Beachtet man die lange vernachlässigten Phänomene ethischer Natur, befreien sich zentrale Werke Goethes von weitergeschleppter altväterischer wie neumodisch-ideologischer Verfälschung. Sie geraten auf die Füße und erweisen Goethes menschliche, ästhetische und politische Weisheit als so allgemeingültig, daß sie heute eher noch aktueller, unentbehrlicher erscheint. Äußerlich angepaßt und diplomatisch, opponierte der Dichter subversiv. So rebelliert Iphigenie gegen religiösen und weltlichen Autoritätsmißbrauch, desgleichen die unerhört analytische Liebestragödie Tasso gegen Hofdünkel. Angeblich unpolitisch, bewährt Egmont ethisch-politisches Genie in Anlehnung an Machiavelli. Der schlichte Hermann übertrifft Dorotheas imponierenden ersten Verlobten und Sympathisanten der Revolution. Die natürliche Tochter, Faust entlarven Betrug und Machtwillen hinter schönklingenden Parolen. Mit umsichtiger Diätetik der Seele, der Ethik und seiner polar ausbalancierten Kunst warnt Goethe vor dem Menschen, der an anderen zum Wolf, und rühmt ihn, wo er an ihnen zum Gott, zur Göttin wird.
«Wittkowski's book is the culmination of a life-long effort to show the refined beauty, subtlety, range, and richness of the German language in the hands of Goethe and is devoted to illuminating the ethical questions and answers that were a keystone of his thought, a keystone that is as valuable today as it was during the halcyon days of German Classicism.» (Paul E. Kerry, The Eighteenth-Century Intelligencer)