Es ist die schwierigste und zugleich faszinierendste Frage aller Zeiten: Warum gibt es unser Universum? Weshalb ist es entstanden? Wieso existieren Materie und Bewusstsein, Raum und Zeit? Lässt sich überhaupt eine Antwort finden - oder ist unsere Realität nur der Traum eines verrückten Philosophen?
Jim Holt hat sich auf die Suche nach einer Lösung gemacht. Wie ein Detektiv geht er Spuren nach, spekuliert, kombiniert, experimentiert und sucht wichtige Zeugen auf: Physiker, Theologen, Philosophen und nicht zuletzt John Updike. Am Ende seiner spannenden Erkundung steht die Frage nach unserem eigenen Platz im Universum, nach unserer Existenz und unserer Endlichkeit.
Jim Holt hat sich auf die Suche nach einer Lösung gemacht. Wie ein Detektiv geht er Spuren nach, spekuliert, kombiniert, experimentiert und sucht wichtige Zeugen auf: Physiker, Theologen, Philosophen und nicht zuletzt John Updike. Am Ende seiner spannenden Erkundung steht die Frage nach unserem eigenen Platz im Universum, nach unserer Existenz und unserer Endlichkeit.
"Ich kann mir kaum eine unterhaltsamere Weise zu denken vorstellen, als dieses Buch zu lesen." -- New York Times Book Review
"Ich habe "Gibt es alles oder nichts" von Jim Holt gelesen, um mir meinen existenziellen Kick zu holen." -- Bruce Springsteen
"Ich habe "Gibt es alles oder nichts" von Jim Holt gelesen, um mir meinen existenziellen Kick zu holen." -- Bruce Springsteen
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Nur am Schluss des Buches von Jim Holt fühlt Uwe Ebbinghaus sich ein bisschen verschaukelt. Da löst der Autor das von ihm laut Rezensent bis dahin so intelligent wie unterhaltsam umkreiste Rätsel des Universums allzu wohlfeil auf. Was der Wissenschaftsjournalist Holt allerdings zuvor geleistet hat, verdient für Ebbinghaus allen Erfolg, den das Buch in den USA genießt. Das liegt für ihn am hohen Niveau des Textes, der jenseits propädeutischer Begriffklärungen Philosophen, Naturwissenschaftler und Theologen befragt, aber auch am Humor des Autors, wenn der abschweifend über das Mittagessen der Highbrows erzählt. Grundsätzlich unterhaltsam, das merkt der Rezensent beim Lesen, sind diese Menschen, wenn sie ultimative Antworten auf den Ursprung der Welt suchen und diese zugleich infragestellen. Nach der erhellenden Lektüre fühlt sich der Autor nicht mehr so als sei er noch "mindestens fünf Einsteins von der Antwort entfernt" wie Holt es in seiner Einleitung konstatiert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.08.2014Bis unten hin alles voller Schildkröten
Jim Holt will die Frage klären, warum die Welt existiert: Dazu befragt er Experten, und deren Antworten überraschen
Das Grundproblem dieses Buchs kennen wir aus Woody Allens Film "Der Stadtneurotiker". Da sitzt der Grundschüler Alvy Singer mit seiner Mutter auf der Couch eines Psychiaters und stellt deprimiert fest: "Das Universum expandiert!" Irgendwann werde es zerbrechen und in nichts zerfallen. Worauf die Mutter sagt, das gehe ihn gar nichts an, das hier sei Brooklyn, hier expandiere nichts. "Und das wird es auch in Milliarden Jahren nicht tun", assistiert der Psychiater und fügt hinzu: "In der Zwischenzeit aber müssen wir versuchen, das Leben zu genießen!" Die Auseinandersetzung mit dem Unendlichen gefährdet die Gesundheit, das sagte schon Goethe.
Spätestens im Übergang zum Erwachsenenalter schafft man es entweder, sich die Frage, warum die Welt existiert, aus dem Kopf zu schlagen, oder man wird Kosmologe, Philosoph, vielleicht auch deprimiert. Der Wissenschaftsjournalist Jim Holt hat über die Frage "Gibt es etwas oder nichts?" ein Buch geschrieben, das über Wochen auf der Bestsellerliste der "New York Times" stand. Wie erklärt sich der Erfolg dieses Buches - durch seinen Stoff oder seine Form?
Holt behandelt seine Ausgangsfrage auf hohem gedanklichen Niveau. Er ist kein Richard David Precht. Philosophische Grundbegriffe werden nicht mehr groß definiert oder über die Hintertreppe erklärt, Grundkenntnisse in formaler Logik vorausgesetzt. Natürlich wird jedem vernünftigen Leser klar sein, dass "Eine philosophische Detektivgeschichte", so der deutsche Untertitel, auf der Suche nach dem Geheimnis der Existenz Zeitverschwendung ist. Die Wissenschaft hat diese Fragen in Jahrhunderten nicht überzeugend beantwortet, warum sollte es dieses Buch tun?
"Wir sind mindestens fünf Einsteins von der Antwort entfernt." Dieses Zitat von Martin Amis stellt Holt an den Anfang seiner Suche nach den größten Einstein-Karätern unserer Zeit. Philosophen, Naturwissenschaftler und Theologie sollen helfen, das Rätsel zu knacken. Alle besuchten Denker erweisen sich als ausgemachte Exzentriker, die an exzentrischen Orten wohnen. Und wenn ihre Gedanken zu abstrakt werden, schildert Holt, was der Befragte im Gespräch mit ihm gerade zum Lunch isst, wie er seine Gegner verspottet und wie erstaunlich viel Alkohol er vertragen kann. Außerdem gilt das Axiom Robert Nozicks: "Jemand, der eine nicht seltsame Antwort auf die Frage (nach dem Ursprung der Welt) vorschlägt, zeigt, dass er die Frage nicht verstanden hat."
Eine der schönsten Antworten wird von Holt selbst überliefert, der berichtet, wie er einmal einem bekannten Zen-Mönch die Ursprungsfrage gestellt habe und dieser ihm als Entgegnung auf den Kopf schlagen wollte, weil er dachte, die Frage sei ein paradoxer Koan, bei dem es auch mal körperlich zugehen kann. Und eine der skurrilsten Antworten stammt immer noch von der Zuhörerin, die sich bei einem Vortrag Bertrand Russells mit der These zu Wort meldete, die Welt sei eine Scheibe, die von einer Schildkröte getragen werde. Auf Russells Rückfrage, wer denn die Schildkröte trage, antwortete sie, diese stehe auf anderen Schildkröten, "bis unten hin".
Wobei diese Anekdote das Kernproblem der Frage nach dem Ursprung der Welt mustergültig darlegt: Kaum hat man einen Grund unserer Existenz gefunden, den Urknall zum Beispiel, kann man auch diesen wieder nach seinem Ursprung befragen. Kommt er aus dem Nichts? Und wenn ja: Was ist der Ursprung des Nichts? Gibt es Phänomene, die sich selbst erzeugen und selbst begründen? Und lässt sich das Ergebnis noch wissenschaftlich bestimmen oder gehört es schon dem Glauben an?
Womit wir bei Adolf Grünbaum wären, den Holt als Ersten besucht. Mit Spaß an der Provokation erklärt ihm der damals fast neunzig Jahre alte Philosoph und Wissenschaftstheoretiker in verschiedenen Lokalen Pittsburghs, dass die Frage nach dem Ursprung der Welt ein Scheinproblem sei, das durch den christlichen Glauben und dessen Ursprungsdenken in die abendländische Geistesgeschichte gelangt sei und dort das Denken vernebelt habe. Das Problem löse sich auf, wenn man erkenne, dass das Nichts nicht die "ontologische Standardoption" sei, welche irgendeines Abhängigkeitsaxioms, zum Beispiel eines Gottes, bedürfe. An dem Ursprung der Welt sei nichts staunenswert, es gebe zum Urknall kein Vorher. An diesem Punkt fällt Jim Holts Buchprojekt in sich zusammen. Doch der Autor kommentiert sehr gewitzt: "Wenn Aristoteles recht hatte und die Philosophie tatsächlich mit Staunen beginnt, dann endet sie mit Grünbaum." Jetzt muss Holt die ganze Philosophie retten.
Unterbrochen von informativen Exkursen über Atheismus, das Prinzip der Einfachheit, das Rätsel der Feinabstimmung und vieles mehr trifft der Autor im weiteren Verlauf in Oxford den Religionsphilosophen Richard Swinburne ("Die einfachste Erklärung ist höchstwahrscheinlich auch wahr"), den Quanteninformationstheoretiker David Deutsch ("Das Multiversum ist die einfachste Hypothese, die alles erklärt") und den Philosophen Derek Parfit ("Welcher Selektor gewinnt in der ontologischen Lotterie?"). Mit dem Physiknobelpreisträger Steven Weinberg ("Die Weltformel scheint immer noch in weiter Ferne zu liegen") verabredet er sich in Austin, mit Roger Penrose ("Wie kontrolliert die platonische Welt die materielle?") in New York, mit John Leslie ("Das platonische Prinzip des Guten ist der kosmische Spitzenkandidat") in Kanada.
Es zeigt sich, dass es kaum etwas Unterhaltsameres gibt als hochintelligente Menschen, die meinen, eine Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der Welt gefunden zu haben, und klug genug sind, nicht nur sämtliche Gegenmeinungen auszuschließen, sondern auch augenzwinkernd festzustellen, dass sie sich so ganz sicher aber nicht seien. Denn das Gegenargument am Schluss einer jeden ausgeführten Theorie, die meist mit einer vollkommen unglaublichen These beginnt, dann aber von Holt mit großer Kunstfertigkeit in den Bereich des Annehmbaren hinein erklärt wird, ist stets dasselbe: Worauf steht die Schildkröte?
Die Dramaturgie von Holts Buch folgt seinem Lieblingsgetränk Champagner, dessen Perlen aus dem Nichts zu kommen und unendlich an die Oberfläche zu streben scheinen. Was die reine Täuschung ist. Der Trick ist die Reibungsfläche am Boden. Bei Holt ist das der "zureichende Grund" von Leibniz, den der Autor, streng rationalistisch interpretiert, als obersten Grundsatz allen begründenden Denkens behandelt - und dabei immer wieder scheitert.
Dabei gibt es zureichende Gründe für letzte Dinge in jeder Kultur, nur sind sie meist nicht in Begriffe oder Zahlen zu fassen: die Mythen, Symbole, Allegorien und nicht zuletzt die Tautologie, für deren Schönheit, die sie etwa bei Wittgenstein gewinnt, Jim Holt keinen Sinn zu haben scheint. Nachdenklich wird Holt bei einem Treffen mit John Updike, der sich in seinem Roman "Das Gottesprogramm" mit kosmologischen Fragen beschäftigt hatte. Updike impft ihm genau das ein: "Schönheit ist Wahrheit, und Wahrheit ist Schönheit."
Holt endet mit einer Diskussion zwischen einem Theologen, einem Physiker und einem buddhistischen Mönch. Der Mönch ist, obwohl die Welt für ihn nur aus Leid besteht und er eine natürliche Verbindung zum Nichts verspürt, der Einzige, der lächelt. Das Rätsel des Universums besteht für ihn nicht. Durch diese bildungsromanhafte Schlussdramaturgie weckt Holt vermeidbaren Widerspruch. Das Spielerisch-Naive seines Ansatzes hatte man mitgelesen. Dieses Augenzwinkern in einer Läuterung aufzulösen beleidigt ein wenig die Intelligenz der Leser.
UWE EBBINGHAUS
Jim Holt: "Gibt es alles oder nichts?" Eine philosophische Detektivgeschichte. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2014. 399 S., geb. 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jim Holt will die Frage klären, warum die Welt existiert: Dazu befragt er Experten, und deren Antworten überraschen
Das Grundproblem dieses Buchs kennen wir aus Woody Allens Film "Der Stadtneurotiker". Da sitzt der Grundschüler Alvy Singer mit seiner Mutter auf der Couch eines Psychiaters und stellt deprimiert fest: "Das Universum expandiert!" Irgendwann werde es zerbrechen und in nichts zerfallen. Worauf die Mutter sagt, das gehe ihn gar nichts an, das hier sei Brooklyn, hier expandiere nichts. "Und das wird es auch in Milliarden Jahren nicht tun", assistiert der Psychiater und fügt hinzu: "In der Zwischenzeit aber müssen wir versuchen, das Leben zu genießen!" Die Auseinandersetzung mit dem Unendlichen gefährdet die Gesundheit, das sagte schon Goethe.
Spätestens im Übergang zum Erwachsenenalter schafft man es entweder, sich die Frage, warum die Welt existiert, aus dem Kopf zu schlagen, oder man wird Kosmologe, Philosoph, vielleicht auch deprimiert. Der Wissenschaftsjournalist Jim Holt hat über die Frage "Gibt es etwas oder nichts?" ein Buch geschrieben, das über Wochen auf der Bestsellerliste der "New York Times" stand. Wie erklärt sich der Erfolg dieses Buches - durch seinen Stoff oder seine Form?
Holt behandelt seine Ausgangsfrage auf hohem gedanklichen Niveau. Er ist kein Richard David Precht. Philosophische Grundbegriffe werden nicht mehr groß definiert oder über die Hintertreppe erklärt, Grundkenntnisse in formaler Logik vorausgesetzt. Natürlich wird jedem vernünftigen Leser klar sein, dass "Eine philosophische Detektivgeschichte", so der deutsche Untertitel, auf der Suche nach dem Geheimnis der Existenz Zeitverschwendung ist. Die Wissenschaft hat diese Fragen in Jahrhunderten nicht überzeugend beantwortet, warum sollte es dieses Buch tun?
"Wir sind mindestens fünf Einsteins von der Antwort entfernt." Dieses Zitat von Martin Amis stellt Holt an den Anfang seiner Suche nach den größten Einstein-Karätern unserer Zeit. Philosophen, Naturwissenschaftler und Theologie sollen helfen, das Rätsel zu knacken. Alle besuchten Denker erweisen sich als ausgemachte Exzentriker, die an exzentrischen Orten wohnen. Und wenn ihre Gedanken zu abstrakt werden, schildert Holt, was der Befragte im Gespräch mit ihm gerade zum Lunch isst, wie er seine Gegner verspottet und wie erstaunlich viel Alkohol er vertragen kann. Außerdem gilt das Axiom Robert Nozicks: "Jemand, der eine nicht seltsame Antwort auf die Frage (nach dem Ursprung der Welt) vorschlägt, zeigt, dass er die Frage nicht verstanden hat."
Eine der schönsten Antworten wird von Holt selbst überliefert, der berichtet, wie er einmal einem bekannten Zen-Mönch die Ursprungsfrage gestellt habe und dieser ihm als Entgegnung auf den Kopf schlagen wollte, weil er dachte, die Frage sei ein paradoxer Koan, bei dem es auch mal körperlich zugehen kann. Und eine der skurrilsten Antworten stammt immer noch von der Zuhörerin, die sich bei einem Vortrag Bertrand Russells mit der These zu Wort meldete, die Welt sei eine Scheibe, die von einer Schildkröte getragen werde. Auf Russells Rückfrage, wer denn die Schildkröte trage, antwortete sie, diese stehe auf anderen Schildkröten, "bis unten hin".
Wobei diese Anekdote das Kernproblem der Frage nach dem Ursprung der Welt mustergültig darlegt: Kaum hat man einen Grund unserer Existenz gefunden, den Urknall zum Beispiel, kann man auch diesen wieder nach seinem Ursprung befragen. Kommt er aus dem Nichts? Und wenn ja: Was ist der Ursprung des Nichts? Gibt es Phänomene, die sich selbst erzeugen und selbst begründen? Und lässt sich das Ergebnis noch wissenschaftlich bestimmen oder gehört es schon dem Glauben an?
Womit wir bei Adolf Grünbaum wären, den Holt als Ersten besucht. Mit Spaß an der Provokation erklärt ihm der damals fast neunzig Jahre alte Philosoph und Wissenschaftstheoretiker in verschiedenen Lokalen Pittsburghs, dass die Frage nach dem Ursprung der Welt ein Scheinproblem sei, das durch den christlichen Glauben und dessen Ursprungsdenken in die abendländische Geistesgeschichte gelangt sei und dort das Denken vernebelt habe. Das Problem löse sich auf, wenn man erkenne, dass das Nichts nicht die "ontologische Standardoption" sei, welche irgendeines Abhängigkeitsaxioms, zum Beispiel eines Gottes, bedürfe. An dem Ursprung der Welt sei nichts staunenswert, es gebe zum Urknall kein Vorher. An diesem Punkt fällt Jim Holts Buchprojekt in sich zusammen. Doch der Autor kommentiert sehr gewitzt: "Wenn Aristoteles recht hatte und die Philosophie tatsächlich mit Staunen beginnt, dann endet sie mit Grünbaum." Jetzt muss Holt die ganze Philosophie retten.
Unterbrochen von informativen Exkursen über Atheismus, das Prinzip der Einfachheit, das Rätsel der Feinabstimmung und vieles mehr trifft der Autor im weiteren Verlauf in Oxford den Religionsphilosophen Richard Swinburne ("Die einfachste Erklärung ist höchstwahrscheinlich auch wahr"), den Quanteninformationstheoretiker David Deutsch ("Das Multiversum ist die einfachste Hypothese, die alles erklärt") und den Philosophen Derek Parfit ("Welcher Selektor gewinnt in der ontologischen Lotterie?"). Mit dem Physiknobelpreisträger Steven Weinberg ("Die Weltformel scheint immer noch in weiter Ferne zu liegen") verabredet er sich in Austin, mit Roger Penrose ("Wie kontrolliert die platonische Welt die materielle?") in New York, mit John Leslie ("Das platonische Prinzip des Guten ist der kosmische Spitzenkandidat") in Kanada.
Es zeigt sich, dass es kaum etwas Unterhaltsameres gibt als hochintelligente Menschen, die meinen, eine Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der Welt gefunden zu haben, und klug genug sind, nicht nur sämtliche Gegenmeinungen auszuschließen, sondern auch augenzwinkernd festzustellen, dass sie sich so ganz sicher aber nicht seien. Denn das Gegenargument am Schluss einer jeden ausgeführten Theorie, die meist mit einer vollkommen unglaublichen These beginnt, dann aber von Holt mit großer Kunstfertigkeit in den Bereich des Annehmbaren hinein erklärt wird, ist stets dasselbe: Worauf steht die Schildkröte?
Die Dramaturgie von Holts Buch folgt seinem Lieblingsgetränk Champagner, dessen Perlen aus dem Nichts zu kommen und unendlich an die Oberfläche zu streben scheinen. Was die reine Täuschung ist. Der Trick ist die Reibungsfläche am Boden. Bei Holt ist das der "zureichende Grund" von Leibniz, den der Autor, streng rationalistisch interpretiert, als obersten Grundsatz allen begründenden Denkens behandelt - und dabei immer wieder scheitert.
Dabei gibt es zureichende Gründe für letzte Dinge in jeder Kultur, nur sind sie meist nicht in Begriffe oder Zahlen zu fassen: die Mythen, Symbole, Allegorien und nicht zuletzt die Tautologie, für deren Schönheit, die sie etwa bei Wittgenstein gewinnt, Jim Holt keinen Sinn zu haben scheint. Nachdenklich wird Holt bei einem Treffen mit John Updike, der sich in seinem Roman "Das Gottesprogramm" mit kosmologischen Fragen beschäftigt hatte. Updike impft ihm genau das ein: "Schönheit ist Wahrheit, und Wahrheit ist Schönheit."
Holt endet mit einer Diskussion zwischen einem Theologen, einem Physiker und einem buddhistischen Mönch. Der Mönch ist, obwohl die Welt für ihn nur aus Leid besteht und er eine natürliche Verbindung zum Nichts verspürt, der Einzige, der lächelt. Das Rätsel des Universums besteht für ihn nicht. Durch diese bildungsromanhafte Schlussdramaturgie weckt Holt vermeidbaren Widerspruch. Das Spielerisch-Naive seines Ansatzes hatte man mitgelesen. Dieses Augenzwinkern in einer Läuterung aufzulösen beleidigt ein wenig die Intelligenz der Leser.
UWE EBBINGHAUS
Jim Holt: "Gibt es alles oder nichts?" Eine philosophische Detektivgeschichte. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2014. 399 S., geb. 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Grandios ... Ein Buch, auf das die fast immer verlogene Floskel, man habe es nach dem Zuschlagen sogleich ein zweites Mal begonnen, ausnahmsweise zutrifft. Die Zeit