Von Aktivierung bis Zivilgesellschaft, von Beratung bis Wellness - das Glossar der Gegenwart versammelt Leitbegriffe von heute. Vierundvierzig Artikel untersuchen Konzepte von »mittlerer Reichweite«, aber hoher strategischer Funktion, die in den aktuellen Debatten eine Schlüsselstellung einnehmen: Deutungsschemata, mit denen die Menschen sich selbst und die Welt, in der sie leben, interpretieren; normative Fluchtpunkte, auf die ihr Selbstverständnis und Handeln geeicht sind; konkrete Verfahren, mit denen sie ihr Verhalten zu optimieren suchen. Die Artikel präparieren die Antinomien gegenwärtiger Selbst- und Sozialverhältnisse heraus und verbinden wissenschaftliche Analyse mit politischer Diagnostik und Kritik. In der Summe ergibt sich ein Register zeitgenössischer »Menschenregierungskünste« (Foucault).
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Gottfried Oy bleibt skeptisch. Zwar hat er wirkliche Einwände nur gegen den Beitrag über den Gender-Begriff. Den findet er zu undifferenziert. Ansonsten lässt er sich den Zugang über ein "Glossar zur Gegenwart" zu einer Gesellschaft, die sich, wie Foucault und Deleuze herausgearbeitet haben, von einer disziplinarischen zu einer kontrollierenden verändert hat, durchaus gefallen. Warum nicht gesellschaftliche Trends und Verschiebungen über Schlüsselbegriffe entfalten? Von "Aktivierung" bis zur "Zivilgesellschaft" in 44 Beiträgen? Die Herausgeber, die aus der Gouvernementalitäts-Debatte bekannt sind, wollen sich der Gesellschaft von unten nähern, so Oy, aus der Sicht des Alltags. Und der Rezensent findet das offenbar auch durchaus erhellend, wenn es um "Branding" als "Führungstechnologie" geht und um "Evaluationitis". Was Oy aber fehlt, ist die Berücksichtigung des Umstands, dass nach wie vor "sehr direkte Formen der Machtausübung" in Gebrauch sind - der Rezensent verweist zum Beleg auf die anstehenden Reformmaßnahmen der Bundesregierung. Das sei gutes, altes disziplinargesellschaftliches Verhalten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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