Einfach nur glücklich sein: offenbar ein schwieriges Unterfangen. In seinem neuen Buch denkt Wilhelm Schmid darüber nach, was unser Glück ausmacht, was die Philosophie dazu beitragen kann und was wir persönlich tun können und müssen. Es geht um die geistige Haltung, die wir dem Leben gegenüber einnehmen; die Kunst, neben den Höhen auch die Tiefen des Lebens anzunehmen; und das Erkennen von Sinn und Zusammenhängen mit allen Sinnen.
Was ist Glück? Die Frage danach treibt uns um. Könnte es aber sein, daß gerade die ständige die Jagd nach Glück unglücklich macht? Dabei ist Glück nichts als ein Wort. Entscheidend ist, was damit bezeichnet wird, welche Bedeutung dem Wort gegeben wird, das nicht nur »das« Glück in der Einzahl bezeichnet.
Der Lebenskunst-Philosoph Wilhelm Schmid unterzieht in seinem neuen Buch die Vielfalt der Bedeutungen einer genaueren Betrachtung: das Zufallsglück, das Wohlfühlglück, das Glück der Fülle, das Glück des Unglücklichseins. Gegen die Glückspropheten, die mit wohlfeilen Rezepten alle Welt beglücken wollen, macht Schmid geltend, daß Glück nur ein Stellvertreterbegriff für die wichtigere Frage nach »Sinn« ist. Wenn aber Sinn nicht mehr von selbst zur Verfügung steht, dann wird eine Art von Arbeit daraus, Sinn zu finden und neu zu gründen.
Was ist Glück? Die Frage danach treibt uns um. Könnte es aber sein, daß gerade die ständige die Jagd nach Glück unglücklich macht? Dabei ist Glück nichts als ein Wort. Entscheidend ist, was damit bezeichnet wird, welche Bedeutung dem Wort gegeben wird, das nicht nur »das« Glück in der Einzahl bezeichnet.
Der Lebenskunst-Philosoph Wilhelm Schmid unterzieht in seinem neuen Buch die Vielfalt der Bedeutungen einer genaueren Betrachtung: das Zufallsglück, das Wohlfühlglück, das Glück der Fülle, das Glück des Unglücklichseins. Gegen die Glückspropheten, die mit wohlfeilen Rezepten alle Welt beglücken wollen, macht Schmid geltend, daß Glück nur ein Stellvertreterbegriff für die wichtigere Frage nach »Sinn« ist. Wenn aber Sinn nicht mehr von selbst zur Verfügung steht, dann wird eine Art von Arbeit daraus, Sinn zu finden und neu zu gründen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.07.2007Mit knallroter Schärpe
Wilhelm Schmid, der Lebenskünstler, schlägt wieder zu
Zum Glück gibt es Brot und Wasser, freundliche und hilfsbereite Menschen - zum Glück gibt es das Glück. Vor dem Wort muss man auf der Hut sein. Der deutsche Experte für Lebenskunst heißt Wilhelm Schmid und sagt: "Menschen können krank werden nicht nur aufgrund innerer und äußerer Ursachen, sondern auch aufgrund von Begriffen, die einen so hohen Maßstab des Lebens festlegen, dass das Leben daran nur scheitern kann." Die Theorie der Lebenskunst besteht darin, die Gefahr, die von Begriffen ausgeht, durch Begriffsbestimmung zu deeskalieren und solcherart bestimmte und entschärfte Begriffe ins Leben zu entlassen. Die Praxis der Lebenskunst besteht darin, diese Begriffe unter die Leute zu bringen.
Da über alles Mögliche geforscht wird, existiert auch eine Glücksforschung - ihr prominentester Vertreter ist der in den Vereinigten Staaten lehrende Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi, der den Begriff des "Flow" auch hierzulande bekannt gemacht hat. Flow bezeichnet das wahnsinnig gute Gefühl, das entsteht, wenn man in einer Tätigkeit restlos aufgeht, wenn man sich mental und emotional darin auflöst wie Pianisten am Flügel im Tastenrausch.
Was ist das Glück, wie kann man es erreichen, wie kann man es verbessern? Das Glück ist ein essentieller Bestandteil der Lebenskunst: Das sagt nicht Michel Foucault, das sagt Schmid, der sich selbst als philosophischer Seelsorger bezeichnet. Er hat zahlreiche Bücher darüber geschrieben und damit den Begriff Lebenskunst sich selbst wie eine knallrote Schärpe um den Bauch gebunden. Nun hat er ein sehr kleines, ein nicht einmal aufsatzlanges Büchlein über das Glück vorgelegt, offensichtlich in der von der Idee der Begriffsgefahrenentschärfung angeregten Annahme, dass man über unübersichtlich weite Themenfelder am besten tellergroß für eine sogenannte gutbürgerliche Portion, aber damit irgendwie alles zum Greifen (zum Wegputzen) nahe sagt.
Schmid unterscheidet drei Formen des Glücks, das Zufallsglück (ein Lottogewinn zum Beispiel), das Wohlfühlglück (Sauna und Massage) und das Glück der Fülle (eine Lebenshaltung, die auf Gelassenheit und Heiterkeit beruht). Selbstredend ist ein ganzes Leben nur mit dem Glück der Fülle, das heißt mit einer entsprechenden "geistigen Haltung", wie Schmid schreibt, zu bestreiten, wobei man ruhig den Lottogewinn einsacken, wobei man ruhig samstags in die Sauna und zur Massage gehen kann. Da ein Leben in der Sauna auf Dauer aber öde wird und der Zufall sehr lange auf sich warten lassen kann, sprießt nur aus dem Konzept eines Glücks der Fülle jener Sinn, ohne den das langwährende Glück, ohne den ein nach Schmid lebenskünstlerisch geführtes Leben nicht zu haben ist. "Glück kann ein Ersatzbegriff für Sinn sein", der in vielfältigen Facetten auftritt (zum Beispiel beim Singen und Tanzen, weil der Sinn mit der Sinnlichkeit zusammenhänge), schreibt Schmid, dem die ganze Moderne als eine Zeit erscheint, die vor allem deswegen so viel vom Glück und dessen materiellen Ressourcen redet, weil ihr der große Sinn, den früher in unseren noch nicht restlos aufgeklärten Breiten die Religion bereithielt, abhandengekommen ist. Möglich, dass eine Zeit beginnen werde, da der große Sinn wiederauftaucht und die Leute mit ihm glücklich werden. Sinn entsteht für Schmid da, wo Zusammenhänge (allein mit dem eigenen Körper, mitten in der umgebenden Natur, zusammen mit dem Liebespartner, mit Kindern und mit und in anderen Gemeinschaften) sich handlich, mental, emotional (wie beim Flow) herstellen.
Kann uns ein solches Glücksangebot durch Sinn sinnvoll glücklich machen? Schmid schreibt: "Alles, was sich erzählen lässt, macht Sinn." Man kann (ein großes Sinnangebot) das Blaue vom Himmel heruntererzählen. Schon die Lebensphilosophie um neunzehnhundert hat sich mit dem Sinn herumgeschlagen, und auch da war er weniger eine konturierte Kategorie als ein diffuser Begriff, mit dem keine Unterscheidungen getroffen, sondern vor allem Bindungen hergestellt werden sollten.
Der Sinn ist, nehmen wir den Sommer beim Wort, eine Hängematte. Hier dösen jene durch den Tag, die ihren Platz gefunden zu haben meinen. Die Lebenskunst ist eine Art Lebensplatzanweisungskunst, und ästhetisch gesehen gleicht sie den bürgerlichen psychologischen Romanen des neunzehnten Jahrhunderts: einer von gleichsam weiser und wohlwollender Hand geschlossenen, auf Gemütsberuhigung beruhenden Welt- und Erzählform.
Unruhige Geister wie Albert Camus, der nicht einsehen wollte, wieso sich ein Leben in einen Satz biegen lassen sollte, sehen gerade im Sinn mit Grausen jenes schnöde Kleingeld, gegen das die rohe und vitale Existenzerfahrung eingetauscht wird, auf deren Grundlage man weniger vom Glück als vom Gelingen redet.
EBERHARD RATHGEB
Wilhelm Schmid: "Glück". Alles, was Sie darüber wissen müssen, und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2007. 80 S., geb., 7,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wilhelm Schmid, der Lebenskünstler, schlägt wieder zu
Zum Glück gibt es Brot und Wasser, freundliche und hilfsbereite Menschen - zum Glück gibt es das Glück. Vor dem Wort muss man auf der Hut sein. Der deutsche Experte für Lebenskunst heißt Wilhelm Schmid und sagt: "Menschen können krank werden nicht nur aufgrund innerer und äußerer Ursachen, sondern auch aufgrund von Begriffen, die einen so hohen Maßstab des Lebens festlegen, dass das Leben daran nur scheitern kann." Die Theorie der Lebenskunst besteht darin, die Gefahr, die von Begriffen ausgeht, durch Begriffsbestimmung zu deeskalieren und solcherart bestimmte und entschärfte Begriffe ins Leben zu entlassen. Die Praxis der Lebenskunst besteht darin, diese Begriffe unter die Leute zu bringen.
Da über alles Mögliche geforscht wird, existiert auch eine Glücksforschung - ihr prominentester Vertreter ist der in den Vereinigten Staaten lehrende Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi, der den Begriff des "Flow" auch hierzulande bekannt gemacht hat. Flow bezeichnet das wahnsinnig gute Gefühl, das entsteht, wenn man in einer Tätigkeit restlos aufgeht, wenn man sich mental und emotional darin auflöst wie Pianisten am Flügel im Tastenrausch.
Was ist das Glück, wie kann man es erreichen, wie kann man es verbessern? Das Glück ist ein essentieller Bestandteil der Lebenskunst: Das sagt nicht Michel Foucault, das sagt Schmid, der sich selbst als philosophischer Seelsorger bezeichnet. Er hat zahlreiche Bücher darüber geschrieben und damit den Begriff Lebenskunst sich selbst wie eine knallrote Schärpe um den Bauch gebunden. Nun hat er ein sehr kleines, ein nicht einmal aufsatzlanges Büchlein über das Glück vorgelegt, offensichtlich in der von der Idee der Begriffsgefahrenentschärfung angeregten Annahme, dass man über unübersichtlich weite Themenfelder am besten tellergroß für eine sogenannte gutbürgerliche Portion, aber damit irgendwie alles zum Greifen (zum Wegputzen) nahe sagt.
Schmid unterscheidet drei Formen des Glücks, das Zufallsglück (ein Lottogewinn zum Beispiel), das Wohlfühlglück (Sauna und Massage) und das Glück der Fülle (eine Lebenshaltung, die auf Gelassenheit und Heiterkeit beruht). Selbstredend ist ein ganzes Leben nur mit dem Glück der Fülle, das heißt mit einer entsprechenden "geistigen Haltung", wie Schmid schreibt, zu bestreiten, wobei man ruhig den Lottogewinn einsacken, wobei man ruhig samstags in die Sauna und zur Massage gehen kann. Da ein Leben in der Sauna auf Dauer aber öde wird und der Zufall sehr lange auf sich warten lassen kann, sprießt nur aus dem Konzept eines Glücks der Fülle jener Sinn, ohne den das langwährende Glück, ohne den ein nach Schmid lebenskünstlerisch geführtes Leben nicht zu haben ist. "Glück kann ein Ersatzbegriff für Sinn sein", der in vielfältigen Facetten auftritt (zum Beispiel beim Singen und Tanzen, weil der Sinn mit der Sinnlichkeit zusammenhänge), schreibt Schmid, dem die ganze Moderne als eine Zeit erscheint, die vor allem deswegen so viel vom Glück und dessen materiellen Ressourcen redet, weil ihr der große Sinn, den früher in unseren noch nicht restlos aufgeklärten Breiten die Religion bereithielt, abhandengekommen ist. Möglich, dass eine Zeit beginnen werde, da der große Sinn wiederauftaucht und die Leute mit ihm glücklich werden. Sinn entsteht für Schmid da, wo Zusammenhänge (allein mit dem eigenen Körper, mitten in der umgebenden Natur, zusammen mit dem Liebespartner, mit Kindern und mit und in anderen Gemeinschaften) sich handlich, mental, emotional (wie beim Flow) herstellen.
Kann uns ein solches Glücksangebot durch Sinn sinnvoll glücklich machen? Schmid schreibt: "Alles, was sich erzählen lässt, macht Sinn." Man kann (ein großes Sinnangebot) das Blaue vom Himmel heruntererzählen. Schon die Lebensphilosophie um neunzehnhundert hat sich mit dem Sinn herumgeschlagen, und auch da war er weniger eine konturierte Kategorie als ein diffuser Begriff, mit dem keine Unterscheidungen getroffen, sondern vor allem Bindungen hergestellt werden sollten.
Der Sinn ist, nehmen wir den Sommer beim Wort, eine Hängematte. Hier dösen jene durch den Tag, die ihren Platz gefunden zu haben meinen. Die Lebenskunst ist eine Art Lebensplatzanweisungskunst, und ästhetisch gesehen gleicht sie den bürgerlichen psychologischen Romanen des neunzehnten Jahrhunderts: einer von gleichsam weiser und wohlwollender Hand geschlossenen, auf Gemütsberuhigung beruhenden Welt- und Erzählform.
Unruhige Geister wie Albert Camus, der nicht einsehen wollte, wieso sich ein Leben in einen Satz biegen lassen sollte, sehen gerade im Sinn mit Grausen jenes schnöde Kleingeld, gegen das die rohe und vitale Existenzerfahrung eingetauscht wird, auf deren Grundlage man weniger vom Glück als vom Gelingen redet.
EBERHARD RATHGEB
Wilhelm Schmid: "Glück". Alles, was Sie darüber wissen müssen, und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2007. 80 S., geb., 7,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
So ganz geheuer scheint dieser "sehr kleine" Glücksratgeber dem Rezensenten nicht zu sein. Den Autor nennt Eberhard Rathgeb den "deutschen Experten für Lebenskunst" und weckt auch sonst allerhand Zweifel an diesem Unterfangen, gutbürgerlich portioniert, wie er feststellt, "Begriffsgefahrenentschärfung" zwecks Glückseligkeit zu betreiben. Wenn Wilhelm Schmid Sinnhaftigkeit (durch Religion) als Glücksquell preist, denkt Rathgeb an eine Hängematte, in der sich prima dösen lässt. Und an Camus und eine ganz andere Existenzerfahrung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ein guter Einstieg für alle, die sich noch nie in ihrem Leben Gedanken über's Glück gemacht haben - oder für jene, die vor lauter Grübeln nicht mehr weiterwissen.« Sächsische Zeitung 20090625