Deleuze verschränkt modale Zeitphilosophie und nietzscheanische Werdensphilosophie auf eigentümliche Weise. Einerseits untersucht er Zeit als medienabhängiges Sprachspiel, andererseits sucht er nach dem 'Wesen' des Differenten in Gestalt von 'un peu de temps à l'état pur'. Den Asinotropie-Gedanken der Zeitphilosophie beibehaltend, ist alles Werden bei Deleuze Folge von Asymmetrie. Der ursprungsphilosophische Rückgang bleibt verwehrt. Zeit - wie ein reelhomogenes Diskontinuum über einer fragilen Synthese aus Sukzessivität und Simultaneität errichtet - wird zum Modell für Differenzphilosophie. - Letztlich führt die Verschränkung von Zeit- und Werdensphilosophie zum Aufbrechen der modalzeitlichen Trias. Hintergrund sind Deleuzes Kritik (a) an der Rückführung modalzeitlicher Momente auf modallogische Argumente, (b) an der Auszeichnung einer aktuell wahrnehmbaren Wirklichkeit (Gegenwart) als Beglaubiger und Maß der anderen beiden, virtuell genannten Zeiten, womit Hegels Zurückweisung einer unmittelbaren sinnlichen Gewißheit aufgenommen wird.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Michael Mayer wägt zwei Wege der Deleuze-Deutung ab und entscheidet sich eindeutig: Während ein eben erschienendes Buch von Alain Badiou zeige, wie fehlleitend es ist, Gilles Deleuze entgegen der vorherrschenden Überzeugung als heimlichen Metaphysiker ungebrochen klassischer Prägung zu "entdecken", demonstriere Mirjam Schaub "überzeugend, wie fruchtbar es ist, Deleuze als Dissidenten in den Kontext der abendländischen Philosophie zu (re)integrieren". Schaub ziele dabei auf den Deleuze Begriff des Zeitlichen ab und arbeite gewitzt ein "fernes Echo auf die augustinische Frage nach dem Rätsel der Zeit" aus seinem Denken heraus. Inspiriert von Prousts Meisterwerk war Deleuze auf der Suche "nach der Möglichkeit einer anderen Zeit, die mit der Ordnung chronologischer Zeit bricht", um das, was war, was ist und was sein wird, koexistieren zu lassen. Eine überaus gelungene Studie, findet der Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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