Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Dafür, dass der Autor eine dermaßen undankbare Aufgabe übernimmt, meint unser Rezensent großzügig, müsse man ihm einfach dankbar sein. Dabei lässt Stefan Weidner keinen Zweifel daran: Dieses Projekt kann gar nicht funktionieren. Es wäre geradeso, als bauten die Griechen ihre Tempel wieder auf und ließen Vestalinnen aufziehen, ein Disneyland, ganz fürchterlich. Weshalb sich Weidner drauf verlegt, uns die Fakten und, im Kern, das Epos selbst zu vermitteln, um schließlich wieder zur aktuellen Übertragung zurückzukehren. Die nun krankt laut Rezensent an dem Versuch des Autors, die, zunächst mit aller Gewissenhaftigkeit und Transparenz, wie Weidner betont, rekonstruierte Fassung einigermaßen willkürlich zu ergänzen. Das wird dann eine "Hochglanzfassung" der altbabylonischen Überlieferungen, ein "psychologisierender Kostümfilm", eine "schwüle Klamotte," und die "archaische Wucht," die sich für Weidner gerade in den Trümmern und Textlücken des uralten Epos' eingelagert hat, verpufft. Dass Weidner dennoch prophezeit, um diese Übertragung werde niemand herumkommen, der sich für Gilgamesh auf Deutsch interessiere, verweist am Ende nochmals auf die Undankbarkeit einer Aufgabe, an die sich seit 1934 niemand mehr rangetraut hat.
© Perlentaucher Medien GmbH