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Der italienische Maler, Baumeister und Begründer der modernen Kunstgeschichtsschreibung Giorgio Vasari wurde 1511 in Arezzo geboren. Nach einem erfolgreichen Leben starb er, der Planer des neuen Florenz, im Jahr 1574. Sein Leben und Werk, der italienischen Kunst und Kultur im Machtbereich der Medici ganz eng verbunden, werden hier eindrücklich dargestellt.

Produktbeschreibung
Der italienische Maler, Baumeister und Begründer der modernen Kunstgeschichtsschreibung Giorgio Vasari wurde 1511 in Arezzo geboren. Nach einem erfolgreichen Leben starb er, der Planer des neuen Florenz, im Jahr 1574. Sein Leben und Werk, der italienischen Kunst und Kultur im Machtbereich der Medici ganz eng verbunden, werden hier eindrücklich dargestellt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.1998

Baumeister des eigenen Lebens
Dem Mann ist doch zu trauen: Giorgio Vasari wird zu dem, was er war / Von Andreas Beyer

Die Frage, ob dem italienischen Kunstliteraten Giorgio Vasari (1511 bis 1574) zu trauen sei, beschäftigt manche Kreise der Kunstgeschichte noch immer. Das hartnäckige Beharren auf Bestimmung des wirklichen Quellenwerts und der Faktentreue des wohl folgenreichsten OEuvres der Kunstgeschichte verrät freilich weitgehende Unempfindlichkeit angesichts des eigentümlichen Kunstcharakters, der diesem Werk selbst zukommt. Lange herrscht ja schon Gewißheit darüber, daß Vasaris "Leben der ausgezeichnetsten Maler, Bildhauer und Baumeister" - jenes monumentale, zunächst im Jahre 1550 und dann, erheblich ergänzt und überarbeitet, noch einmal 1568 in Florenz erschienene "Geschichtswerk" zur Entwicklung der Kunst der italienischen Renaissance von Cimabue bis zu Michelangelo - ein virtuoses Konstrukt aus Dichtung und Wahrheit darstellt.

Gewiß, als historiographisches Modell für die Kunstgeschichte halten sich Vasaris "Viten" zäh am Leben ; die Normen seiner Kunstlehre blieben omnipräsent und sollten erst am Beginn des neunzehnten Jahrhunderts, am entschiedensten durch Carl Friedrich von Rumohr, überwunden werden. Und so, wie die Kunstgeschichte sich damals zur historisch-kritischen Forschungsdisziplin wandelte, geriet Vasari dabei selbst zum bevorzugten Gegenstand der Quellenkritik. Das vielleicht schönste Buch zu Vasari bleiben Wolfgang Kallabs nachgelassene Fragmente, die 1908 als "Vasari-Studien" erschienen sind. Sie sind seither, rätselhaft genug, nie wieder aufgelegt worden. Dabei erörtert das aus der "Wiener Schule" um Julius von Schlosser hervorgegangene Buch Fragen nach dem empirischen Gehalt von Vasaris Biographik, die bis heute offenbar unverändert virulent geblieben sind.Im Detail ist die Forschung hierbei durchaus vorangekommen, grundsätzlich aber hat sie Kallab bis heute in dieser Hinsicht nicht wirklich Neues entgegenzusetzen vermocht.

Ein wirksamer, neuer Impuls dagegen ist in jüngster Zeit von einer Konzentration auf die literarischen Aspekte der Viten ausgegangen. Wenn die Rolle Vasaris als "Historiker" aber weiter umstritten bleibt, dann auch, weil in der Kunstgeschichte recht unterschiedliche Vorstellungen davon kursieren, was denn einen Historiograph des 16. Jahrhunderts nun tatsächlich auszeichnet. So ist es denn immerhin möglich, daß die humanistische Geschichtsschreibung der Kunst anderen Regeln folgte als die der allgemeinen Historie. Aber unabhängig davon muß gelten, daß die "Viten" vor allem ihrer literarischen Qualität wegen ein Kunstwerk aus eigenem Recht und als solches eine unersetzliche Quelle darstellen. Wer ihnen Mangel an wissenschaftlicher Akkuratesse vorwirft, reduziert einen der Gründungstexte der modernen italienischen Prosa auf den Rang einer akademischen Qualifikationsschrift.

Das vieldiskutierte, opulente Werk hat einen großzügigeren Blick auf die erstaunliche Karriere Vasaris insgesamt verstellt. Heute weithin nur als Herold der Kunstgeschichte und -politik seiner Wahlheimat Florenz im Gedächtnis, expandierte seine eigene Biographie tatsächlich in so viele Richtungen, daß man in ihm vielleicht den vielseitigsten Hofkünstler erkennen darf. Als Ausstattungskünstler, Porträtist und Freskenmaler hat er die dynastische Politik seiner Gönner, der mediceischen Herzöge, befördert. Den Ruhm mehrerer Päpste verbreitete er über die Wände der "Sala dei Centro Giorni" der römischen "Cancelleria" wie über die der "Sala Reggia" im Vatikan. Als Architekt der Florentiner Uffizien, ursprünglich ein Verwaltungsbau, schuf er jenes Gehäuse, das bis heute das von ihm sanktionierte Geschichtsbild der Kunst der Neuzeit weitgehend intakt bewahrt.

Die von Philip Jacks jetzt vorgelegten Akten eines 1994 in Yale ausgetragenen Symposions helfen, eine sich abzeichnende Dichotomie zu überwinden, die den Schriftsteller vom Künstler auf Dauer zu trennen drohte. Aus ihnen tritt eine ebenso ehrgeizige wie widersprüchliche, vor allem aber kompliziertere Künstlerpersönlichkeit zutage, als sie die Forschung bislang hat fassen können. Zudem gelingt es diesem Band, Vasari in die kulturellen Produktionsbedingungen des Florentiner Cinquecento schlüssig einzuordnen.

Den "Viten" etwa nähert man sich hier aus ganz neuer, vielversprechender Perspektive. So interessieren die Auslassungen und das Ungesagte mehr, als Wortgläubigkeit oder schiere Skepsis. Wie sich ein Künstler der Zeit vorkommen mußte, der in den "Viten" nicht vorkam, hat als beredter Ausdruck einer bewußt tendenziös arbeitenden Biographik zu gelten, die nicht zuletzt auch einer Cliquenwirtschaft und brisanten Konkurrenzverhältnissen geschuldet ist, auf die hier von Elizabeth Pilliod ein besonders erhellendes Licht geworfen wird. Die oft stilisierte, dabei aber stets entzündliche Beziehung zwischen Literaten und Künstlern wird von Paolo Rossi am Beispiel von Vasaris wohl talentiertestem Antagonisten, Benvenuto Cellini, erörtert.

Mit seiner eigenen, pikaresken Lebensbeschreibung hat er, als provokanter Grenzgänger zwischen Wort und Bild, die Florentiner Geisteswelt des Späthumanismus bewußt herausgefordert. Vasari dagegen verdankte seinem entspannteren Umgang mit den Literaten, zumal mit Vincenzo Borghini und der in dessen Umkreis besonders gepflegten Kultur der "conversazione", unverzichtbare Präzisierungen der eigenen Überzeugungen, namentlich in bezug auf die Theorisierbarkeit der künstlerischen Praxis, wie David Cast zu zeigen vermag.

In ihrer Bedeutung nicht zu überschätzen sind die Beiträge über die Sammlungsaktivitäten Vasaris. Nicht nur wird er als Pionier moderner Sammlungspraxis und frühen Connaisseurtums faßbar: In seinem legendären, heute verlorenen "Libro dei Disegni" versammelte Vasari die Handzeichnungen all jener Meister, die er als Vorbilder bewunderte oder deren Werk er sichdurch Studium und Imitation aneignete. Das heute weitgehend verlorengegangene Bewußtsein für die eminente Rolle der Zeichnung bei Ausbildung, Erfindung und technischer Verfeinerung wird in Florian Härbs glänzendem Aufsatz wirkungsvoll wieder eingeklagt.

Es ist vor allem ein unerwarteter Quellenfund vom Ende der achtziger Jahre, der die Kenntnis der vielfältigen Aktivitäten Vasaris und deren Komplexität auf neue Grundlagen hat stellen lassen. Im Archiv der Florentiner Familie Spinelli überdauerten unangetastet Vasaris Testamente, Verträge, flüchtige Notate, "ricordi" oder Inventare seiner privaten Gemäldesammlungen. Die Beiträge dieses Bandes, die diesen Fund erstmals ausgiebig verwerten, lassen erwarten, daß auch die weitere Vasari-Forschung erheblich davon profitieren wird.

Sie erweisen darüber hinaus, daß es bei zunehmender Spezialisierung und kaum mehr zu bewältigender Literaturfülle heute nicht gelingen kann, dieses vielgestaltige OEuvre im Alleingang zu erschließen.

Dagegen hat, ohne weitere Berührungsangst - da aber als Nicht-Kunsthistoriker auch in vorteilhafterer Ausgangsposition - Roland Le Mollé eine Vasari-Biographie geschrieben, die jetzt in deutscher Übersetzung erscheint. Mit Empathie und Distanz und dazu souverän gestützt auf die - vor allem ältere - Forschungsliteratur gelingt ihm eine vertiefende Gesamtschau und eine bemerkenswerte Syntheseleistung. Vasaris unvergleichlicher Lebenslauf wird aus dem heimischen Arezzo über die zwei Epizentren seiner Karriere, Rom und Florenz, bis an die vielen Nebenschauplätze seiner emsigen Tätigkeit verfolgt. Den Spezialisten mag und will das Buch nicht viel Neues bieten, es fordert sie gleichwohl zu einem integraleren Bewußtsein heraus.

Ungeachtet gelegentlicher Gemeinplätze und einer nicht durchgängig das Niveau haltenden Übersetzung, empfiehlt sich Le Mollés Biographie aber zur allgemeinen Orientierung und Einführung in eine der facettenreichsten und entscheidensten Phasen der europäischen Kultur. Und besonders sinnfällig ist es, daß sie ihren Helden in einer Gattung würdigt, die dieser selbst zu früher, epochaler Meisterschaft geführt hat.

Philip Jacks (Hrsg.): "Vasari's Florence". Artists and Literati at the Medicean Court. Cambridge University Press, Cambridge 1998. 320 S., 109 Abb., geb., 45,- Pfund.

Roland Le Mollé: "Giorgio Vasari". Im Dienst der Medici. Aus dem Französischen übersetzt von Sylvia Höfer und Theresia Übelhör. Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1998. 535 S., 26 Abb., geb. 68,- DM.

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