Zum Goethe-Jahr 1999 erscheint eine Biographie J.W. von Goethes, in der mit Hilfe neuer Quellenanalysen die bedeutende Rolle, die die Chemie in der Zeit in seiner Vorstellungswelt gespielt hat, dargestellt wird. Es gelingt dem Autor nachzuweisen, daß Goethe tatsächlich selbst chemisch experimentiert hat und seine Untersuchungen nach dem heutigen Forschungsstandard protokollierte.
In seinem Elternhaus beschäftigte sich Goethe mit alchemistischen Experimenten, während seines Jurastudiums in Straßburg hörte er auch chemische Vorlesungen. So ziehen sich durch Goethes Leben das Interesse und auch die eigene experimentelle Beschäftigung mit der sich zur Wissenschaft entwickelnden Chemie. Er fördert die Chemie durch die Einrichtung des ersten Lehrstuhls für die Chemie an der Universiät Jena und kümmert sich als Minister um die Einrichtung eines chemischen Laboratoriums. Goethe hat in seinen Notizbüchern über Experimente mit dem gelben Blutlaugensalz, der Berliner Blaulauge, berichtet. Auch berichtet er über seine Versuche mit den Farbstoffen in Pflanzenextrakten, deren Chemie erst in unserem Jahrhundert aufgeklärt wurde. Und so wurde Goethe auch zum selbst experimentierenden Chemiker. Seine Beobachtungen fließen in seine Farblehre ein, die ein eigenes Kapitel über chemische Farben aufweist. Goethe hat es verstanden, chemische Berater wie Göttling und Döbereiner in Jena für sich zu gewinnen, und er hat die Chemie mit den Worten charakterisiert, daß sie von der ausgebreitesten Anwendung und von dem grenzenlosesten Einfluß auf's Leben sich erweist. Im Alter von 78 Jahren bekannte er: Die Naturwissenschaft, besonders die Chemie, ist so lebendig, daß man auf die angenehmste Weise wieder jung wird.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
In seinem Elternhaus beschäftigte sich Goethe mit alchemistischen Experimenten, während seines Jurastudiums in Straßburg hörte er auch chemische Vorlesungen. So ziehen sich durch Goethes Leben das Interesse und auch die eigene experimentelle Beschäftigung mit der sich zur Wissenschaft entwickelnden Chemie. Er fördert die Chemie durch die Einrichtung des ersten Lehrstuhls für die Chemie an der Universiät Jena und kümmert sich als Minister um die Einrichtung eines chemischen Laboratoriums. Goethe hat in seinen Notizbüchern über Experimente mit dem gelben Blutlaugensalz, der Berliner Blaulauge, berichtet. Auch berichtet er über seine Versuche mit den Farbstoffen in Pflanzenextrakten, deren Chemie erst in unserem Jahrhundert aufgeklärt wurde. Und so wurde Goethe auch zum selbst experimentierenden Chemiker. Seine Beobachtungen fließen in seine Farblehre ein, die ein eigenes Kapitel über chemische Farben aufweist. Goethe hat es verstanden, chemische Berater wie Göttling und Döbereiner in Jena für sich zu gewinnen, und er hat die Chemie mit den Worten charakterisiert, daß sie von der ausgebreitesten Anwendung und von dem grenzenlosesten Einfluß auf's Leben sich erweist. Im Alter von 78 Jahren bekannte er: Die Naturwissenschaft, besonders die Chemie, ist so lebendig, daß man auf die angenehmste Weise wieder jung wird.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.08.1999Und mit eiligem Bestreben sucht sich, was sich angehört
Ein Lesebuch für Grund- und Leistungskurs: Georg Schwedt erzählt von Goethes Experimenten mit der Chemie
"Hätt' ich mich mit den Naturwissenschaften nicht abgegeben, so hätt' ich die Menschen nie kennen lernen", bekannte der alte Goethe einmal. Denn der unfassliche Mensch ist die höchste Steigerung des unbegreiflichen Lebens, das er dennoch begreifen möchte. Die gesamte Natur als ein Wirkendes, Werdendes, sich Entwickelndes ist ein Lebendiges, das der Mensch unweigerlich auf sich selbst bezieht, um eine Übersicht zu gewinnen über seine Stellung im Zusammenhang aller lebendigen Kräfte. Es war die Freude am Lebendigen des Daseins, das Goethe zu dem dauernden "Hinstarren auf die Natur" drängte. Eine Freude, die sich bewußt blieb, nie die Phänomene rein sehen zu können, weil der beobachtende Mensch sich ihnen nur anzunähern vermag, durch den Staub hinweg, den er vor ihnen aufwirbelt. Die Allgegenwart des Lebens und die Allbildlichkeit desselben läßt sich nicht in Worte fassen. Durch Worte sprechen wir weder die Gegenstände noch uns selbst aus. Symbole, Gleichnisse, Analogien veranschaulichen das Wahre, dessen Abglanz wir nur wahrnehmen. Die "Wahlverwandtschaften" sind seine berühmteste Gleichnisrede über die Anziehung, Abstoßung und Verwandlung, über Freiheit und Bestimmung, wie sie chemischen Stoffen nicht anders als der Seele widerfährt. Denn alles Existierende ist nur ein Analogon alles Existierenden, das in steter Bewegung schwankt.
Georg Schwedt, der "Goethe als Chemiker" behandelt, hat eine hohe Achtung vor dem gegenständlichen Denken dieses Betrachters der lebendigen Natur. Er folgt den Lebensspuren Goethes und entwickelt darüber eine Geschichte der Chemie innerhalb der Geschichte eines individuellen Lebens. Er hält sich an Goethes wissenschaftliche Devise: Ich lehre nicht, ich erzähle, und bestätigt darüber Goethes Vermutung, dass die Geschichte einer Wissenschaft, gebrochen durch ein Individuum, eben die Wissenschaft ist, die Veranschaulichung ihrer Fragen, Antworten, Methoden und Zwecke. Der junge Goethe wollte die Geheimnisse der Natur im Zusammenhang kennen lernen. Dabei blieb es ein Leben lang, angefangen mit Experimenten in alchimistischer Tradition, die sich dann zu wissenschaftlichen Versuchen läuterten unter dem Einfluß der sich verwissenschaftlichenden Naturbetrachtung. Er begann als Dilettant und eroberte sich nach und nach, ein geborener Pendant, der er war, wie er stolz bekannte, die strengen Methoden der zeitgenössischen Naturkunde. Freilich wollte er immer ein Liebhaber bleiben, ein Liebhaber des Lebendigen, der ein- und ausatmenden Natur. Ihn störte eine mathematische Begrifflichkeit, die Starrheit der Formeln, er suchte nach seinen eigenen Ausdrucksformen, was ihm gelang, von der Wissenschaft aber kaum gedankt wurde. Mit treuer Andacht vor dem Detail vereinzelte er die zu beobachtenden Phänomene, schied, trennte. zergliederte, um von der Anschauung zum Begriff zu gelangen. Aber zugleich verlangte es nach neuen Verbindungen, nach Ideen, nach lebenserfüllten Synthesen.
Er zweifelte, ob ein Jahrhundert, das sich vor Synthesen fürchtet, auf dem rechten Weg sein könne, gerade bei chemischen Bemühungen, die von ausgebreitetster Anwendung und damit von grenzenlosem Einfluss auf das Leben sind. Das Nutzbare, das Anwendbare verwarf er nicht, ganz im Gegenteil, darin erkannte er Vorteile für das Leben. Ihn interessierten Mineralwässer, Medikamente, die Gewinnung von Zucker aus Runkelrüben, Stickstoffdüngung, Gasbeleuchtung, selbst Versuche, mit Zucker und kohlensaurem Natron den herben Saalewein in kräftig moussierenden Champagner zu verwandeln. Die Chemie für das praktische Leben umgriff auch Kosmetika, derer sich der Mann von fünfzig Jahren in den "Wanderjahren" bedient. Der Kaufmannsgeist wehte auch den Staatsbeamten an, der an die Produktion auf Chemie beruhender "Lebenshilfen" dachte. Ganz abgesehen davon, dass er mit Sorgfalt sich um zu berufende Professoren und den akademischen Nachwuchs wie dessen Förderung kümmerte, nicht zuletzt auch aus dem ureigensten Bedürfnis, anregende, ihn unterrichtende Gesprächspartner zu finden, die seine wissenschaftliche Phantasie belebten, da nur eine methodisch geschulte Einbildungskraft der Natur gewachsen sein konnte.
Unter den Chemikern suchte er Genialität mit praktischer Tendenz, und gerade darüber machte er die Chemie sehr populär in Weimar. Schiller sah anfänglich im Naturtreiben der Weimarer Sekte eine gewisse kindliche Einfalt der Vernunft, bis er ahnte, dass dem durchaus Ideen zu Grunde lagen. Zuweilen legte der erhabene Sinn Goethes das Große in das Leben und suchte es nicht darin. Er liebte den Granit, das Symbol alles Beständigen, in dem er das Urgestein vermutete. Ihm waren mitten in einer revolutionären Zeit Vulkane ungemütlich, überhaupt Theorien einer Weltentstehung, die gleichsam Vorgänge in einer "vermaledeiten Polterkammer" systematisierten. Sein geplanter Roman der Erde sollte die ruhigen Verwandlungen schildern, die allem Natürlich-Lebendigen, wie bei Ovid, zu einem neuen Glück verhelfen. Mit der Poesie hob die Weltdeutung und Welterklärung an, zur Poesie sollte der trennende wissenschaftliche Geist wieder zurückfinden. In seinen späten Werken, vor allem im Faust II, verbergen sich im lyrischen Gewand die Ergebnisse seines forschenden Staunens. Georg Schwedt setzt sie in Beziehung zu dem mathematischen Geist naturwissenschaftlicher Forschung, wie sie diesen ergänzen, selbst dort, wo sie ihm nicht genügen können. Er legt keine systematische Analyse vor, er stellte ein Lesebuch zusammen, das bis in entlegenste Bezüge die Funktion der Chemie in Goethes Leben verdeutlicht und damit eine überraschende Annäherung an den Dichter und Wissenschaftler erlaubt, der wie alles Lebendige kein Eins, immer ein Vieles ist. "Immer wechselnd, fest sich haltend,/nah und fern und fern und nah;/So gestaltend, umgestaltend. -/Zum Erstaunen bin ich da."
EBERHARD STRAUB
Georg Schwedt: "Goethe als Chemiker". Springer Verlag, Heidelberg 1998. 382 S., 26 Abb., geb., 79,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Lesebuch für Grund- und Leistungskurs: Georg Schwedt erzählt von Goethes Experimenten mit der Chemie
"Hätt' ich mich mit den Naturwissenschaften nicht abgegeben, so hätt' ich die Menschen nie kennen lernen", bekannte der alte Goethe einmal. Denn der unfassliche Mensch ist die höchste Steigerung des unbegreiflichen Lebens, das er dennoch begreifen möchte. Die gesamte Natur als ein Wirkendes, Werdendes, sich Entwickelndes ist ein Lebendiges, das der Mensch unweigerlich auf sich selbst bezieht, um eine Übersicht zu gewinnen über seine Stellung im Zusammenhang aller lebendigen Kräfte. Es war die Freude am Lebendigen des Daseins, das Goethe zu dem dauernden "Hinstarren auf die Natur" drängte. Eine Freude, die sich bewußt blieb, nie die Phänomene rein sehen zu können, weil der beobachtende Mensch sich ihnen nur anzunähern vermag, durch den Staub hinweg, den er vor ihnen aufwirbelt. Die Allgegenwart des Lebens und die Allbildlichkeit desselben läßt sich nicht in Worte fassen. Durch Worte sprechen wir weder die Gegenstände noch uns selbst aus. Symbole, Gleichnisse, Analogien veranschaulichen das Wahre, dessen Abglanz wir nur wahrnehmen. Die "Wahlverwandtschaften" sind seine berühmteste Gleichnisrede über die Anziehung, Abstoßung und Verwandlung, über Freiheit und Bestimmung, wie sie chemischen Stoffen nicht anders als der Seele widerfährt. Denn alles Existierende ist nur ein Analogon alles Existierenden, das in steter Bewegung schwankt.
Georg Schwedt, der "Goethe als Chemiker" behandelt, hat eine hohe Achtung vor dem gegenständlichen Denken dieses Betrachters der lebendigen Natur. Er folgt den Lebensspuren Goethes und entwickelt darüber eine Geschichte der Chemie innerhalb der Geschichte eines individuellen Lebens. Er hält sich an Goethes wissenschaftliche Devise: Ich lehre nicht, ich erzähle, und bestätigt darüber Goethes Vermutung, dass die Geschichte einer Wissenschaft, gebrochen durch ein Individuum, eben die Wissenschaft ist, die Veranschaulichung ihrer Fragen, Antworten, Methoden und Zwecke. Der junge Goethe wollte die Geheimnisse der Natur im Zusammenhang kennen lernen. Dabei blieb es ein Leben lang, angefangen mit Experimenten in alchimistischer Tradition, die sich dann zu wissenschaftlichen Versuchen läuterten unter dem Einfluß der sich verwissenschaftlichenden Naturbetrachtung. Er begann als Dilettant und eroberte sich nach und nach, ein geborener Pendant, der er war, wie er stolz bekannte, die strengen Methoden der zeitgenössischen Naturkunde. Freilich wollte er immer ein Liebhaber bleiben, ein Liebhaber des Lebendigen, der ein- und ausatmenden Natur. Ihn störte eine mathematische Begrifflichkeit, die Starrheit der Formeln, er suchte nach seinen eigenen Ausdrucksformen, was ihm gelang, von der Wissenschaft aber kaum gedankt wurde. Mit treuer Andacht vor dem Detail vereinzelte er die zu beobachtenden Phänomene, schied, trennte. zergliederte, um von der Anschauung zum Begriff zu gelangen. Aber zugleich verlangte es nach neuen Verbindungen, nach Ideen, nach lebenserfüllten Synthesen.
Er zweifelte, ob ein Jahrhundert, das sich vor Synthesen fürchtet, auf dem rechten Weg sein könne, gerade bei chemischen Bemühungen, die von ausgebreitetster Anwendung und damit von grenzenlosem Einfluss auf das Leben sind. Das Nutzbare, das Anwendbare verwarf er nicht, ganz im Gegenteil, darin erkannte er Vorteile für das Leben. Ihn interessierten Mineralwässer, Medikamente, die Gewinnung von Zucker aus Runkelrüben, Stickstoffdüngung, Gasbeleuchtung, selbst Versuche, mit Zucker und kohlensaurem Natron den herben Saalewein in kräftig moussierenden Champagner zu verwandeln. Die Chemie für das praktische Leben umgriff auch Kosmetika, derer sich der Mann von fünfzig Jahren in den "Wanderjahren" bedient. Der Kaufmannsgeist wehte auch den Staatsbeamten an, der an die Produktion auf Chemie beruhender "Lebenshilfen" dachte. Ganz abgesehen davon, dass er mit Sorgfalt sich um zu berufende Professoren und den akademischen Nachwuchs wie dessen Förderung kümmerte, nicht zuletzt auch aus dem ureigensten Bedürfnis, anregende, ihn unterrichtende Gesprächspartner zu finden, die seine wissenschaftliche Phantasie belebten, da nur eine methodisch geschulte Einbildungskraft der Natur gewachsen sein konnte.
Unter den Chemikern suchte er Genialität mit praktischer Tendenz, und gerade darüber machte er die Chemie sehr populär in Weimar. Schiller sah anfänglich im Naturtreiben der Weimarer Sekte eine gewisse kindliche Einfalt der Vernunft, bis er ahnte, dass dem durchaus Ideen zu Grunde lagen. Zuweilen legte der erhabene Sinn Goethes das Große in das Leben und suchte es nicht darin. Er liebte den Granit, das Symbol alles Beständigen, in dem er das Urgestein vermutete. Ihm waren mitten in einer revolutionären Zeit Vulkane ungemütlich, überhaupt Theorien einer Weltentstehung, die gleichsam Vorgänge in einer "vermaledeiten Polterkammer" systematisierten. Sein geplanter Roman der Erde sollte die ruhigen Verwandlungen schildern, die allem Natürlich-Lebendigen, wie bei Ovid, zu einem neuen Glück verhelfen. Mit der Poesie hob die Weltdeutung und Welterklärung an, zur Poesie sollte der trennende wissenschaftliche Geist wieder zurückfinden. In seinen späten Werken, vor allem im Faust II, verbergen sich im lyrischen Gewand die Ergebnisse seines forschenden Staunens. Georg Schwedt setzt sie in Beziehung zu dem mathematischen Geist naturwissenschaftlicher Forschung, wie sie diesen ergänzen, selbst dort, wo sie ihm nicht genügen können. Er legt keine systematische Analyse vor, er stellte ein Lesebuch zusammen, das bis in entlegenste Bezüge die Funktion der Chemie in Goethes Leben verdeutlicht und damit eine überraschende Annäherung an den Dichter und Wissenschaftler erlaubt, der wie alles Lebendige kein Eins, immer ein Vieles ist. "Immer wechselnd, fest sich haltend,/nah und fern und fern und nah;/So gestaltend, umgestaltend. -/Zum Erstaunen bin ich da."
EBERHARD STRAUB
Georg Schwedt: "Goethe als Chemiker". Springer Verlag, Heidelberg 1998. 382 S., 26 Abb., geb., 79,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Aus den Rezensionen: "Pionier. Goethe und die Naturwissenschaften - Sprache und Gefühl treffen auf Neugier und Forschergeist. Der Autor, Professor der Chemie, studiert und zitiert Goethes gesammelte Werke und Schriften, Tagebücher und Briefe bis hin zu seinen eigenen naturwissenschaftlichen Texten. ... Die Zitate sind dabei genauso frisch und anregend zu lesen, wie sie vom Autor klug ausgewählt und in ihre Zeit historisch eingeordnet sind. Fazit: ein ganz anderer, neuer Blick auf die Geschichte der Chemie." (http://www.kno.de)