Die Kurtisane Esther und der junge Dichter Lucien de Rubempré lieben einander. Doch auch Nucingen, ein reicher Pariser Bankier, ist von Esthers Schönheit fasziniert, und ihm ist jedes Mittel recht, sie zu besitzen. In seinem Roman Glanz und Elend der Kurtisanen präsentiert Balzac eine umfassende Studie der Pariser Unterwelt, einer Welt der großen und kleinen Gauner, der Prostitution und der Methoden von Justiz und Polizei. In keinem seiner anderen Werke ist das Leitthema der Comédie humaine, die vernichtende Gewalt der Leidenschaft, an Angehörigen so vieler Gesellschaftsschichten gleichzeitig entwickelt. Und in keinem anderen Werk Balzacs ist die Kritik an der zeitgenössischen Gesellschaft so scharf formuliert wie in seinem Kurtisanenroman.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.01.19971846
Honoré de Balzac "Wohin schlechte Wege führen"
Jetzt kommen für uns (für ihn enden sie) die Jahre Balzacs - daß Balzac nicht vollständig, auch nicht entfernt vollständig deutsch zu haben ist, gehört zu den verlegerischen Eigenarten der eher scheußlichen Art (aber Balzac wird bei uns kaum richtig gelesen). 1846 erscheint, etwas bilderbogenmäßig betitelt, "Wohin schlechte Wege führen", das ist nach "Wie leichte Mädchen lieben" und "Was alte Herren sich die Liebe kosten lassen" und vor dem abschließenden, ganz überwältigenden "Letzten Abenteuer Vautrins" (von 1847; aber auch hier in unserm Roman hat Balzac das ganze Erzähltempo schon merklich beschleunigt) der dritte Teilroman vom "Glanz und Elend der Kurtisanen": dieser Großroman erzählt die Geschichte jenes ehrgeizigen schönen jungen Lucien weiter, dessen frühere Schicksale Balzac in dem andern großen Mehrteiler geschildert hatte, den "Verlorenen Illusionen". Der Geheimnisvolle, der ihn dort am Ende vor dem Selbstmord bewahrt, ist jener Vautrin, der ihn hier, im Kurtisanen-Zyklus, mit der süßen Esther verkuppelt, die dann unbedingt ("Was alte Herren sich die Liebe kosten lassen") der alte Bankier Nucingen haben will; Esther bringt sich um, daraufhin auch, verzweifelt, weil er wegen Mordes angeklagt wird, Lucien: den wieder hat einmal eine der schönsten Frauen Balzacs geliebt, die hinreißende Diane de Maufrigneuse - und es ist einer der ganz großen Einfälle Balzacs, uns zusehen zu lassen, wie diese Frau sich ankleidet, als sie ins Gericht eilt, wo ihr einstiger Geliebter gefangen ist, und wie sie dann außer sich gerät, ohne alle Koketterie, als sie von seinem Tod erfährt. In der Anordnung seiner Romane in der "Comédie humaine" hat Balzac dem "Glanz und Elend der Kurtisanen" unmittelbar einen ganz kurzen Roman folgen lassen, "Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan" - diese Cadignan ist eben jene schöne Maufrigneuse, die nun ihre letzte große Liebe Daniel d'Arthez schenkt, dem Schriftsteller, in welchem zweifellos sich Balzac selber geliebt wissen wollte von einer solchen Frau, und niemals begreift man ihn besser. (Honoré de Balzac: "Glanz und Elend der Kurtisanen". Aus dem Französischen übersetzt von Felix Paul Greve. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1990. 636 S., br., 20,- DM; auch, in andrer Übersetzung, bei Diogenes, 817 S., br., 19,80 DM.) R.V.
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Honoré de Balzac "Wohin schlechte Wege führen"
Jetzt kommen für uns (für ihn enden sie) die Jahre Balzacs - daß Balzac nicht vollständig, auch nicht entfernt vollständig deutsch zu haben ist, gehört zu den verlegerischen Eigenarten der eher scheußlichen Art (aber Balzac wird bei uns kaum richtig gelesen). 1846 erscheint, etwas bilderbogenmäßig betitelt, "Wohin schlechte Wege führen", das ist nach "Wie leichte Mädchen lieben" und "Was alte Herren sich die Liebe kosten lassen" und vor dem abschließenden, ganz überwältigenden "Letzten Abenteuer Vautrins" (von 1847; aber auch hier in unserm Roman hat Balzac das ganze Erzähltempo schon merklich beschleunigt) der dritte Teilroman vom "Glanz und Elend der Kurtisanen": dieser Großroman erzählt die Geschichte jenes ehrgeizigen schönen jungen Lucien weiter, dessen frühere Schicksale Balzac in dem andern großen Mehrteiler geschildert hatte, den "Verlorenen Illusionen". Der Geheimnisvolle, der ihn dort am Ende vor dem Selbstmord bewahrt, ist jener Vautrin, der ihn hier, im Kurtisanen-Zyklus, mit der süßen Esther verkuppelt, die dann unbedingt ("Was alte Herren sich die Liebe kosten lassen") der alte Bankier Nucingen haben will; Esther bringt sich um, daraufhin auch, verzweifelt, weil er wegen Mordes angeklagt wird, Lucien: den wieder hat einmal eine der schönsten Frauen Balzacs geliebt, die hinreißende Diane de Maufrigneuse - und es ist einer der ganz großen Einfälle Balzacs, uns zusehen zu lassen, wie diese Frau sich ankleidet, als sie ins Gericht eilt, wo ihr einstiger Geliebter gefangen ist, und wie sie dann außer sich gerät, ohne alle Koketterie, als sie von seinem Tod erfährt. In der Anordnung seiner Romane in der "Comédie humaine" hat Balzac dem "Glanz und Elend der Kurtisanen" unmittelbar einen ganz kurzen Roman folgen lassen, "Die Geheimnisse der Fürstin von Cadignan" - diese Cadignan ist eben jene schöne Maufrigneuse, die nun ihre letzte große Liebe Daniel d'Arthez schenkt, dem Schriftsteller, in welchem zweifellos sich Balzac selber geliebt wissen wollte von einer solchen Frau, und niemals begreift man ihn besser. (Honoré de Balzac: "Glanz und Elend der Kurtisanen". Aus dem Französischen übersetzt von Felix Paul Greve. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1990. 636 S., br., 20,- DM; auch, in andrer Übersetzung, bei Diogenes, 817 S., br., 19,80 DM.) R.V.
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