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Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme wird heute immer eindeutiger als einer der interessantesten und fruchtbarsten Ansätze im Bereich der Sozialwissenschaften anerkannt. Dieses Glossar ist ein Arbeitsinstrument, das einerseits als Einleitung in die komplexe Theorie Luhmanns dienen kann und das andererseits die Anwendung der von dieser Theorie angebotenen Begriffe erleichtern dürfte. Die Form des Glossars soll eine »modulare« Einstellung zur Theorie ermöglichen. Die Erläuterungen zu einem Begriff umfassen durchschnittlich drei bis vier Seiten. Zu jedem Begriff gibt es eine Reihe…mehr

Produktbeschreibung
Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme wird heute immer eindeutiger als einer der interessantesten und fruchtbarsten Ansätze im Bereich der Sozialwissenschaften anerkannt. Dieses Glossar ist ein Arbeitsinstrument, das einerseits als Einleitung in die komplexe Theorie Luhmanns dienen kann und das andererseits die Anwendung der von dieser Theorie angebotenen Begriffe erleichtern dürfte. Die Form des Glossars soll eine »modulare« Einstellung zur Theorie ermöglichen. Die Erläuterungen zu einem Begriff umfassen durchschnittlich drei bis vier Seiten. Zu jedem Begriff gibt es eine Reihe bibliographischer Hinweise. Ein System von Verweisungen zwischen den Begriffen wurde durch »Lektürewege« ergänzt, die bestimmte Verbindungen zwischen den Begriffen in bezug auf thematische Felder - wie zum Beispiel Selbstreferenz, soziale Differenzierung, Konstruktivismus usw. - angeben.
Autorenporträt
Elena Esposito lehrt Soziologie an der Universität Modena e Reggio Emilia.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.01.1998

Systemtheorie ist Gift für die Weisheitszähne
Luhmann ist nicht irgendwas zum Naschen: Eine Lexikonschachtel voller Begriffsbonbons

Scharfe Reinigungsmittel und Schmerztabletten werden in kindersicheren Behältnissen verkauft. Zuweilen möchte man solche Vorkehrungen auch für Gesellschaftstheorien wünschen. Nicht, um sie vor Popularisierung oder Entzauberung zu schützen. Eher, um ihren sachgerechten Gebrauch nahezulegen. Denn wie den Kindern der Flüssigreiniger als eine Art von blauer Limonade erscheint, so kommt manchen Adepten die große Theorie wie eine Schachtel voll terminologischer Lutschbonbons vor. Zum Beispiel die Systemtheorie. Was als Lösemittel der soziologischen Aufklärung oder als Medizin gegen multiple Paradigmatase gemeint ist, wird als Süßware konsumiert. Geschmackvoll zergehen die Begriffsdrops auf der Zunge und färben alle Worte bunt, die aus dem Mund der Esser kommen.

Das vorliegende Wörterbuch will diesen Appetit nicht zügeln. Aufgenommen wurden vierundsechzig Stichworte, die teils für Luhmanns Werk spezifisch sind ("Autopoesis", "strukturelle Kopplung"), teils eher zum soziologischen Gemeingut gehören ("Ausdifferenzierung", "Konflikt") oder Erläuterungen zu Luhmanns Sicht auf die Funktionssysteme der Gesellschaft ("Erziehung", "Recht") liefern. Die Autoren legen ein hohes Geschick im Umgang mit systemtheoretischem Vokabular an den Tag und geben meist zutreffend wieder, was Luhmann mancherorts geschrieben hat. Dabei verlieren sie jedoch die schwierige, aber von einem Einführungstext zu verlangende Leistung der Übersetzung aus den Augen. Die meisten Einträge sind Exzerpte ohne Anführungszeichen. Sie versuchen, Luhmanns Begriffe durch die Begriffe Luhmanns zu erläutern. Beherrsche man sie nicht alle, meint das Vorwort, könne man sich "im Spiel ihrer Unterscheidungen" nicht bewegen.

Durch diesen Gestus verstärken die Autoren ungewollt einen unsinnigen Verdacht, der Luhmann immer wieder begegnet: an einem rein begriffsgewirkten Netz zu knüpfen, das sich beliebig über jeden Sachverhalt werfen läßt. Die Ursituation solcher kontextfreien Begriffsverwendung ist das wissenschaftliche Quiz. Die Stichworte lesen sich wie Lösungsschablonen für soziologische Vordiplomsfragen. "Definieren Sie den Begriff der Selbstreferenz" oder "Ist Sinn ein Medium oder eine Form?" Zum Nachdenken regt der definitorische Stil der Antworten nicht gerade an. Luhmanns Ideen erscheinen als Schöpfungen aus dem Nichts. Kaum ein Kommentar hält fest, in welchem ideengeschichtlichen oder soziologischen Zusammenhang die Begriffe stehen. Vor allem aber nutzt das Wörterbuch an kaum einer Stelle die Evidenz des Alltäglichen, um die empirische Aufschlußkraft abstrakter Begriffsbildung anzudeuten. Was "Attribution" bedeutet, hat Luhmann einst an Techniken des Flirts erläutert, die offenlassen, ob sich die Knie zufällig oder absichtlich berührten. Im Wörterbuch heißt es: "Die Attribution ist eine Bedingung für die Selbstreferenz des Systems, weil sie erlaubt, die doppelte Kontingenz (siehe Doppelte Kontingenz) zu asymmetrisieren (siehe Asymmetrisierung)." Wer soll sich das merken?

Solche Anschauungsverluste verstärkt es, daß überwiegend Luhmanns Schrifttum nach 1980 herangezogen wird. Das Wörterbuch vernachlässigt die weniger begriffslastige erste Serie seiner Produktion auch dort, wo sie - wie im Fall der Organisationssoziologie - für Ungeübte zugänglicher ist als spätere Texte. Nicht also, weil man sich an diesen Lexikonartikeln den Magen verderben wird, oder weil sie süchtig machen könnten, sei vor ihrem übermäßigen Konsum gewarnt. Sondern einfach, weil er zu intellektueller Unterernährung und soziologischem Skorbut führen dürfte. Die Eignung des Textes für Examensvorbereitungen sei ausdrücklich bestätigt. JÜRGEN KAUBE

Claudio Baraldi, Giancarlo Corsi, Elena Esposito: "GLU". Glossar zu Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1997. 248 S., br., 19,80 DM.

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