Parodistisch inszenierte Texte korrespondieren mit generellen Veränderungstendenzen innerhalb des Literatursystems einer sozialhistorischen Kommunikationsgemeinschaft und können als affirmativer »Nebengesang« oder als kritischer »Gegengesang« zu dem literarischen »Hauptgesang« in Erscheinung treten. Klassifiziert man die große Zahl der der im 19. und 20. Jahrhundert entstandenen deutschsprachigen Parodien nach dem jeweils zugrundegelegten Originalwerk, so fällt auf, daß es in erster Linie die sogenannten »klassischen« Autoren - also Goethe und Schiller - sind, die die Aufmerksamkeit der Parodisten auf sich ziehen. Jedoch stellen spätestens seit 1871 nicht mehr Schiller, sondern Goethe und sein literarisches Oeuvre eine permanente Herausforderung für die Parodien-Schreiber dar. Bei der Suche nach Erklärungen für die zahlreichen parodistischen Reflexe auf Goethe-Werke muß die Wechselbeziehung zwischen textsortenspezifischen Charakteristika der parodistischen Schreibweise und sozial-historischen Kontextbedingungen der literarischen Kommunikationsgemeinschaft beleuchtet werden.