Halloween in Mexiko - All-Gay-Cruise - ein Kreuzfahrtschiff auf der Rundreise zwischen Long Beach, Südkalifornien und Puerto Vallarta, Mexiko. An Bord über 3000 Männer, die genügend Zeit und Platz für den Leitspruch der Reise haben: "Endless Fun. Your Way". Aufgrund eines Missverständnisses um die Bedeutung des Begriffs "Gay Cruising" begibt sich der Journalist Steven M. Brown im Auftrag seines Verlags an Bord der Carnival Splendor, um eine Reportage über diese siebentägige Non-Stop-Party zu schreiben. Zwischen endlosen Unterhaltungsshows, hedonistischem Körperkult, Partys im Swimmingpool und strassbesetzten Badehosen wird Brown zum genauen Beobachter seiner ungewöhnlichen Umgebung und einzigartigen Mitreisenden.Glänze, Gespenst! ist eine sensible und zugleich schreiend komische Betrachtung einer skurrilen Amüsiermaschine auf hoher See á la David Foster Wallace und zudem die bewegende Liebesgeschichte zweier Menschen, die voneinander getrennt sind. Eine Geschichte über die großenund kleinen Entscheidungen und darüber, worauf es im Leben eigentlich ankommt.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2015Schwermut auf hoher See
Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist gay. Mit dreitausend schwulen Männern an Bord kann da eigentlich nichts mehr schiefgehen. Denkste! Denn unter den Passagieren, die sieben Tage All-gay-cruising auf der "Splendor" gebucht haben, ist auch Steven M. Brown mit an Bord, Journalist, Leiter des Oliver Art Center in Michigan und unter Trennungsschmerz Leidender. Was für uns Leser nichts Gutes verheißt, denn es bedeutet: So denn lasst fahren alle Fleischlichkeit! Schluss also mit "Endless Fun", dem Motto des - selbstredend schwulen - Reiseveranstalters, der das Kreuzschiff für die Tour von Long Beach, Südkalifornien, nach Puerto Vallarta, Mexiko, gechartert hat. Schlimmer noch, ein deutscher Verlag hat den jungen Amerikaner beauftragt, ein Buch über die schwule Kreuzfahrt zu schreiben. Wem fiele nicht augenblicklich die von David Foster Wallace für "Harper's Magazine" verfasste Kreuzfahrtreportage "Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich" ein? Eben. Entsprechend häufig wird das Werk des berühmten Kollegen zitiert. Wallace ist freilich nicht genug. Auch der Talking-Heads-Frontmann David Byrne, Mark Twain und Hermann Hesse werden bemüht. Irgendwann beginnt man sich zu fürchten, wann das nächste kluge Zitat, wahlweise der nächste Verweis auf Wagners "Tristan und Isolde" oder auf Bachsche Klaviervariationen, aus der Bildungskiste gezerrt wird. Was jedesmal unweigerlich folgt, sind bedeutungsschwangere Betrachtungen eines Mannes, der sich nach seinem in der ostdeutschen Provinz zurückgebliebenem Lebensgefährten sehnt. Das kann nur schwermütig enden. Und tut es auch. Trost spendet allein eine trotz aller sauertöpfischen Gedanken immer wieder ungewollt aufflackernde Komik. "Frische weiße Vogelkacke wird sich an einer Stelle sammeln und auf dem nackten Beton hervorstechen wie die letzte Szene irgendeines wiederentdeckten Brecht-Stücks" heißt es da etwa, als die bunte Meute den Abfahrtspier entert. Sehr amüsant, aber lustig oder gar gay ist etwas anderes. Wir empfehlen, bei der nächsten Kreuzfahrt erstens den Geliebten mit aufs Schiff zu nehmen und zweitens auf gar keinen Fall die Halloween in Mexico-Party zu verpassen. Ahoi!
ksi
"Glänze, Gespenst! Über Hoffnung und Verzweiflung einer schwulen Kreuzfahrt" von Steven Matthew Brown. Haffmanns & Tolkemitt, Berlin 2014. 336 Seiten. Gebunden, 19,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist gay. Mit dreitausend schwulen Männern an Bord kann da eigentlich nichts mehr schiefgehen. Denkste! Denn unter den Passagieren, die sieben Tage All-gay-cruising auf der "Splendor" gebucht haben, ist auch Steven M. Brown mit an Bord, Journalist, Leiter des Oliver Art Center in Michigan und unter Trennungsschmerz Leidender. Was für uns Leser nichts Gutes verheißt, denn es bedeutet: So denn lasst fahren alle Fleischlichkeit! Schluss also mit "Endless Fun", dem Motto des - selbstredend schwulen - Reiseveranstalters, der das Kreuzschiff für die Tour von Long Beach, Südkalifornien, nach Puerto Vallarta, Mexiko, gechartert hat. Schlimmer noch, ein deutscher Verlag hat den jungen Amerikaner beauftragt, ein Buch über die schwule Kreuzfahrt zu schreiben. Wem fiele nicht augenblicklich die von David Foster Wallace für "Harper's Magazine" verfasste Kreuzfahrtreportage "Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich" ein? Eben. Entsprechend häufig wird das Werk des berühmten Kollegen zitiert. Wallace ist freilich nicht genug. Auch der Talking-Heads-Frontmann David Byrne, Mark Twain und Hermann Hesse werden bemüht. Irgendwann beginnt man sich zu fürchten, wann das nächste kluge Zitat, wahlweise der nächste Verweis auf Wagners "Tristan und Isolde" oder auf Bachsche Klaviervariationen, aus der Bildungskiste gezerrt wird. Was jedesmal unweigerlich folgt, sind bedeutungsschwangere Betrachtungen eines Mannes, der sich nach seinem in der ostdeutschen Provinz zurückgebliebenem Lebensgefährten sehnt. Das kann nur schwermütig enden. Und tut es auch. Trost spendet allein eine trotz aller sauertöpfischen Gedanken immer wieder ungewollt aufflackernde Komik. "Frische weiße Vogelkacke wird sich an einer Stelle sammeln und auf dem nackten Beton hervorstechen wie die letzte Szene irgendeines wiederentdeckten Brecht-Stücks" heißt es da etwa, als die bunte Meute den Abfahrtspier entert. Sehr amüsant, aber lustig oder gar gay ist etwas anderes. Wir empfehlen, bei der nächsten Kreuzfahrt erstens den Geliebten mit aufs Schiff zu nehmen und zweitens auf gar keinen Fall die Halloween in Mexico-Party zu verpassen. Ahoi!
ksi
"Glänze, Gespenst! Über Hoffnung und Verzweiflung einer schwulen Kreuzfahrt" von Steven Matthew Brown. Haffmanns & Tolkemitt, Berlin 2014. 336 Seiten. Gebunden, 19,95 Euro.
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