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Der Klassiker
Johann Wolfgang von Goethe war der größte deutsche Dichter. Sein Werk markiert die Spitze der deutschen Klassik, sein Leben machte ihn zum Idealtypus des Dichtergenies. Mit fünfundzwanzig schrieb Goethe den Werther-Roman, der zu einem europäischen Ereignis wurde. Seine kraftvollen, gefühlsbetonten Gedichte markierten einen Wendepunkt in der deutschsprachigen Lyrik. Dramen wie der "Faust" wurden dank ihrer Erlebnistiefe zu Meilensteinen für das Theater. Doch nicht nur sein literarisches Werk hebt Goethe als Künstlerpersönlichkeit hervor, als vielseitiger Denker nahm er Einfluss…mehr

Produktbeschreibung
Der Klassiker

Johann Wolfgang von Goethe war der größte deutsche Dichter. Sein Werk markiert die Spitze der deutschen Klassik, sein Leben machte ihn zum Idealtypus des Dichtergenies. Mit fünfundzwanzig schrieb Goethe den Werther-Roman, der zu einem europäischen Ereignis wurde. Seine kraftvollen, gefühlsbetonten Gedichte markierten einen Wendepunkt in der deutschsprachigen Lyrik. Dramen wie der "Faust" wurden dank ihrer Erlebnistiefe zu Meilensteinen für das Theater. Doch nicht nur sein literarisches Werk hebt Goethe als Künstlerpersönlichkeit hervor, als vielseitiger Denker nahm er Einfluss auf die gesamte europäische Geistesgeschichte und widmete sich auch naturwissenschaftlichen Forschungen und seiner politischen Tätigkeit am Weimarer Hof. Schnellkurs Goethe bietet einen Überblick über all diese Facetten und stellt Goethes Leben an den Wirkungsstätten Frankfurt, Leipzig, Straßburg, Italien und Weimar knapp und konkret vor. Die Dichtungen und nichtpoetischen Schriften Goethes werden vor dem Hintergrund der Zeitgeschichte präzise und anschaulich beschrieben und analysiert. Neben den Hauptwerken treten auch weniger bekannte Bereiche seines Schaffens ins Blickfeld, wie seine erotischen Dichtungen oder die Naturforschung. Eingeleitet wird der Kurs durch ein ausführliches Kapitel über Goethes Wirkungsgeschichte und den Wandel des Goethe-Bildes.
Autorenporträt
Dieter Borchmeyer, geb. 1941, lehrt Neuere deutsche Literatur und Theaterwissenschaft an der Universität Heidelberg. Zahlreiche Publikationen und Editionen auf dem Gebiet der deutschen Literatur- und Theatergeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2000

Das letzte Fest der alten Welt
Dieter Borchmeyer zeichnet Goethe als Zeitbürger

Diese "Summe der sich über ein Vierteljahrhundert erstreckenden Beschäftigung mit Goethe" läuft auf ein einziges Wort zu. Wie ein geheimes Programm könnte es allen früheren Arbeiten Borchmeyers als Richtschnur gedient haben, und nun löst es, als Titel seines Buches ins rechte Licht gerückt, wie ein Zauberstab alle Interpretationen aus ihrer Vereinzelung: "Zeitbürger". Es ist ein Wort von Schiller: "Man ist ebensogut Zeitbürger, als man Staatsbürger ist." Die Zeitbürgerschaft ist somit das genaue Gegenteil von jener Überzeitlichkeit, die zum Merkmal der Klassik werden sollte. "Ein ,Zeitbürger' im Sinne des von Schiller erfundenen Worts ist Goethe zeitlebens gewesen", behauptet Borchmeyer nun auf der ersten Seite seines Buchs und entfaltet dies auf allen folgenden mit der pädagogischen Begeisterung dessen, der überzeugt ist, damit seinen eigenen Zeitgenossen einen Dienst zu erweisen.

Das Buch wendet sich weniger an Fachgenossen als an den "gebildeten Leser", dem man es ohne Einschränkung empfehlen kann. Borchmeyer hat den Umgang mit Literatur und Kunst noch vor aller Dekonstruktion gelernt und sich den Glauben an die Möglichkeit eines historischen Urteils erhalten. Es fällt in der Regel wohlwollender aus, als eine lange Tradition denkmalstürzender Kritik erwarten lässt.

Borchmeyer schreibt mit Enthusiasmus, rhetorischem Geschick und im festen Vertrauen darauf, verstanden zu werden. Die neuere Forschung zitiert er gern anerkennend, Polemik ist nicht seine Sache, so dass man den Eindruck gewinnen könnte, fast alle lebenden Goetheforscher seien in einem Freundschaftsbund vereint. Wo etwas widerlegt werden muss, klingt es darum leicht etwas hölzern: "Wer auf den Spuren von Marx oder Freud als Ausdruck bürgerlicher Misere oder selbstverkrüppelnder Triebunterdrückung decouvriert, kann jedenfalls nicht darauf rekurrieren, dass die Wanderjahre aufgrund ihrer desintegrativen Form vom immanenten Widerruf gegen ihre eigenen Weisheiten leben." Wenn man das Bedürfnis hat, einen Satz zweimal zu lesen, handelt es sich aber meist um ein Zitat.

Die Darstellung geht chronologisch vor und zeigt den Zeitbürger Goethe in vier Epochen, die Aspekte der Jahrhundertwende repräsentieren. Das zentrale Thema ist die moderne Subjektivität. Ihre Wege und Irrwege hat Goethe mit Luzidität verfolgt: "So entschieden Goethe in seiner Dilettantismus-Kritik der falschen Subjektivität den Kampf ansagt, so sehr ist er von dem modernen . . . erkenntnis- und wahrnehmungstheoretischen Subjektivitätsprinzip, von der in ihm gründenden Gesetzlichkeit der Gegenstandswelt überzeugt." Die Zeitverbundenheit von Goethes Werken brachte es mit sich, dass sie unter veränderten Umständen ihre ursprüngliche Wirkung einbüßten. Goethe hat darum die "Zeitbürgerschaft" einiger seiner Werke den neuen Verhältnissen angepasst, in anderen Fällen sie aber auch als Dokumente einer anderen Zeit belassen.

Der zweite Teil "Das letzte Fest der alten Welt - Ancien Régime und Revolution im literarischen Kontrast" ist der umfangreichste. Es geht um die Revolution und den Idealtyp des aufgeklärten Herrschers (dabei auch um Goethes eigene politische Tätigkeit in Weimar), um Iphigenie "als Rettung des Mythos im Geiste der Aufklärung". Der dritte Teil ("Klassik im Gegenlicht - Weimars ,hochgesinnte' Verschwörung") vereinigt vier unterschiedliche Themen (Goethe und Schiller, Bühnenästhetik, Erotik, Musik). Zwar lassen sie sich auf Goethes Zeitbürgertum beziehen, doch drängt sich bei der Lektüre der Eindruck auf, dass es sich mehr um gesammelte Einzelstudien als um das Kapitel eines neuen Buchs handelt. Die Wiedergabe einer Kontroverse mit Albrecht Schöne um ein Interpretationsdetail von "Alexis und Dora" hätte wohl hier fehlen dürfen, Gleiches gilt für einen Abschnitt über Goethe und Stifter im letzten Kapitel.

Ein wichtiger Abschnitt befasst sich mit Goethes Musikologie ("Gegenwelt der Töne"). Auch hier soll Goethe rehabilitiert werden: Seine musikalische Kompetenz sei unterschätzt worden. Was bei dieser gründlichen Revision zum Vorschein kommt, ist freilich weniger ein musikalischer Goethe als eine durch und durch "goethesche" Musik! Man sieht es deutlich an jenem so genannten Dur-Moll-Streit, in dem Goethe als "Dualist" den Moll-Akkord ebenso wie den Dur-Akkord in der Natur selbst begründet findet, während die "Monisten", insbesondere der Freund Karl Friedrich Zelter, den Moll-Akkord lediglich als einen getrübten Dur-Akkord und die kleine Terz als eine erniedrigte große ansehen. Goethes Sympathie gilt dem Dualismus, weil er seiner Anschauung der gesamten Welt entspricht: Er erlaubt ihm, dem Dur die "Farben von der Plusseite" (rot) und dem Moll die "Farben von der Minusseite" (blau) zuzuordnen. In der Tat hat sich ein Gefühl für einen quasi semantischen Unterschied der beiden "Tongeschlechter" gerade erst herausgebildet, wie man bei C. Ph. E. Bach und Haydn nachweisen kann.

Goethe hängt überhaupt an der Vorstellung, dass Musik zu bedeuten habe, und widersteht der Tendenz zur "absoluten" Musik, wie sie Hanslick 1854 formulieren wird. Aber insgeheim weiß er, dass es mit der "Bedeutung" in der Musik nicht weit her ist, denn er konstatiert, dass hier "das Bezeichnete mit dem Bezeichnenden in fast gar keinem Verhältnis zu stehen scheint". Diese jedem Hörer zugestandene weitgehende Willkür in der Verbindung des "Bezeichneten" mit dem "Bezeichnenden" fasst Goethe selber in einen seiner Lieblingsbegriffe: Symbolik. "Diese nur symbolische Vermittlung von Signifikand und Signifikat statt ihrer direkten Relation scheint Goethe der besondere Vorzug der Musik vor der Sprache zu sein", meint Borchert - und hilft Goethes Vorstellung mit einem kleinen sinnstiftenden Lapsus auf die Beine: Das "Bezeichnende" von Goethe ist, ganz der Theorie von Ferdinand de Saussure entsprechend, ein substantiviertes Partizip ("le signifikant"). Der "Signifikand" bei Borchmeyer ist aber allenfalls ein Gerundium, also das zu Bezeichnende. So hätte es Goethe gern, und so versteht er es ja auch. Nicht ein Gegenstand in der wirklichen Welt wird durch Musik bezeichnet, sondern umgekehrt: Der Gegenstand wird vom Hörer in die Musik hineingehört. Kein Wunder, dass er ihm anschließend daraus entgegentönt.

Der letzte Teil zeigt Goethe vor allem als postumen Zeitbürger. Wo er besonders unzeitgemäß erschien, hat die neuere Forschung seinen Vorsprung erkannt. Gesellschaftliche Tendenzen schlagen sich bei ihm in ästhetischen Formen nieder. Am Ende wartet das brisante Kapitel "Der Mythos des 19. Jahrhunderts in zwiefacher Gestalt: Faust und Der Ring des Nibelungen". Für deren "Zusammengehörigkeit im Geiste des Epischen" kann Borchmeyer sich auf Thomas Mann berufen, aus dessen "Lotte in Weimar" er übrigens die Motti auswählt, die mit überraschender Treffsicherheit über den Kapiteln des Buches stehen, eine Hommage an den Goethekenner im Romancier. Die gesellschaftliche Wirklichkeit des neunzehnten Jahrhunderts stellt sich in beiden Werken als Herrschaft der Unnatur dar, der eine erträumte Natur entgegengestellt wird. Und beide transzendieren diesen Mythos noch einmal in einer Erlösungsvision, Goethe in Fausts Aufstieg zur "seligen Schar", und Wagner erst später im "Parsifal", "dessen mystische Stimmen aus der Kuppel in ihrer abgestuften Höhe, Liebe und Glauben preisend, deutlich die ,Bergschluchten'-Szene nachklingen lassen". Das Buch endet hier etwas abrupt.

Indem Borchmeyer Goethe als den prophetischen Vorarbeiter Wagners interpretiert, macht er ihn auch ganz unabsichtlich zum stillen Teilhaber eines anderen Deutungszusammenhangs, der in seiner krudesten Form von Joachim Köhler in seinem Buch "Wagners Hitler - der Prophet und sein Vollstrecker" am Schluss des Parsifal-Kapitels so lautet: "Hitlers Millionenmord an den europäischen Juden wurde zur bleibenden Spur, die Wagners ,Parsifal' in der Geschichte hinterlassen hat." Die von Borchmeyer gezeigte Spur des Erlösungswunsches und die von Köhler behauptete des Millionenmords scheinen sich weder zu berühren noch zu kreuzen

HANS-HERBERT RÄKEL

Dieter Borchmeyer: "Goethe der Zeitbürger". Carl Hanser Verlag, München 1999. 400 S., geb., 45,- DM.

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