Grabenkämpfe helfen nicht
Kind oder Karriere? In Deutschland längst ein Politikum, das hitzig diskutiert wird. Die Fronten sind verhärtet: hier die "Glucken", dort die "Rabenmütter". Tanja Kuchenbecker, Journalistin, Mutter und Wahlpariserin, schaut über den Tellerrand und findet konstruktive Lösungen!
In Frankreich gilt es als normal, dass Frauen berufstätig sind, auch wenn sie Kinder haben. Die Gesellschaft, die Kultur und nicht zuletzt die Betreuungsangebote signalisieren: Hier lebt man nicht für die Kinder, sondern mit ihnen. Nicht die Eltern passen sich den Kindern an, sondern umgekehrt. Das sorgt für mehr Leichtigkeit im Umgang mit dem Nachwuchs. Ein besseres Modell? Jedenfalls eines, das offenbar für eine höhere Geburtenrate sorgt. Frankreich hält den europäischen Geburtenrekord. Auch in Deutschland ist ein anderes Lebensmodell möglich. Dafür muss sich aber nicht nur die Politik ändern, sondern zuerst die persönliche Einstellung jedes Einzelnen.
Kind oder Karriere? In Deutschland längst ein Politikum, das hitzig diskutiert wird. Die Fronten sind verhärtet: hier die "Glucken", dort die "Rabenmütter". Tanja Kuchenbecker, Journalistin, Mutter und Wahlpariserin, schaut über den Tellerrand und findet konstruktive Lösungen!
In Frankreich gilt es als normal, dass Frauen berufstätig sind, auch wenn sie Kinder haben. Die Gesellschaft, die Kultur und nicht zuletzt die Betreuungsangebote signalisieren: Hier lebt man nicht für die Kinder, sondern mit ihnen. Nicht die Eltern passen sich den Kindern an, sondern umgekehrt. Das sorgt für mehr Leichtigkeit im Umgang mit dem Nachwuchs. Ein besseres Modell? Jedenfalls eines, das offenbar für eine höhere Geburtenrate sorgt. Frankreich hält den europäischen Geburtenrekord. Auch in Deutschland ist ein anderes Lebensmodell möglich. Dafür muss sich aber nicht nur die Politik ändern, sondern zuerst die persönliche Einstellung jedes Einzelnen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.07.2008KURZKRITIK
Vorbild Frankreich?
Tanja Kuchenbecker über Kinderkrippen und Disziplin
Dank seinem Spitzenplatz in der Geburtenstatistik gilt Frankreich als familienpolitisches Musterland. Was genau die Franzosen vermeintlich besser machen, erfährt man in Tanja Kuchenbeckers Buch. Die Auslandkorrespondentin lebt seit 15 Jahren in Paris und hat als Mutter zweier Kinder Einblick in den deutschen und den französischen Alltag. Für den größten Vorzug des französischen Lebensmodells hält sie die Selbstverständlichkeit, mit der Mütter berufstätig sind. Daher seien Kinderkrippen und Ganztagsschulen schon längst eine von allen akzeptierte Normalität.
Dieser Unterschied zu Deutschland sei auf die geltenden Erziehungsmaximen zurückzuführen: 1. „Nicht die Eltern passen sich den Kindern an, sondern die Kinder den Eltern.” 2. „Erziehung ist eine Staatsangelegenheit und nicht Privatsache.” 3. „Nicht das behütete Kind, das im Mittelpunkt steht, sondern das Kind, das sich in die Gruppe einfügt und wohl- fühlt, ist das Ideal.” Die Folgen zeigen sich beim Umgang mit den unvermeidlichen Krankheiten der Kinder besonders drastisch: Für die doppelte Erwerbstätigkeit der Eltern hat der Nachwuchs einfach zu funktionieren. Deshalb muss der ganztägige Krippen- oder Schulbesuch mit allen Mitteln sichergestellt werden, manchmal, wie Kinderärzte berichten, mit erschreckender Rücksichtslosigkeit.
In den Krippen und Ganztagsschulen wiederum sind vor allem Disziplin und Gehorsam angesagt. Die folgende Unselbständigkeit, der Konformismus der Kinder und Jugendlichen lassen selbst Frankreich-Fan Kuchenbecker ins Grübeln kommen. Und was die Väter angeht, so findet die Autorin von gleichberechtigter Aufteilung der Kindererziehung keine Spur. Unterm Strich liefert das Buch, nicht ganz freiwillig, eine heilsame Ernüchterung. KOSTAS PETROPULOS
TANJA KUCHENBECKER: Gluckenmafia gegen Karrierehühner. Schluss mit den Grabenkämpfen – so lösen wir das Familiendilemma. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2007. 197 S., 17,90 Euro.
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Vorbild Frankreich?
Tanja Kuchenbecker über Kinderkrippen und Disziplin
Dank seinem Spitzenplatz in der Geburtenstatistik gilt Frankreich als familienpolitisches Musterland. Was genau die Franzosen vermeintlich besser machen, erfährt man in Tanja Kuchenbeckers Buch. Die Auslandkorrespondentin lebt seit 15 Jahren in Paris und hat als Mutter zweier Kinder Einblick in den deutschen und den französischen Alltag. Für den größten Vorzug des französischen Lebensmodells hält sie die Selbstverständlichkeit, mit der Mütter berufstätig sind. Daher seien Kinderkrippen und Ganztagsschulen schon längst eine von allen akzeptierte Normalität.
Dieser Unterschied zu Deutschland sei auf die geltenden Erziehungsmaximen zurückzuführen: 1. „Nicht die Eltern passen sich den Kindern an, sondern die Kinder den Eltern.” 2. „Erziehung ist eine Staatsangelegenheit und nicht Privatsache.” 3. „Nicht das behütete Kind, das im Mittelpunkt steht, sondern das Kind, das sich in die Gruppe einfügt und wohl- fühlt, ist das Ideal.” Die Folgen zeigen sich beim Umgang mit den unvermeidlichen Krankheiten der Kinder besonders drastisch: Für die doppelte Erwerbstätigkeit der Eltern hat der Nachwuchs einfach zu funktionieren. Deshalb muss der ganztägige Krippen- oder Schulbesuch mit allen Mitteln sichergestellt werden, manchmal, wie Kinderärzte berichten, mit erschreckender Rücksichtslosigkeit.
In den Krippen und Ganztagsschulen wiederum sind vor allem Disziplin und Gehorsam angesagt. Die folgende Unselbständigkeit, der Konformismus der Kinder und Jugendlichen lassen selbst Frankreich-Fan Kuchenbecker ins Grübeln kommen. Und was die Väter angeht, so findet die Autorin von gleichberechtigter Aufteilung der Kindererziehung keine Spur. Unterm Strich liefert das Buch, nicht ganz freiwillig, eine heilsame Ernüchterung. KOSTAS PETROPULOS
TANJA KUCHENBECKER: Gluckenmafia gegen Karrierehühner. Schluss mit den Grabenkämpfen – so lösen wir das Familiendilemma. Campus Verlag, Frankfurt am Main 2007. 197 S., 17,90 Euro.
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