Eva und Henry teilen die gleichen Vorlieben: Alkohol und andere Drogen, lange Nächte und kurze Erinnerungen. Sie huldigen dem Exzess wie einer Religion, und sie glauben, der Rausch von Champagner in einer Hotelbar ist eleganter als der von billigem Fusel in einer Absteige. Sie halten sich für etwas Besseres als die Süchtigen, die verloren auf der Straße torkeln. Doch Evas Überzeugungen geraten bald ins Wanken, und auch ihr Körper zeigt die ersten Verschleißerscheinungen. Zumindest bei Tageslicht. Es dämmert ihr, dass der Abgrund, auf den sie zusteuert, tiefer ist als gedacht.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.05.2017NEUE TASCHENBÜCHER
Zwischen Entzug
und Verlassenheit
Wer geglaubt hat, Bohème sei etwas Romantisches und gut für die Oper, dem tut sich hier eine Welt auf. Anne Philippi erzählt anhand ihrer Helden Eva und Henry von einer neben dem Großstadt-Alltag unauffällig parallelen Welt, in der das schiere Überleben an die Dinge gekoppelt ist, die bei anderen Leuten Luxus und Freude, bei ihnen aber harte Währung sind: Drogen, Sex, extravagante Partys, die zu exzessiven Nächten werden. Die Autorin hat die Nutznießer der Glamourwelt beobachtet, wie sie mit Habichtblick ihre Mitmenschen mustern und taxieren. Snobbisch, kalt, verlässlich in ihrer Berechnung und berechenbar nur für ihresgleichen, überraschend, faszinierend, bei Bedarf unterhaltsam und immer schon einen Winkelzug weiter. Von solchen Menschen wird nur selten erzählt, Philippi lotet sie aus bis in die Verzweiflung zwischen Entzug und Verlassensein. Walter Serners Tigerin fuhr an die Côte, um Verehrer auszunehmen. Eva landet in Porto Cervo und will wieder heim in ihre Welt glänzender Schatten. „Giraffen“ heißen die Mädchen, die es schaffen, dabei heil zu bleiben. Eva hat sie zum Vorbild – ein fragiler Lebensentwurf. RUDOLF VON BITTER
Anne Philippi: Giraffen.
Roman. Kein und Aber Verlag, Zürich 2017.
224 Seiten, 13 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Zwischen Entzug
und Verlassenheit
Wer geglaubt hat, Bohème sei etwas Romantisches und gut für die Oper, dem tut sich hier eine Welt auf. Anne Philippi erzählt anhand ihrer Helden Eva und Henry von einer neben dem Großstadt-Alltag unauffällig parallelen Welt, in der das schiere Überleben an die Dinge gekoppelt ist, die bei anderen Leuten Luxus und Freude, bei ihnen aber harte Währung sind: Drogen, Sex, extravagante Partys, die zu exzessiven Nächten werden. Die Autorin hat die Nutznießer der Glamourwelt beobachtet, wie sie mit Habichtblick ihre Mitmenschen mustern und taxieren. Snobbisch, kalt, verlässlich in ihrer Berechnung und berechenbar nur für ihresgleichen, überraschend, faszinierend, bei Bedarf unterhaltsam und immer schon einen Winkelzug weiter. Von solchen Menschen wird nur selten erzählt, Philippi lotet sie aus bis in die Verzweiflung zwischen Entzug und Verlassensein. Walter Serners Tigerin fuhr an die Côte, um Verehrer auszunehmen. Eva landet in Porto Cervo und will wieder heim in ihre Welt glänzender Schatten. „Giraffen“ heißen die Mädchen, die es schaffen, dabei heil zu bleiben. Eva hat sie zum Vorbild – ein fragiler Lebensentwurf. RUDOLF VON BITTER
Anne Philippi: Giraffen.
Roman. Kein und Aber Verlag, Zürich 2017.
224 Seiten, 13 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de