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Die Romane, Erzählungen und Essays des englischen Schriftstellers und Humoristen Gilbert Keith Chesterton bieten wegen ihrer Sprachkunst und ihres scharfen Witzes ein ganz außergewöhnliches Lesevergnügen. Der Schöpfer der unvergessenen Geschichten über Pater Brown behandelte schon vor hundert Jahren mit spitzer Feder Themen, die auch heute noch unverändert aktuell sind: die Gefahren der Gentechnik, der Globalisierung und der hemmungslosen Ausbeutung der Natur, die Illusionen des Fortschritts und der Schwindel der Esoterik, Anfragen an Bioethik, Politik und Wirtschaft.

Produktbeschreibung
Die Romane, Erzählungen und Essays des englischen Schriftstellers und Humoristen Gilbert Keith Chesterton bieten wegen ihrer Sprachkunst und ihres scharfen Witzes ein ganz außergewöhnliches Lesevergnügen. Der Schöpfer der unvergessenen Geschichten über Pater Brown behandelte schon vor hundert Jahren mit spitzer Feder Themen, die auch heute noch unverändert aktuell sind: die Gefahren der Gentechnik, der Globalisierung und der hemmungslosen Ausbeutung der Natur, die Illusionen des Fortschritts und der Schwindel der Esoterik, Anfragen an Bioethik, Politik und Wirtschaft.
Autorenporträt
Dr. Gisbert Kranz, geboren 1921, studierte Anglistik, Germanistik und Theologie. Er ist verheiratet und hat vier Kinder sowie sechs Enkel.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.03.2006

Prophet wider Willen
Gisbert Kranz entdeckt einen Chesterton für unsere Zeit

Gilbert Keith Chesterton war gelegentlich überfordert, wenn es um die Organisation seines Alltags ging. Auf einer seiner zahlreichen Vortragsreisen soll er aus dem Flecken Market Harborough an seine Frau telegraphiert haben: "Bin in Market Harborough. Wo sollte ich sein?" So wie er durch Zeit und Raum schluderte, erhob er den Anachronismus zur Methode. Er stellte sich in seinen Geschichten und Essays vor, was das Mittelalter aus unserem Rundfunk gemacht hätte, versetzte einen schirmtragenden Londoner nach Sibirien oder ließ einen Professor Zulu-Tänze auf dem Rasen vollführen. Das Ungleichzeitige war sein Metier, und das ist eine gute Voraussetzung für Propheten.

Als einen Propheten mit spitzer Feder präsentiert der Aachener Theologe und Literaturwissenschaftler Gisbert Kranz, einer der besten Kenner christlicher Literatur, den englischen Autor. Chesterton beeindruckte nicht nur durch Körperumfang und Katholizismus, sondern eben auch durch hellsichtige Vorwegnahmen unserer Gegenwart. Seiner zitatenreichen Studie stellt Kranz Kronzeugen für Chesterton voran, die alle aus einem weltanschaulich anderen Lager stammen. Ob Hannah Arendt, Franz Kafka, Henry Miller, Ernst Bloch oder Jorge Luis Borges, in ihrer Lobpreisung des Briten geben sie den christlichen Lesern dieses Buches das Gefühl, Chesterton habe sie mitten in die Moderne mitgenommen. Ein Spagat sicherlich, aber Kranz nimmt die Herausforderung mit Verve und klarer Aussprache an. Darin folgt er durchaus seinem Vorbild Chesterton, der einmal schrieb: "Vielsilbige Fremdwörter rattern an uns vorüber wie lange Eisenbahnzüge. Wir wissen, daß sie Tausende befördern, die zu müde oder zu träge sind, zu Fuß zu gehen und selbst zu denken. Es ist eine gute Übung, einmal zu versuchen, eine Ansicht, die man vertritt, in einsilbigen Wörtern auszudrücken."

Chestertons Anziehungskraft hat in der Tat mit seiner Sprache zu tun, und diese läßt sich als eine Summe moralischer oder, besser, religiöser Entscheidungen verstehen. Chesterton schreibt anschaulich, weil er die Sprache als etwas Leibliches empfindet und sie für ihn gleichsam ein Mittel der Inkarnation ist. Sein Wort will immerzu Fleisch werden, geradezu physisch erlebbar sein, ob als Schreck oder als Erzittern des Zwerchfells im Lachen.

Die Zitate, die Kranz aus dem umfangreichen Gesamtwerk Chestertons zusammengestellt und kenntnisreich kommentiert hat, enthalten fast alle diese Komponenten, den Schock und die Komik. Beide verbinden sich im Paradox, in dem Chesterton ein Meister ist. Gesellschaft, Wissenschaft-Technik, Politik, Globalisierung, Moral und Glaube bilden thematische Schwerpunkte bei Kranz. Chesterton gelingt es immer wieder, das Alte in einem neuen Licht wiederzuentdecken, und in dieser Verfremdung ähnelt er den Modernisten, die allerdings längst nicht so witzig sind.

So macht er aus der Konvention der Familie ein echtes Abenteuer: "Das höchste Abenteuer ist nicht, sich zu verlieben. Das höchste Abenteuer ist, geboren zu werden. Da gehen wir in eine prächtige und erschreckende Falle. Vater und Mutter liegen für uns auf der Lauer und stürzen sich auf uns wie Räuber aus dem Busch. Der Onkel ist eine Überraschung." Die Familie ist ein Märchen, und sie ist eine gute Institution, weil sie unsympathisch ist: Das Baby findet sich unter lauter Fremden wieder. Wer gegen sie revoltiert, revoltiert aber gegen die Menschheit. Kranz schildert Chestertons politisches Engagement, etwa gegen Eugenik und Imperialismus, doch geht die Rechnung hier zu glatt auf, da etwa die antijüdischen und antifeministischen Züge unterschlagen werden. Den dunkleren Chesterton möchte Kranz seinen Lesern, begeisterungsfähigen aufgeklärten Christen, doch lieber ersparen, den Antipazifisten ebenso wie den Kreuzfahrer und Kritiker des Islams. Um so stärker stellt er den Menschenfreund in den Vordergrund, den Freund des sinnlichen Vergnügens, den Verspotter von Okkultismus, Esoterik und Synkretismus, aber auch den Gegner von Faschismus und Kommunismus, den eingefleischten antitotalitären Denker.

Die Realität des Sozialismus etwa hat er früh, um 1910, schon als faulen Kompromiß diagnostiziert: Es sei einer der kuriosesten Fälle der Geschichte gewesen, als man beschloß, alles zu tun, was jemals dem Sozialismus vorgeworfen wurde, und nichts von dem, was jemals vom Sozialismus begehrt wurde. Das eigentliche Problem der Spezialisierung wiederum bestehe darin, daß die Experten auf Gebieten, wo sie keine Experten sind, überraschend unwissend sind. Oder zur Arbeitslosigkeit: Der technische Fortschritt führe dazu, daß die Menschen den Maschinen angepaßt würden, die sie am Ende nicht mehr brauchten. Der Mensch müsse aber statt dessen ein Riese sein, dem die Maschine als Spielzeug diene. Auch ist Chesterton einer der ersten, für den die Globalisierung eine schmerzhafte Realität ist. Schon um 1930 schrieb er, daß die zunehmende Nähe der Menschen durch Information und Kommunikation auch zu einer Zunahme der Konflikte führen werde. Je näher man geographisch-technisch rücke, desto weiter entferne man sich geistig voneinander. Es ist wohl auch kein Zufall, daß der Medienphilosoph Marshall McLuhan sich von Chesterton inspirieren ließ.

Aber machen ihn solche Erkenntnisse zu einem Propheten? Ist es nicht eher die Erkenntnis der blinden Flecke, die eine jede Zeit von sich hat und aus denen sich Zukunft entwickelt? Die Zukunft, die niemand voraussehen kann als einer, der so außer seiner Zeit steht, daß er deren toten Winkel in den Blick bekommt? Chestertons Kristallkugel zeigt weniger die Zukunft als vielmehr die Tiefenschichten seiner eigenen Zeit; und je tiefer diese liegen, desto länger wirken sie fort.

Man sollte nicht vergessen, daß Chesterton selbst der größte Kritiker moderner Propheten war. H. G. Wells und G. B. Shaw etwa verfolgte er mit Sympathie und Spott zugleich, und sein Roman "Der Held von Nottinghill" ist unter anderem eine Auseinandersetzung mit Propheten. Das Buch erschien 1904, doch die Handlung spielt in einem London des Jahres 1984, von dem Orwell sich nichts träumen ließ. Chesterton beginnt ihn mit Bemerkungen über die Kunst des Prophezeiens: "Die menschliche Rasse, der wohl so mancher meiner Leser angehört, hat von ihrem Anbeginn an Kinderspiele gespielt", und eines davon heiße "Den Propheten Lügen strafen". "Die Mitspieler hören dabei sehr genau und ehrerbietig auf alles, was die gescheiten Männer über das sagen, was in der nächsten Generation geschehen soll. Die Mitspieler warten dann, bis die gescheiten Männer tot sind, und begraben sie hübsch ordentlich. Dann gehen sie hin und tun das Gegenteil." Chesterton tat und dachte immer das Gegenteil, und deswegen ist er unser Zeitgenosse.

ELMAR SCHENKEL

Gisbert Kranz: "Gilbert Keith Chesterton. Prophet mit spitzer Feder." Mit Zeichnungen Chestertons. Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2005. 166 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Chesterton lesen, heiße, Sprache lesen und genießen, bekennt Rezensent Elmar Schenkel. Gisbert Kranz habe sein Chesterton-Porträt mit Zitaten aus dem Gesamtwerk ausgestattet und "kenntnisreich kommentiert". Allesamt trügen sie die Markenzeichen des Meisters: "Schock und Komik". Als eingefleischter Nonkonformist und mentaler Schwerenöter schlage Chesterton aus jedem seiner Themenbereiche - "Gesellschaft, Wissenschaft, Politik, Globalisierung, Moral und Glaube" - provozierende Funken. Der Rezensent weist dezent darauf hin, dass es neben dem von Gisbert Kranz präsentierten "Verspotter von Okkultismus", dem Imperialismus- sowie Totalitarismuskritiker, dem Propheten der Globalisierungseffekte, kurz, dass es neben dem "Menschenfreund" Chesterton auch einen "dunkleren", "antijüdischen und antifeministischen" "Kreuzfahrer" namens Chesterton gegeben habe. Bei der Frage nach dem Prophetentum Chestertons, wie es von Kranz herausgestellt werde, plädiert der Rezensent für einen derart ungleichzeitigen Zeitgenossen, dass er die gegenwärtigen "blinden Flecken" einer Gesellschaft zu sehen vermochte.

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