Die Dresdner Pegida-Märsche, die ab Winter 2014 eine Größe annahmen, die bundesweit für ein plötzliches Aufschrecken sorgte, wurden ausschließlich über Facebook-Seiten organisiert und angekündigt. Dass die Verteidiger des Abendlandes gegen den Islam es mit den christlichen Tugenden nicht so genau nahmen, wussten die Veranstalter. Sie löschten die in den Kommentaren geposteten Ausfälle und Tiraden ihrer Anhänger in regelmäßigen Abständen zusammen mit ihren eigenen Postings. Anfangs nur zu Dokumentationszwecken ließ 0x0a diese Kommentare durch ein Scraping-Script regelmäßig sammeln. Zwischen Dezember 2014 und Februar 2015 entstand so ein 282.596 Kommentare und 7.751.654 Wortformen umfassendes Textkorpus der Pegida-Sprache. Da es umfangreich genug war, um repräsentativ zu sein, stellten wir es zur weiteren Auswertung online. Ob Pegida nur Ängste artikulierte oder Hass schürte, ob sich unter ihrem Namen besorgte Bürger austauschten oder Rachephantasien Luft gemacht wurde, mit welcher Häufigkeit, Wertung und Ausgewogenheit Wörter wie "Systemmedien", "Lügenpresse", "Gutmenschen" oder "Islamisierung" auftauchten, wann zu Besonnenheit und wann zu Provokation aufgerufen wurde - all das konnte man nun nachlesen, parsen, quantitativ analysieren. Das Korpus steht noch immer zum Download bereit und ist in verschiedene sozialwissenschaftliche und sozio-linguistische Analysen eingeflossen. Man konnte das Korpus aber auch zur Grundlage künstlerischer Verarbeitung machen. Das ist der Versuch des Buchs 'Glaube Liebe Hoffnung'. Indem die angeblichen Verteidiger des christlichen Abendlandes mit den paulinischen Tugenden von "Glaube, Liebe, Hoffnung" konfrontiert wurden, ließ 0x0a sie selbst artikulieren, was sie glauben, lieben und hoffen. (An den Facebook-Kommentaren wurden keine Änderungen vorgenommen und die Originalorthografie beibehalten.) Dass vor allem Deutschland geliebt wird, überraschte weniger als die Wünsche der Kommentatoren, die von Umsturz- und Gewaltfantasien bestimmt sind. 'Glaube Liebe Hoffnung' erschien im Februar 2015. Heute, zwei Jahre später, scheint eine Wiederveröffentlichung angebracht. Der Text ist zu einem Blick auf Anfänge und inzwischen selbst historisch geworden. Er dokumentiert den Beginn einer schleichenden Normalisierung.
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