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Von der Existenz des Waldhofes Carinhall in der Schorfeide, etwa 65 Kilometer nördlich von Berlin, zeugt bis auf zwei Torhäuser nichts mehr. Gerüchte über den einstigen Prunk und geheime unterirdische Anlagen voller Kunstschätze, ein verklärendes Bild vom "guten Hermann" nähren den Mythos Carinhall. Längst ist der Ort auch zu einer dubiosen Wallfahrtsstätte geworden. Als "Zweiter Mann" nach Hitler und Preußischer Ministerpräsident übernahm Göring bereitwillig die Repräsentation des Staates auf persönlicher Ebene, die Hitler nicht mochte. Hierfür ließ er sich - aus den teuersten Materialien und…mehr

Produktbeschreibung
Von der Existenz des Waldhofes Carinhall in der Schorfeide, etwa 65 Kilometer nördlich von Berlin, zeugt bis auf zwei Torhäuser nichts mehr. Gerüchte über den einstigen Prunk und geheime unterirdische Anlagen voller Kunstschätze, ein verklärendes Bild vom "guten Hermann" nähren den Mythos Carinhall. Längst ist der Ort auch zu einer dubiosen Wallfahrtsstätte geworden. Als "Zweiter Mann" nach Hitler und Preußischer Ministerpräsident übernahm Göring bereitwillig die Repräsentation des Staates auf persönlicher Ebene, die Hitler nicht mochte. Hierfür ließ er sich - aus den teuersten Materialien und mit staatlichen Mitteln finanziert - seine Residenz Carinhall errichten, die durch die Erweiterungsbauten 1936/37 und 1939/40 zunehmend pompöser wurde. Hier traf er das diplomatische Corps, empfing zahlreiche Staatsgäste und verhandelte über die Geschicke Europas. Nach dem Zerwürfnis mit Hitler kompensierte Göring den Verlust seiner politischen Macht durch eine regelrechte Sammelwut und häufte in Carinhall sinnlos Kunstschätze an. Kurz vor dem Einrücken der Roten Armee wurde der Waldhof Carinhall 1945 von deutschen Soldaten gesprengt, das Gelände in der Nachkriegszeit eingeebnet. Eine Konzeption für den Umgang mit dem Ort Carinhall gibt es bis heute nicht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.08.1999

Der Sultan der Schorfheide
Ein aussergewöhnliches Buch über Hermann Göring und sein Privatmuseum "Carinhall"

Volker Knopf, Stefan Martens: Görings Reich. Selbstinszenierungen in Carinhall. Ch. Links Verlag, Berlin 1999. 197 Seiten, 147 Abbildungen und 11 Karten, 68,- Mark.

Am 28. April 1945, als die ersten Spähtrupps berittener Rotarmisten auftauchten, sprengte ein Kommando deutscher Soldaten mit über 400 Zentner Sprengstoff den "Waldhof Carinhall", die Residenz des Reichsmarschalls Hermann Göring in der Schorfheide, knapp 70 Kilometer nördlich von Berlin. Auf ausdrücklichen Befehl Görings sollte nichts stehen bleiben. Nach Kriegsende wurden die Trümmermassen beseitigt, wieder verwertbare Materialien geborgen. In den fünfziger Jahren wurde das Gelände von Carinhall von der Kasernierten Volkspolizei und später der Nationalen Volskarmee der DDR systematisch eingeebnet. Eine gezielte Aufforstung mit schnell wachsenden Bäumen und Sträuchern ließ das Trümmerfeld langsam verschwinden. Das Gelände wurde zum Naturschutzgebiet erklärt und der Zutritt zeitweilig verboten. Die DDR wollte die Spuren Görings in der Schorfheide endgültig beseitigen, Gras sollte wachsen über Carinhall.

Als Bundeskanzler Schmidt im Dezember 1981 den DDR-Partei- und Staatschef Honecker besuchte, da fanden ihre Besprechungen und Gespräche im "Gästehaus des Staatsrates am Döllnsee" in der Schorfheide statt. Unter vier Augen sprachen die beiden im "Kaminzimmer", und im Speisezimmer gab Honecker für Schmidt und seine Delegation ein Essen. Je zehn Journalisten aus den beiden Staaten in Deutschland durften dabei sein und den Tischreden lauschen. Doch über die Geschichte des Hauses erfuhren wir damals nichts Genaues. Die während des Schmidt-Besuchs ungewöhnlich auskunftsfreudigen Pressefunktionäre der DDR gaben sich einsilbig und unwissend, wenn man sie fragte, wer das Haus wann und wofür gebaut habe. So mussten wir uns an das halten, was Honecker selbst über das Gebäude sagte.

Es sei einst ein Forsthaus gewesen, das Ulbricht, der oft hier gewesen sei, habe umbauen lassen. Damals war uns ein moderner Anbau an dem dreigeschossigen Haus aufgefallen, der ein Schwimmbad und sonstige Fitness-Einrichtungen barg. Jetzt beantwortet das gründlich und ungewöhnlich akribisch recherchierte Buch "Görings Reich" von Volker Knopf und Stefan Martens, das nicht zuletzt durch eine Vielzahl von weitgehend unbekannten Fotos besticht, nicht nur unsere damaligen Fragen.

Das damalige Gästehaus des Staatsrates und heutige Tagungshotel "Döllnsee-Schorfheide" hat Hermann Göring - Oberkommandierender der Luftwaffe, Beauftragter für den Vierjahresplan, Reichsforst- und Reichsjägermeister, um nur einige seiner vielen Ämter zu nennen - 1940 als Unterkunft für Gäste bauen lassen, die im Gästeflügel seiner am anderen Ufer des Döllnsees gelegenen Residenz "Waldhof Carinhall" nicht mehr untergebracht werden konnten. Inoffiziell hieß das Gebäude damals "Schade-Haus", weil es eine Wohnung für den für Görings Jagdangelegenheiten in der Schorfheide zuständigen Oberforstmeister Willi Schade und seine Schwester enthielt.

Den Krieg, die Sprengung von Carinhall und die Nachkriegszeit hat das Gebäude nahezu unbeschadet überstanden. Bis 1954 wurde es von der FDJ als Jugendherberge genutzt. Dann diente es Ulbricht als Ferienhaus und später als Residenz. Hier sei er am 1. August 1973 auch gestorben, schreiben Knopf und Martens. Honecker, von Ulbricht 1961 mit der Vorbereitung und Abwicklung der "Maßnahmen des 13. August" beauftragt, hat in seinen Memoiren geschrieben: "Als ich am 12. August 1961 zum Döllnsee fuhr, sah ich beiderseits der Straßen, dass sich die motorisierten Schützenverbände unserer Volksarmee schon in ihren Bereitstellungsräumen befanden. Um 16.00 Uhr unterzeichnete der Vorsitzende des Nationalen Verteidigungsrates der DDR, Walter Ulbricht, die von uns vorbereiteten Befehle für die Sicherungsmaßnahmen an der Staatsgrenze der DDR zu Berlin-West und zur BRD." In Görings einstiger Gästeunterkunft also.

Hermann Göring, der prunksüchtige "zweite Mann im Dritten Reich", Machtmensch und nationalsozialistischer Gewaltverbrecher, Jagdherr und Kunsträuber, in Phantasiegewänder gekleideter, mit Menschenleben und Modelleisenbahnen spielender labiler Dickwanst und großspuriger, auf Popularität bedachter Selbstdarsteller, der sich als "Erster Paladin des Führers" und "letzter Renaissancemensch" bezeichnete, war nicht der erste und nicht der letzte Potentat, der in der Schorfheide seine Spuren hinterließ. Aber er war der Skrupelloseste und ganz sicher der Größenwahnsinnigste von allen.

Es verwundert nicht, dass sich um seine Residenz Carinhall in der Schorfheide seit nunmehr 65 Jahren die wildesten Gerüchte gebildet haben. Der einstige Prunk sowie der nicht nur auf Kunstwerke gerichtete ausschweifende Besitzergreifungstrieb Görings und Äußerungen von ihm nach der Gefangennahme durch die Amerikaner am 8. Mai 1945 haben die Spekulationen über geheime unterirdische Anlagen, in denen sagenhafte Schätze verborgen seien, bis heute nicht zur Ruhe kommen lassen und nach der Wende Scharen von Schatzsuchern angelockt - unter ihnen der DDR-Innenminister Diestel im Kabinett de Maizière. Seine Polizeitaucher bargen Anfang Juli 1990 aus dem Döllnsee fünf Skulpturen, die einst Görings Carinhall geziert hatten: die von Arno Breker geschaffenen lebensgroßen Bronze-Statuen "Schreitende", "Eos" und "Anmut", die Waldgruppe "Mädchen mit Hirschkuh" von Hans Krückeberg und den Bronzeabguss der "Venus von Medici" aus den Uffizien in Florenz.

Knopf und Martens sind aufgrund ihrer umfassenden Recherchen überzeugt, dass "es auf dem Gelände des ehemaligen Waldhofes längst nichts mehr von Wert zu holen gibt". Mit ihrer eindrucksvollen Dokumentation der Bau- und Ereignisgeschichte der Residenz Görings in der Schorfheide wollen sie den auf fehlende Informationen und blanke Unkenntnis zurückzuführenden "Mythos Carinhall" zerstören. Doch sollten die brandenburgischen Behörden endlich ein Konzept für den Umgang mit dem Ort Carinhall erarbeiten. Mit der Aufstellung eines Findlings mit der von wenig Geschichtskenntnis zeugenden Inschrift "Karinhall" im Dezember 1993 durch Verantwortliche des Biosphärenreservats "Schorfheide-Chorin" - in dem das Gelände heute liegt - an der ehemaligen Zufahrt zum Waldhof Carinhall kann es ja nicht getan sein.

Knopf und Martens schildern ausführlich bis in die Details nicht zuletzt anhand von Akten und mittels zeitgenössischen Fotos Entstehung, Ausbau und Ende von Carinhall. Es begann 1933, als sich der damalige preußische Ministerpräsident und Reichstagspräsident Göring in der Schorfheide ein Gelände zur Verfügung stellen ließ, das er fortan auf Lebenszeit unentgeltlich nutzen konnte. Auf Staatskosten ließ er ein aufwendig gestaltetes Jagdhaus im Stil einer schwedischen Blockhütte errichten, das er nach seiner schwedischen Frau Carin, die er 1922 geheiratet hatte und die 1931 gestorben war, Carinhall nannte.

Im Juni 1934 ließ Göring die in Schweden exhumierten Gebeine von Carin Göring, für die er ein pompöses Grabmal mit unterirdischer Gruft hatte anlegen lassen, nach Carinhall überführen. Hitler, Himmler und Goebbels wohnten der Beisetzung bei. Was nach dem Krieg mit den Gebeinen Carin Görings geschah - Knopf und Martens schildern es genau. Nachdem Göring 1935 die Schaupielerin Emmy Sonnemann geheiratet hatte, wurde 1936 ein erster Erweiterungsbau von Carinhall in Angriff genommen und 1937 der neue, dreiflügelige "Waldhof" Carinhall als Familien- und Repräsentationssitz feierlich eingeweiht. 1939/40 fand eine zweite Ausbauphase Carinhalls zur Residenz des Reichsmarschalls statt. Neu entstanden ein gewaltiger Querbau und ein dritter Seitenflügel, wodurch ein zweiter Innenhof gebildet wurde. Der größte Raum, der Speisesaal umfaßte 411 Quadratmeter.

Ausgehend von und bezogen auf Carinhall, beschreiben die Autoren Göring als den "Sonderbotschafter" Hitlers zwischen 1934 und 1936, den Außenpolitiker Göring zwischen 1937 und 1939 sowie den "Reichsmarschall im Kriege". Hitler hatte Göring die Repräsentanz des Staates auf der persönlichen Ebene überlassen, das mit Kunstwerken vollgestopfte Carinhall wurde so Schauplatz zahlreicher politischer Begegnungen Görings mit Diplomaten und Staatsgästen, denen er stolz sein Reich zeigte und mit denen er über die Geschicke Europas oft in recht undiplomatischer Weise palaverte. Als selbsternannter "Herr der Schorfheide", als oberster Forstmeister und zugleich oberster Jagdherr des Deutschen Reiches kümmerte sich Göring aber auch um ein Tier- und Pflanzenschutzprogramm für die Schorfheide, ließ ein allseits als vorbildlich und mustergültig anerkanntes Reichsjagdschutzgesetz - dessen Vorausetzungen sein Amtsvorgänger, der sozialdemokratische preußische Ministerpräsident Otto Braun, geschaffen hatte - in Kraft treten und gründete 1934 den "Naturund Umweltpark Schorfheide", in dem einstmals hier beheimatete Tierarten wie Elch, Wisent, Wildpferd, Biber und Fischotter wieder angesiedelt werden sollten.

Nach seinem Zerwürfnis mit Hitler - dieser hatte erstmals nach dem verheerenden "Tausend-Bomber-Angriff" auf Köln am 30./31. Mai 1942 offen Kritik am Reichsmarschall geübt - nahm Göring kaum noch entscheidenden Einfluss auf die Politik und Kriegführung des Dritten Reiches. Er raffte fortan verstärkt Kunstwerke in ganz Europa zusammen und ging daran, Carinhall zu einem "Hort der Kunst" werden zu lassen. "Die Planungen für die Erweiterung des Waldhofes zum Hermann-Göring-Museum waren für ihn wichtiger als die Nachrüstung seiner Luftwaffe", schreiben Knopf und Martens. Letztendlich hätten zu Görings Kunstsammlung 1 375 Gemälde, 250 Skulpturen, 108 Wandteppiche, 200 Stück wertvoller Möbel, 60 persische und französische Teppiche, 75 farbige Fenster und 150 andere Kunstgegenstände gehört - mit einem Schätzwert von etwa 600 Millionen Reichsmark. In einer dritten Ausbaustufe wollte Göring in einem an der Südseite des Waldhofs angefügten Gebäudekomplex mit einer Länge von über 300 Metern und einer Tiefe bis zu 65 Metern ein Hermann-Göring-Museum errichten, das am 12. Januar 1953 aus Anlass seines 60. Geburtstages feierlich eröffnet werden sollte. Carinhall wäre damit um das Doppelte erweitert worden.

Zwei Stunden vor seiner Hinrichtung durch den Strang, zu der ihn als "Nazi No.One" das Alliierte Kriegsverbrechertribunal in Nürnberg verurteilt hatte, beging Göring am 15. Oktober 1946 Selbstmord durch Zerbeißen einer Zyankali-Kapsel.

PETER JOCHEN WINTERS

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Der Band von Volker Knopf und Stefan Martens trägt erstaunliches Material zusammen, das man in solcher Fülle noch nie gesehen hat. Jobst Siedler, Die Literarische Welt Das seriös und akribisch recherchierte Buch gibt über Görings Residenz in einer Opulenz Auskunft, die seinem Gegenstand angemessen ist. Augsburger Allgemeine Den Autoren ist es gelungen, eine der umstrittensten und widersprüchlichsten Gestalten der deutschen Geschichte in einer eindrucksvollen Dokumentation festzuhalten. Eßlinger Zeitung Mit ihrer eindrucksvollen Dokumentation der Bau- und Ereignisgeschichte der Residenz Görings in der Schorfheide wollen Knopf und Martens den auf fehlende Informationen und blanke Unkenntnis zurückzuführenden "Mythos Carinhall" zerstören. (...) Sie schildern ausführlich bis in die Details - nicht zuletzt anhand von Akten und mittels zeitgenössischen Fotos - Entstehung, Ausbau und Ende von Carinhall. F.A.Z. Erstmalig wird durch Volker Knopf die Geschichte von Carinhall rekonstruiert,darin eingeschlossen die unterschiedlichen Bauphasen, der Räumlichkeiten, die Sprengung und der Umgang mit dem Gelände samt Umgebeung nach 1945 bis in die 90er Jahre. Stefan Martens schildert Görings Werdegang und den Verlust des politischen Einflusses bis zur letzten Selbstdarstellung im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß. Die kritische Rekonstruktion - mit einmaligem Bildmaterial - analysiert als lehrreiche Lektion die Hintergründe des Mythos Carinhall. Ostthüringer Zeitung Der sorgfältig gearbeitete Band, auf langen Recherchen basierend, dokumentiert den Protz, welchen der zweite Mann im Nazi-Staat entfaltete. Diplomatenempfänge, Jagdgesellschaften, Führerbesuche, Trinkgelage, Familienleben - viele der historischen Bilder schlummerten bis anhin in den Archiven. Facts…mehr