»... daß ich Eins und doppelt bin«. Für Goethe symbolisierte das gefächerte Ginkgo-Blatt seine gespaltene Existenz als Mensch und Dichter. Als Zeichen seiner Liebe, die er auch um seines Werken willen opferte, schickte er auch Marianne von Willemer ein Blatt des Ginkgo-Baumes. In der Stimmung des endgültigen Abschieds entwarf er jenes Gedicht, das wie kein anderes die Ambivalenz von Liebe und Kunst einfängt.
Siegfried Unseld beschreibt die Geschichte des außergewöhnlichen Baums, er schildert die Beziehung zwischen Goethe und Marianne von Willemer und die Entstehungsgeschichte eines der bedeutendsten Gedichte der Weltliteratur.
Siegfried Unseld beschreibt die Geschichte des außergewöhnlichen Baums, er schildert die Beziehung zwischen Goethe und Marianne von Willemer und die Entstehungsgeschichte eines der bedeutendsten Gedichte der Weltliteratur.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.09.1999Widerständig und den Zeiten trotzend
Über Goethe und den Ginkgo ist ein kleines Bändchen erschienen, dessen beneidenswert schöne Ausstattung es zu einem verdienten Mitglied der "Insel Bücherei" macht. Erzählt wird darin eine Geschichte aus dem Spätsommer des Jahres 1815, als der Dichter einige Tage in der Frankfurter Gerbermühle wohnt und mit der Gastgeberin Marianne Willemer Verse wechselt, die man heute im "West-östlichen Divan" nachlesen kann. Scheinbar nur eine kurze Epoche in Goethes Leben, haben sie für seine Alterslyrik Epoche gemacht: ein leichtes Spiel mit schwer verständlichen Andeutungen, in denen nur durch das Blattwerk des besungenen Ginkgo Liebe scheinen darf. "Daß ich Eins und doppelt bin", heißt es rätselhaft in dem Gedicht "Gingko Biloba". Warum der große Verleger Siegfried Unseld diese Geschichte um Goethe und den Ginkgo gerade jetzt leichthändig nacherzählt, erfährt nur, wer das Pflanzenkapitel mit aller Aufmerksamkeit liest: Die Sätze über diesen "Urvater der Bäume" malen nämlich ein verborgenes Selbstporträt Siegfried Unselds im Verlegerwald. Wie anders wäre der mehrfache Hinweis zu deuten, der Ginkgo sei ein "Symbol der Unbesiegbarkeit" und zwischen allen anderen bekannten Arten weiter "nicht klassifizierbar"? Wer anders als der Suhrkamp-Verleger kann gemeint sein mit dem "robusten Baum, widerstandsfähig, keine Schädlinge wagen sich an ihn"? Das Baumporträt als erlaubte Selbstmystifikation eines unbeirrten Büchermachers, dem an seinem heutigen 75. Geburtstag zu wünschen ist, was Goethe ein Vorrecht allein des begabten Menschen genannt hat: immer wieder seine "temporäre Verjüngung" erleben zu dürfen.
twz
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Über Goethe und den Ginkgo ist ein kleines Bändchen erschienen, dessen beneidenswert schöne Ausstattung es zu einem verdienten Mitglied der "Insel Bücherei" macht. Erzählt wird darin eine Geschichte aus dem Spätsommer des Jahres 1815, als der Dichter einige Tage in der Frankfurter Gerbermühle wohnt und mit der Gastgeberin Marianne Willemer Verse wechselt, die man heute im "West-östlichen Divan" nachlesen kann. Scheinbar nur eine kurze Epoche in Goethes Leben, haben sie für seine Alterslyrik Epoche gemacht: ein leichtes Spiel mit schwer verständlichen Andeutungen, in denen nur durch das Blattwerk des besungenen Ginkgo Liebe scheinen darf. "Daß ich Eins und doppelt bin", heißt es rätselhaft in dem Gedicht "Gingko Biloba". Warum der große Verleger Siegfried Unseld diese Geschichte um Goethe und den Ginkgo gerade jetzt leichthändig nacherzählt, erfährt nur, wer das Pflanzenkapitel mit aller Aufmerksamkeit liest: Die Sätze über diesen "Urvater der Bäume" malen nämlich ein verborgenes Selbstporträt Siegfried Unselds im Verlegerwald. Wie anders wäre der mehrfache Hinweis zu deuten, der Ginkgo sei ein "Symbol der Unbesiegbarkeit" und zwischen allen anderen bekannten Arten weiter "nicht klassifizierbar"? Wer anders als der Suhrkamp-Verleger kann gemeint sein mit dem "robusten Baum, widerstandsfähig, keine Schädlinge wagen sich an ihn"? Das Baumporträt als erlaubte Selbstmystifikation eines unbeirrten Büchermachers, dem an seinem heutigen 75. Geburtstag zu wünschen ist, was Goethe ein Vorrecht allein des begabten Menschen genannt hat: immer wieder seine "temporäre Verjüngung" erleben zu dürfen.
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