ohne Grenzen und ohne zeitliche Limits, in dem Drohnen im Dauereinsatz um den Globus patrouillieren. Warum sollte es so kommen? Zwei Schwellen sieht Krishnan schon überschritten. Mit George W. Bushs Aufforderung zur Exekution aller Terroristen Al Qaidas, unabhängig von ihrem Aufenthaltsort, und der Ausweitung der amerikanischen Drohnenangriffe auf das nicht im Krieg befindliche pakistanische Gebiet hat der Krieg seine zeitlichen und örtlichen Grenzen verloren. Gleichzeitig hat er seinen rechtlichen und ethischen Rahmen eingebüßt. Krieg kann jetzt immer und überall sein.

Im traditionellen Verständnis war der Soldat kein persönlicher Feind und seine Tötung auf das Kriegsgebiet beschränkt. Die Abstraktion war die Bedingung für den späteren Friedensschluss. Jetzt werden einzelne Opfer auch hinter den feindlichen Linien und nach dem Ende offizieller Kriegseinsätze gejagt. Kritiker sprechen deshalb von staatlich sanktioniertem Mord und dem Hinrichtungscharakter der Tötungen. Die Gegner werden als rechtlose Subjekte behandelt, denen kein Prozess und keine juristische Gegenwehr zugestanden wird.

Für den Soldaten verschärft der Telekrieg das moralische Dilemma des Tötens. Nach dem üblichen Verständnis des Kriegs, das noch stark vom ritterlichen Ehrenkodex geprägt war, gilt die selektive Tötung als heimtückische Tat, weil der Exekutor kein eigenes Risiko eingeht. Problematisch macht sie auch das freie Verfügen über die Frage, wer als besonders gefährliches Individuum zu betrachten ist. Krishnan kritisiert das undurchsichtige Zusammenspiel von Geheimdiensten und Regierungen bei der Auswahl der Todeskandidaten. Die amerikanische Regierung verteidigt den Drohneneinsatz als unverzichtbare Waffe gegen einen spezifischen Typ des Terrorismus. Krishnan beobachtet aber, wie sie den Kandidatenkreis von der Führungsriege Al Qaidas über militante Islamisten bis zu einfachen Taliban ausweitetet.

Das stärkste Argument für den Drohnenkrieg ist seine geringe Schadensbilanz. Er legt keine Städte und Regionen in Schutt und Asche, und es fragt sich, ob nicht prinzipiell militärische Mittel vorzuziehen sind, die statt einer unschuldigen Bevölkerung die tatsächlich Verantwortlichen treffen. Krishnan relativiert dieses Argument, ohne ihm ganz zu widersprechen. Bei Sprengradien der Drohnenraketen von zwanzig bis sechzig Meter bleiben ungewollte Zerstörungen nicht ganz aus. Die Schätzungen über die Opferzahlen bei den Zivilisten gehen auseinander. Es ist anzunehmen, dass auf drei getötete Kombattanten ein ziviles Opfer kommt. Die Duldung des Drohnenkriegs ist auch deshalb so groß, weil die Vereinigten Staaten den falschen Eindruck chirurgischer Perfektion suggerieren. Von fehlerlosen Einsätzen kann keine Rede sein.

Krishnans Buch ist eine umfassende und ausgewogene Aufklärung über die verdeckten Minen des neuen Kampfgebiets. Er räumt mit einigen Mythen auf und lässt durchblicken, dass er den individualisierten Krieg für besonders gefährlich hält, weil er der Ausweitung der Kampfzone im Dienst anderer Ziele vorarbeitet. Weil er so einfach ist, so wenig Geld und Opfer fordert und die Erfahrung des Krieges keine Erziehung zum Frieden mehr ist. Weil er eben gar kein Krieg zu sein scheint. Der Autor befürchtet, die selektive Tötung könnte bald auch ein Waffe im Kampf gegen Regierungskritiker oder bei der sozialtechnischen Disziplinierung der Bevölkerung werden. Die Möglichkeiten sind mit dem Ausbau der technischen Überwachung geschaffen. Denkt man daran, dass der spätere Friedensnobelpreisträger Nelson Mandela vom südafrikanischen Apartheidsregime einmal als Terrorist geführt wurde, möchte man Definitionsmacht über das gefährliche Individuum nicht in der Hand von Regierungen und Geheimdiensten wissen.

Thomas Thiel

Armin Krishnan: "Gezielte Tötung". Die Individualisierung des Krieges.

Matthes & Seitz, Berlin 2012. 270 S., br., 17,90 [Euro].

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