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»Jeder weiß nur für sich, was er weiß - und das muß er geheimhalten«, schrieb Goethe im 'Wilhelm Meister'. Der junge amerikanische Journalist Lucian Blackwell will es genau wissen. Um nicht an der soignierten Fassade des Weimarer Hauses am Frauenplan zu scheitern, springt er über die Gartenmauer und dringt auf diese Weise in Goethes Anwesen ein. Mit einigem Glück und der Mithilfe eines Komplizen gelangt er tatsächlich in die Nähe des Dichterfürsten, der sich als äußerst tolerant erweist und den Eindringling geradezu freundlich empfängt. Ein fabelhafter Coup für den jungen Reporter. - Eine…mehr

Produktbeschreibung
»Jeder weiß nur für sich, was er weiß - und das muß er geheimhalten«, schrieb Goethe im 'Wilhelm Meister'. Der junge amerikanische Journalist Lucian Blackwell will es genau wissen. Um nicht an der soignierten Fassade des Weimarer Hauses am Frauenplan zu scheitern, springt er über die Gartenmauer und dringt auf diese Weise in Goethes Anwesen ein. Mit einigem Glück und der Mithilfe eines Komplizen gelangt er tatsächlich in die Nähe des Dichterfürsten, der sich als äußerst tolerant erweist und den Eindringling geradezu freundlich empfängt. Ein fabelhafter Coup für den jungen Reporter. - Eine köstliche historische Miniatur, die den Goethe- und Prominentenkult aufs Vergnüglichste parodiert.

Autorenporträt
Petit, Marc
Marc Petit, Schriftsteller und Übersetzer, wurde 1947 in Paris geboren. Er hat Geschichte an der École Normale Supérieure studiert und zahlreiche deutsche Werke ins Französische übersetzt. Heute lehrt er Literaturgeschichte an der Universität von Tours. Auf deutsch sind von ihm die Romane Der Eisarchitekt (1993), Der Riesenzwerg (1996) und Uroboros (1997) erschienen
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.07.1999

Schnepfendreck am Frauenplan
Marc Petit arrangiert ein Treffen zwischen Goethe und Mephisto

Wann, wenn nicht in diesem Goethe-Jahr, wäre es endlich an der Zeit, sein "letztes Geheimnis" zu enthüllen? Angekündigt wird diese Enthüllung im deutschen Titel eines kleinen französischen Romans, dessen Original vielversprechend "Le troisième Faust" lautet. Ein gallischer Scherz also mit einem Schuß Respektlosigkeit? Das nun auch wieder nicht. Denn obwohl dieses Bändchen in sechs "Akte" eingeteilt und mit "Anmerkungen und Nachwort" von einem "Professor an der Universität Jena" mit dem grobschlächtigen Namen Friedrich Gottlob Schnepfendreck versehen ist, macht es an subtilem Witz nicht jenem "dritten Teil" des "Faust" Konkurrenz, den Friedrich Theodor Vischer einst einen gewissen Deutobold Symbolizetti Allegoriowitsch Mystifizinski in parodistischer Absicht schreiben ließ. Marc Petit ist Schriftsteller und Übersetzer sowie Lehrer deutscher Literatur, und so komisch es zuweilen in diesem Buch zugeht, so sachkundig behandelt es seinen Gegenstand und ist am Ende wohl sogar ziemlich ernst gemeint.

Wollte man diesen neuen "dritten Faust" treffend benennen, müßte man bei Erich Trunz den schönen Titel "Ein Tag aus Goethes Leben" ausleihen. Denn es geht allein um jenen 1. Oktober 1831, an dem Goethe, wie sein Tagebuch ausweist, Briefe an einen Frankfurter Oberpfarrer samt dessen Tochter entwirft, Gedichte des hoffnungslosen Talents Gustav Pfizer empfängt, sich von einem "sehr geschickten Frauenzimmerchen" namens Clara Wieck auf dem Klavier vorspielen läßt und schließlich "Correspondenz zu verbrennen" anfängt.

Es ist dieses Autodafé, das in Petits Phantasie einen weiteren Gast auf den Plan ruft, dessen Affinität zum Feuer als legendär gilt. Lucian Blackwell, ein junger amerikanischer Journalist, wurde angeblich von seinem Chef aus Baltimore nach Weimar geschickt, um dem großen Mann den noch unveröffentlichten zweiten Teil von "Faust" zu entlocken. Nur erweist sich das bald als eine Finte, denn Blackwell schleicht sich derart abenteuerlich in das Haus am Frauenplan ein, daß es nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Kurzum: Mister Blackwell ist niemand anderes als Mephistopheles persönlich, der einen Besuch bei seinem Herrn und Schöpfer abstattet. Die Idee zu einer solchen Begegnung ist nicht neu, wie das Nachwort des "Professors" selbst eingesteht. Schon Wilhelm Hauff hatte in seinen "Mitteilungen aus den Memoiren des Satans" diesen in Gestalt eines Gelehrten und in Begleitung eines jungen Amerikaners einen - allerdings folgenlosen - Besuch bei Goethe abstatten lassen. Folgenlos jedoch ist nun der zweite Besuch keineswegs, denn Mister Blackwell gelingt es, teils als Doppelgänger verschiedener Mitglieder des Weimarer Haushalts, teils als Teufelsadjunkt, dem Hausherrn Bekenntnisse, Weisheiten und Bissigkeiten durch immer neue Provokationen zu entlocken. Manches davon werden Leser von Goethes Briefen und Eckermanns Gesprächen wiedererkennen. Anderes verrät den Versuch zu einer schwierigen Dialektik, nämlich aus Goethes Einwänden das Recht zu moderner Verehrung für ihn abzuleiten. "Genügt es Euch nicht, daß Ihr Goethe seid?" fragt Blackwell seinen Gesprächspartner, nachdem er ihn gerade zu einer wilden Diatribe gegen Newton gereizt hat. Und Goethe gibt ihm zur Antwort: "Ja, aber was ist Goethe? Ein russischer Salat, ein Leipziger Allerlei . . . Erkenne dich selbst! Absurdes Gebot! Als könnte das Auge sich selbst beäugen, gegen den Strom des Lichts."

Mit Goethe-Parodien ist es eine eigene Sache. Denn Goethes vielberufene Universalität war nicht lediglich eine Erfindung der Philologie. Es gab sie wirklich, und man kann sie mit intelligentem Dilettantismus gleichsetzen. Was aber davon in seiner Lebensleistung einem außerordentlichen Talent zuzuschreiben ist, was günstige Lebensumstände zu einem neuen Weltverständnis bewirkten, wird sich im einzelnen kaum mehr trennen lassen. Nur ist es schwierig, dieser Gesamtheit parodistisch beizukommen. Die Parodie bevorzugt das einzelne, fest Umrissene, ein Gedicht zum Beispiel oder ein Drama. So ist auch Petits Buch nicht eigentlich Parodie, sondern eher ein mutiger, wenngleich nicht immer ausbalancierter Versuch, mit leichter Hand Bewunderung für diese Einzigartigkeit auszudrücken, ohne die schwere Last gelehrter Begründungen zu bemühen. Es ist ein Versuch, zwischen Scherz und Ernst, spielerischer Parodie und kundiger Biographie die Schwebe zu halten.

GERHARD SCHULZ.

Marc Petit: "Goethes letztes Geheimnis". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Rolf und Hedda Soellner. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1999. 173 S., brosch., 14,90 DM.

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