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Die Geschichte des Freien Deutschen Hochstifts und Frankfurter Goethe-Museums zur Feier seines 150jährigen Bestehens.
Das Freie Deutsche Hochstift, 1859 als ein »Bundestag des Deutschen Geistes« gegründet und 1863 durch den Erwerb des Frankfurter Goethe-Hauses ins nationale Bewusstsein getreten, feiert in diesem Jahr sein 150jähriges Bestehen. Joachim Seng schildert die bewegende und bewegte Institutsgeschichte zwischen 1881 und 1960 und schließt damit an einen 1959 erschienenen Band zur Geschichte des Hauses von seiner Gründung 1859 bis 1885 an. Joachim Seng zeigt, wie sich diese…mehr

Produktbeschreibung
Die Geschichte des Freien Deutschen Hochstifts und Frankfurter Goethe-Museums zur Feier seines 150jährigen Bestehens.

Das Freie Deutsche Hochstift, 1859 als ein »Bundestag des Deutschen Geistes« gegründet und 1863 durch den Erwerb des Frankfurter Goethe-Hauses ins nationale Bewusstsein getreten, feiert in diesem Jahr sein 150jähriges Bestehen. Joachim Seng schildert die bewegende und bewegte Institutsgeschichte zwischen 1881 und 1960 und schließt damit an einen 1959 erschienenen Band zur Geschichte des Hauses von seiner Gründung 1859 bis 1885 an. Joachim Seng zeigt, wie sich diese Frankfurter Bürgerstiftung aus den bescheidenen Anfängen zu einem international geschätzten deutschen Kulturinstitut und einer bedeutenden Forschungsstelle für die Goethezeit und Romantik entwickelte. Geschildert wird der Ausbau der Sammlungen unter Otto Heuer und die Gründung des ersten Frankfurter Goethe-Museums sowie dessen Erweiterung durch Ernst Beutler. Die Geschichte des Instituts ist zugleich ein wichtiges Stück Kultur-, Stadt- und Nationalgeschichte. In Heuers Amtszeit fallen der Erste Weltkrieg und die Inflation, Beutler organisiert die »Volksspende für Goethes Geburtsstätte« und baute die Sammlungen konsequent aus. Er war es auch, der das Freie Deutsche Hochstift ab 1933 vor der Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten bewahrte und sich um den originalgetreuen Wiederaufbau des 1944 vollständig zerstörten Goethe-Hauses kümmerte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2010

Täglich sinnvolle Arbeit nicht nur im Dienste Goethes
Joachim Seng erzählt anhand der wechselvollen Geschicke des Freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt eine deutsche Bildungsgeschichte

Am 28. August 1945, Goethes Geburtstag also, sitzen der Direktor Ernst Beutler und sein Sohn Christian auf den Trümmern des Goethehauses am Großen Hirschgraben in Frankfurt. Es scheint fast aussichtslos, aus dem Schutt wieder ein Haus, ein Museum, ein Literaturzentrum zu schaffen. Aber Beutler hatte das Unheil kommen sehen, hatte alles vorbereitet, das Haus abzeichnen und fotografieren lassen, das Inventar in Sicherheit gebracht, sogar schon Geld im Ausland gesammelt. Nun war der rechte Augenblick gekommen. Am Abend dieses Tages hielt er einen Vortrag im Sendesaal des Rundfunks in der Eschersheimer Landstraße, "nur sitzend", wie er berichtet, "weil ich zum Stehen zu schwach war". Jener Vortrag war zugleich ein nationaler und internationaler Aufruf, das Haus wieder aufzubauen.

Dies ist der eigentliche dramatische Höhepunkt des Buchs, die Rettung der Sammlungen und der anfangs umstrittene Wiederaufbau. Er kommt, wie es im Drama sein muss, erst im letzten Akt (1945 bis 1960) - und die Geschichte geht gut aus. Wiederum am 28. August 2009 hat das Freie Deutsche Hochstift seinen hundertfünfzigsten Geburtstag gefeiert (F.A.Z. vom 31. August). Dabei wurde mehrfach an die Gründungsgeschichte erinnert, an den idealistischen "1848er" und Naturwissenschaftler Otto Volger, zu gleichen Teilen Romantiker, Revolutionär, Bildungsbürger und Tatmensch, der die Institution im Schwung der nationalistischen und freiheitlichen Schillerfeier 1859 gegründet und bald darauf das Goethehaus erworben hatte.

"Die Deutschen haben das Recht, Vereine zu bilden", hatte die Paulskirchenverfassung verheißen. Das taten sie dann auch. Als sich die Welle nach der Reichsgründung aber wieder verlief, begannen die Schwierigkeiten. Ein Problem wurde zunächst der Gründer selbst, ungeachtet seiner großen Verdienste um das Goethehaus. Er musste 1881 regelrecht entmachtet werden. Dieser erste Teil der Geschichte des Hochstifts ist 1959 von Fritz Adler beschrieben worden; der Untertitel seines Buchs lautet "Erster Teil 1859 - 1885".

Hier setzt nun Joachim Seng ein, Germanist und Spezialist für Paul Celan und Hugo von Hofmannsthal, seit 2007 Leiter der Bibliothek im Hochstift. Er saß und sitzt mitten im gedruckten und ungedruckten Material. Sein Buch ist der zweite Teil der Geschichte. Sie reicht von der Entmachtung Volgers bis zum Ende der Ära Beutler 1960. Die Vertrautheit mit dem Haus und seinen Schätzen, der für die Forschung unentbehrliche Fleiß und sprachliches Geschick haben uns ein spannendes Werk beschert, nicht nur ein Hausbuch des Hochstifts selbst, sondern im Kern eine deutsche Bildungsgeschichte von der wilhelminischen Zeit über Ersten Weltkrieg, Inflation und Weltwirtschaftskrise, Renovierung des Hauses und Goethefeier 1932, Absturz in die NS-Zeit und den Zweiten Weltkrieg bis zum Wiederaufbau in den Jahren 1945 bis 1954.

Wer dieser langen Wegstrecke aufmerksam folgt, wird vor allem die beiden Direktoren Otto Heuer (1854 bis 1931), den Schöpfer des Goethe-Museums, und Ernst Beutler, den von 1925 bis zu seinem Tod 1960 rastlos wirkenden Steuermann durch alle Fährnisse, bewundern. Das Hochstift war zunächst eine idealistisch freie, aber ordensartig strukturierte Bildungseinrichtung, eine Art Volkshochschule in einer Stadt, die noch über keine Universität verfügte. Es mutierte dann zu einem bürgerlich gestimmten Goethe-Museum, dessen pädagogische Aufgabe ab 1914 an die Universität abgegeben wurde. Umso intensiver wurde aber gesammelt. Viele Familien vermachten ihre "Goetheana" dem Hochstift, anderes kam aus Kunsthandel und Antiquariaten hinzu. Der "Goetheschatz" wuchs an zu einer der interessantesten nationalen Gedenkstätten. Das Haus der Geburt und Jugend des Dichters fungierte als Museum, das Hochstift als Bibliothek und Forschungsstätte, zugleich als Ort der kulturellen Vermittlung durch Ausstellungen, Lesungen und Vorträge.

Beutler hatte ein schlecht dotiertes und durch die Inflation nahezu auf den Nullpunkt gekommenes Haus übernommen. Er schaffte zunächst die Renovierung des Goethehauses zur Feier des hundertsten Todestages Goethes 1932 - mitten in der Weltwirtschaftskrise. Erst langsam entwickelte auch die Stadt trotz der finanziellen Krisen nach dem Krieg, ein Verantwortungsgefühl für das Hochstift, seine Sammlungen und Erweiterungsabsichten. Dies war umso wichtiger, als sich das zuständige Land Preußen zeitweise abwendete und nicht weiter subventionierte. In der NS-Zeit steigerten sich die finanziellen und persönlichen Pressionen sprungartig, zum einen wegen der Spannungen zwischen dem gemäßigten nationalsozialistischen Oberbürgermeister Krebs und dem fanatischen Gauleiter Sprenger, dann wegen der vielen "nichtarischen" Mitglieder des Hochstifts, schließlich wegen der "nichtarischen Versippung" des Direktors selbst. Trotz aller dieser Widrigkeiten sammelte das Hochstift weiter, veröffentlichte, kooperierte mit den Weimarer Sammlungen und feierte jährlich Goethes Geburtstage.

Als Motor des Ganzen immer wieder: Ernst Beutler. Er schaffte es sogar, dass die Mitgliederzahlen während des Krieges anstiegen wie nie zuvor, als wolle man sich in der Not enger um das Goethehaus scharen. Am Todestag Goethes, 22. März 1944, brannte es aus und stürzte ein. Beutler war sofort mit Plänen und Spendenaufrufen zur Stelle. 1951 stand das Haus wieder, 1954 auch das Goethe-Museum.

Ohne Zweifel war es die richtige Entscheidung, ebenso wie der parallele Wiederaufbau der Paulskirche. Beide Häuser verkörperten damals wie heute ein besseres Deutschland als das in Trümmern liegende Nazi-Deutschland. Wenn es Hoffnungen auf einen demokratischen und humanen Neuanfang gab, dann auf dem Weg einer modernisierten Verfassungstradition der Paulskirche, die genau hundert Jahre später im Parlamentarischen Rat wiederaufgenommen und mit dem Grundgesetz vollendet wurde. Das Hochstift hatte für diesen Neuanfang zwar keine unmittelbar umsetzbare politische Botschaft. Aber es symbolisierte doch für jeden, der willig war, die Zusammenhänge zu erkennen, Goethes Weltoffenheit und klassizistische Humanität, seinen Pragmatismus täglicher sinnvoller Arbeit, die Rückkehr (vielleicht auch die "Flucht") aus dem Albtraum eines unvorstellbaren Menschheitsverbrechens durch Deutsche und im deutschen Namen, zu kulturellen Werten, die man ebenso unversehrt glaubte wie das Inventar des Goethehauses.

Beutlers Nachfolger Detlef Lüders, Jahrgang 1929, setzte die schon zuvor geplante Erweiterung des Blicks von der Weimarer Klassik auf die Romantiker praktisch um. Für Frankfurt war es naheliegend, sich auf die Werke Clemens Brentanos zu konzentrieren, aber auch an die von Bettine und Achim von Arnim, von Karoline von Günderrode und Novalis wurde gedacht. Daraus entstand die seit 1975 realisierte gewaltige Ausgabe sämtlicher Werke und Briefe Brentanos. Ab 1966 kam die Kritische Ausgabe Sämtlicher Werke Hugo von Hofmannsthals hinzu, in Gang gesetzt von Rudolf Hirsch (1905 bis 1996). Mit anderen Worten: Das Haus erweiterte seine Perspektive über Goethe hinaus und übernahm historisch-kritische Editionsaufgaben von zentraler Bedeutung für die Nationalliteratur. Aber die Epoche Lüders, von Hermann Josef Abs autokratisch beendet, ist ebenso wenig Gegenstand des Buches von Seng wie die folgende von Christoph Perels. Lüders wie Perels haben Erhebliches für das Hochstift geleistet, und die jetzige Direktorin Anne Bohnenkamp-Renken setzt dies seit 2003 bravourös fort, etwa mit einer digitalen "Hybrid-Edition" der Materialien zu Faust I und II.

Kurzum: Die seit 1960 vergangenen fünfzig Jahre verlangen nach einem Dritten Teil, der spätestens zum zweihundertsten Geburtstag des Hochstifts 2059 vorliegen müsste. Dort könnte dann vielleicht stehen, dass es mit Hilfe der Stadt gelungen sei, eine Erweiterung des Museums vorzunehmen, ein Gästehaus für Stipendiaten aus aller Welt zu schaffen, ein Stipendienprogramm zu finanzieren und anderes mehr. Das ist Zukunftsmusik. Bis es so weit ist, sollte man sich an dem lebendig geschriebenen, gut bebilderten und ausgestatteten Band von Joachim Seng erfreuen.

MICHAEL STOLLEIS

Joachim Seng: "Goethe-Enthusiasmus und Bürgersinn". Das Freie Deutsche Hochstift - Frankfurter Goethe-Museum 1881-1960. Wallstein Verlag, Göttingen 2009. 615 S., Abb., geb., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Michael Stolleis lässt sich vom Goethe-Enthusiasmus, von dem dieser Band handelt, anstecken. Was Joachim Seng, hier vorlegt, ist für ihn die Fortsetzung der Geschichte des Hochstifts (1859-1885), wie sie Fritz Adler 1959 beschrieben hat. Der Band deckt die Zeit bis 1960 ab. Dass Seng seine Aufgabe mit dem Fleiß des gewissenhaften Forschers und mit sprachlichem Geschick meistert, freut den Rezensenten sichtlich. Entstanden ist laut Stolleis mehr als ein Hausbuch des Hochstifts: eine lebendig geschriebene, gut ausgestattete und illustrierte deutsche Bildungsgeschichte von der wilhelminischen Zeit bis zum Wiederaufbau einer der "interessantesten nationalen Gedenkstätten" 1954.

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