Linas Onkel ist als vermeintlich armer Mann gestorben. Doch dann stellt sich heraus, dass er ihr und zwei weiteren Erben eine Aufgabe hinterlassen hat - und demjenigen ein kleines Vermögen, der einen Fall lösen kann, der dreißig Jahre zuvor das Leben des Onkels aus der Bahn geworfen hat. Gleich drei Amateurdetektive suchen den Schauplatz des mutmaßlichen Verbrechens, die Villa Buchfinkenschlag. Als Lina das verwüstete Haus in einem verwilderten Park findet, begegnet sie dem ehemaligen Gärtner Johann, einem attraktiven, aber undurchsichtigen Mann mit einer Vorliebe für schöne, giftige Pflanzen. Ausgerechnet er muss Lina zu Hilfe kommen, als sie sich vertrauensselig in Gefahr bringt.In ihrem Gartenkrimi spielt Elsemarie Maletzke mit den Versatzstücken des klassischen »Whodunit«, mit schusseligen Zeugen, falschen Verdächtigen, voreiligen Schlüssen und natürlich der Frage, ob der Gärtner der Mörder ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2013Geifer des Höllenhunds
"Giftiges Grün": Die Frankfurter Autorin Elsemarie Maletzke hat einen Gartenkrimi geschrieben.
VON CLAUDIA SCHÜLKE
Die Kosaken wussten nicht, wie ihnen geschah: Eben noch hatten sie eine heiße Brühe geschlürft, da verschlug es ihnen buchstäblich den Atem. Erst prickelten die Lippen, dann wurde die Zunge taub, schließlich erfasste die Betäubung den ganzen Körper. Das Herz schlug ihnen bis zum Halse, sie bekamen keine Luft mehr. Rache soll süß sein. Aber die elsässische Köhlersfrau, die ihre Suppe mit Blättern des Blauen Eisenhuts verfeinert hatte, konnte vermutlich nur noch bittere Schadenfreude empfinden: Die drei versprengten Kämpfer der napoleonischen Kriege hatten zuvor ihre Kinder erschlagen.
Der griechische Sagenheld Herakles wusste eben auch nicht, was er anrichtete, als er den Kerberos am Hügel Akonitos in Pontros aus der Unterwelt holte: Aus dem Geifer des Höllenhundes entspross Europas giftigste Pflanze. Schon zwei Gramm der Wurzel sind tödlich. Auch der römische Kaiser Claudius wurde mit dem Hahnenfußgewächs Aconitum napellus vergiftet, und die Ehefrauen im Himalaya sollen die Hemden ihrer Männer in einem Sud aus Aconitum-Wurzeln gekocht haben, um sich jener zu entledigen.
Doch in dem Gartenkrimi, der jetzt unter dem Titel "Giftiges Grün" im Verlag Schöffling & Co. erschienen ist, kommt der Eisenhut nur einmal als ironischer Kommentar vor: im Grabstrauß von Berta Weil für Tante Rose. Vielleicht war es der Frankfurter Autorin einfach zu platt, schon wieder Aconitin zu bemühen. Es gibt schließlich noch andere Phytotoxine. Und Elsemarie Maletzke ist eine genauso leidenschaftliche Gärtnerin wie Berta Weil, die zwar nur eine Nebenrolle in dem Roman spielt, aber im Apothekergarten des undurchsichtigen Johann Gerswiller sofort Witterung aufnimmt: zwischen Goldregen, Fingerhut, Engelstrompeten, Rizinus und Co.
Die Dosis macht's, wusste schon Paracelsus, der Aconitum gelegentlich als Abführmittel verabreichte. Das weiß auch Gerswiller, der als lebendes Relikt aus besseren Tagen über die verfallene Villa Buchfinkenschlag wacht. Hier, wo Tante Rose und ihr Lebensgefährte Heinrich Weil einst in Saus und Braus lebten, soll vor 30 Jahren während einer Party ein Mord passiert sein. Jedenfalls geht das aus Onkel Heinrichs Testament hervor, das seinen Erben für 30 000 Euro Belohnung die Aufklärung hinterlässt. Berta Weils Tochter Lina, deren Bruder und Cousin machen sich auf die Suche nach dem Mörder.
Dabei verliebt sich Lina in Johann und lernt die zweideutige Sprache der Blumen kennen. Immergrün ist ein giftiger Treueschwur. Engelstrompeten aus Südamerika können mit ihren Alkaloiden die Stimmung heben, aber auch motorische Unruhe und Halluzinationen hervorrufen. Gerswiller hat das im Selbstversuch erprobt und lebenslang bereut. Mit psychoaktiven Pflanzen im Hintergarten von Buchfinkenschlag ließ sich einmal ein gutes Geschäft machen. Lina lässt sich von der Familienmafia nicht schrecken, sie trinkt trotzdem bedenkenlos den Tee, den ihr Gerswiller anbietet.
Es ist nur Minze. In Johanns Garten wächst aber auch der "Wunderbaum" aus dem Nahen Osten, auf gut Latein: Ricinus communis. Ein Wolfsmilchgewächs, das einst den biblischen Propheten Jonas vor Ninives Sonne schützte. Die glänzenden, hochgiftigen Samenschalen sind zwar wasser-, aber nicht fettlöslich. Rizinusöl führt nur ab, Rizin aber, ein toxisches Eiweiß, kann schon in einer Dosis von 0,25 Milligramm tödlich sein. Wer sich in der Geschichte der internationalen Geheimdienste auskennt, weiß, wie sich mit Rizin gezielt missliebige Personen ausschalten lassen.
War Elsemarie Maletzke von jenem berüchtigten Attentat auf einen bulgarischen Dissidenten inspiriert? "Ja", gibt sie zu. Wachsen in ihrem Garten auch giftige Wolfsmilch-, Nachtschatten- und Hahnenfußgewächse? "Eisenhüte habe ich gerade nachgepflanzt", sagt sie. Auch der Rittersporn zwischen ihren geliebten englischen Rosen sei giftig. "Rizinussamen hat mir gerade eine Freundin geschenkt. Aber jetzt bin ich abergläubisch." Und schön findet sie den Wunderbaum auch nicht. Und Engelstrompeten? "Die gedeihen nicht bei mir." Dafür aber die giftigen Maiglöckchen.
Der Garten- und Reisejournalistin, die sich bisher vor allem mit Biographien englischer Dichterinnen einen Namen gemacht hat, ist mit ihrem ersten Krimi ein spannendes Buch für Gartenfreunde und Pflanzenkenner gelungen: Man liest sich sofort fest.
Elsemarie Maletzke, Giftiges Grün. Ein Gartenkrimi. 208 Seiten, Leinen, 12 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Giftiges Grün": Die Frankfurter Autorin Elsemarie Maletzke hat einen Gartenkrimi geschrieben.
VON CLAUDIA SCHÜLKE
Die Kosaken wussten nicht, wie ihnen geschah: Eben noch hatten sie eine heiße Brühe geschlürft, da verschlug es ihnen buchstäblich den Atem. Erst prickelten die Lippen, dann wurde die Zunge taub, schließlich erfasste die Betäubung den ganzen Körper. Das Herz schlug ihnen bis zum Halse, sie bekamen keine Luft mehr. Rache soll süß sein. Aber die elsässische Köhlersfrau, die ihre Suppe mit Blättern des Blauen Eisenhuts verfeinert hatte, konnte vermutlich nur noch bittere Schadenfreude empfinden: Die drei versprengten Kämpfer der napoleonischen Kriege hatten zuvor ihre Kinder erschlagen.
Der griechische Sagenheld Herakles wusste eben auch nicht, was er anrichtete, als er den Kerberos am Hügel Akonitos in Pontros aus der Unterwelt holte: Aus dem Geifer des Höllenhundes entspross Europas giftigste Pflanze. Schon zwei Gramm der Wurzel sind tödlich. Auch der römische Kaiser Claudius wurde mit dem Hahnenfußgewächs Aconitum napellus vergiftet, und die Ehefrauen im Himalaya sollen die Hemden ihrer Männer in einem Sud aus Aconitum-Wurzeln gekocht haben, um sich jener zu entledigen.
Doch in dem Gartenkrimi, der jetzt unter dem Titel "Giftiges Grün" im Verlag Schöffling & Co. erschienen ist, kommt der Eisenhut nur einmal als ironischer Kommentar vor: im Grabstrauß von Berta Weil für Tante Rose. Vielleicht war es der Frankfurter Autorin einfach zu platt, schon wieder Aconitin zu bemühen. Es gibt schließlich noch andere Phytotoxine. Und Elsemarie Maletzke ist eine genauso leidenschaftliche Gärtnerin wie Berta Weil, die zwar nur eine Nebenrolle in dem Roman spielt, aber im Apothekergarten des undurchsichtigen Johann Gerswiller sofort Witterung aufnimmt: zwischen Goldregen, Fingerhut, Engelstrompeten, Rizinus und Co.
Die Dosis macht's, wusste schon Paracelsus, der Aconitum gelegentlich als Abführmittel verabreichte. Das weiß auch Gerswiller, der als lebendes Relikt aus besseren Tagen über die verfallene Villa Buchfinkenschlag wacht. Hier, wo Tante Rose und ihr Lebensgefährte Heinrich Weil einst in Saus und Braus lebten, soll vor 30 Jahren während einer Party ein Mord passiert sein. Jedenfalls geht das aus Onkel Heinrichs Testament hervor, das seinen Erben für 30 000 Euro Belohnung die Aufklärung hinterlässt. Berta Weils Tochter Lina, deren Bruder und Cousin machen sich auf die Suche nach dem Mörder.
Dabei verliebt sich Lina in Johann und lernt die zweideutige Sprache der Blumen kennen. Immergrün ist ein giftiger Treueschwur. Engelstrompeten aus Südamerika können mit ihren Alkaloiden die Stimmung heben, aber auch motorische Unruhe und Halluzinationen hervorrufen. Gerswiller hat das im Selbstversuch erprobt und lebenslang bereut. Mit psychoaktiven Pflanzen im Hintergarten von Buchfinkenschlag ließ sich einmal ein gutes Geschäft machen. Lina lässt sich von der Familienmafia nicht schrecken, sie trinkt trotzdem bedenkenlos den Tee, den ihr Gerswiller anbietet.
Es ist nur Minze. In Johanns Garten wächst aber auch der "Wunderbaum" aus dem Nahen Osten, auf gut Latein: Ricinus communis. Ein Wolfsmilchgewächs, das einst den biblischen Propheten Jonas vor Ninives Sonne schützte. Die glänzenden, hochgiftigen Samenschalen sind zwar wasser-, aber nicht fettlöslich. Rizinusöl führt nur ab, Rizin aber, ein toxisches Eiweiß, kann schon in einer Dosis von 0,25 Milligramm tödlich sein. Wer sich in der Geschichte der internationalen Geheimdienste auskennt, weiß, wie sich mit Rizin gezielt missliebige Personen ausschalten lassen.
War Elsemarie Maletzke von jenem berüchtigten Attentat auf einen bulgarischen Dissidenten inspiriert? "Ja", gibt sie zu. Wachsen in ihrem Garten auch giftige Wolfsmilch-, Nachtschatten- und Hahnenfußgewächse? "Eisenhüte habe ich gerade nachgepflanzt", sagt sie. Auch der Rittersporn zwischen ihren geliebten englischen Rosen sei giftig. "Rizinussamen hat mir gerade eine Freundin geschenkt. Aber jetzt bin ich abergläubisch." Und schön findet sie den Wunderbaum auch nicht. Und Engelstrompeten? "Die gedeihen nicht bei mir." Dafür aber die giftigen Maiglöckchen.
Der Garten- und Reisejournalistin, die sich bisher vor allem mit Biographien englischer Dichterinnen einen Namen gemacht hat, ist mit ihrem ersten Krimi ein spannendes Buch für Gartenfreunde und Pflanzenkenner gelungen: Man liest sich sofort fest.
Elsemarie Maletzke, Giftiges Grün. Ein Gartenkrimi. 208 Seiten, Leinen, 12 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Ein spannendes Buch für Gartenfreunde und Pflanzenkenner.« Claudia Schülke, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung »Mal kapriziös (...), vor allem aber maliziös lässt sie ihr Auge schweifen über gärtnerische Hysterien und die für diesen Menschenschlag nicht unübliche Rechthaberei.« Susanne Mayer, Die Zeit »Maletzkes Sprache ist wie ein Garten voller farbenprächtiger Blumen (...). [Sie] hat dazu auch noch genug Durchtriebenheit, um eine wirklich spannend-unterhaltsame Kriminalgeschichte zu präsentieren.« Karola Schepp, Gießener Allgemeine »Zauberhaft geschriebener Krimi« gartenwelt-natur.de