Nackte Ganymede und ihr göttlicher Entführer; der fast weibliche Apoll von Belvedere; zwei schöne nackte Jünglinge, von denen einer dem anderen den Arm über die Schulter legt: Die Kunstwerke im Treppenhaus von Goethes Wohnhaus in Weimar sind nicht nur antike Klassiker, sondern auch ein homoerotisches Bildprogramm par excellence. Und in seinem dichterischen Werk, von der frühen Vorliebe für androgyne Gestalten über die obszönen Witze im Umfeld der »Römischen Elegien« bis zur Geschlechterverwirrung der »Grablegung« in »Faust II« beschäftigt sich Goethe ebenfalls intensiv mit dem Thema der gleichgeschlechtlichen Liebe. In dieser Werkbiographie mit Blick aufs andere Ufer enthüllt W. Daniel Wilson einen überraschenden 'homosexuellen' Impuls in Goethes Werk, der von sublimer romantischer Liebe bis zu fast pornographischer Derbheit reicht. In bestechenden Einzelanalysen zeigt Wilson, wie Goethe in seinen Werken die Grenze zwischen gleichgeschlechtlicher und gegengeschlechtlicher Liebe schrittweise verwischt. Und Goethe bereichert die mann-männliche Liebe durch ein entscheidendes Moment: das der Partnerschaftlichkeit. Damit stößt er der gleichgeschlechtlichen Liebe das Tor zur Moderne auf.- mit zahlreichen Abbildungen
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Mit viel Lob bespricht Rezensent Jens Bisky W. Daniel Wilsons drittes Buch "Goethe. Männer. Knaben" Der Kritiker liest hier eine "erhellende" Studie über Goethes lebenslange Beschäftigung mit der gleichgeschlechtlichen Liebe, die seiner Meinung nach insbesondere dadurch gewinne, dass Wilson der biografischen Frage, ob Goethe auch "schwul" gewesen sei, nur kurz nachgehe und stattdessen seine besondere Konzentration auf die homoerotischen Verweise in Goethes Werk lege. Überrascht entdeckt Bisky erstmals nicht nur deutliche Bezüge auf Knabenliebe im "Faust" oder in "Wilhelm Meisters Wanderjahren", sondern stellt auch erstaunt fest, dass Goethe in seiner Zeit, in der Homophobie häufig in Begleitung mit einem neuen Antisemitismus auftrat, bemerkenswert liberale und "kecke" Ansichten über die gleichgeschlechtliche Liebe und Partnerschaft äußerte. Auch wenn den Rezensenten die ein oder andere Überzeichnung der Thematik ein wenig gestört hat, erscheint ihm dieses Buch als durchaus "gelungene" Hinführung zu Goethe.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Es gehört zu den Verdiensten Wilsons, dass er mit zahlreichen Abbildungen auch jenes große Bildprogramm sichtbar macht, mit dem Goethe im Treppenhaus und Büstenzimmer seines Domizils mit trotziger Toleranz den moralinsauren Homophobie-Tendenzen seiner Zeit Paroli bot.« Manfred Osten Frankfurter Allgemeine Zeitung 20121231
»Wilson hat eine gründliche Studie vorgelegt, die eindrücklich Goethes Unbefangenheit und Liberalität in Fragen der Sexualmoral und privaten Lebensführung belegt und die zugleich ein gewichtiger Beitrag zur Geschichte der Homosexualität und der menschlichen Gefühle überhaupt ist.«