Goethes Reisen in die Schweiz stehen immer ein wenig im Schatten seiner ikonischen Italienreise. Dabei war Goethe viel öfter und auch früher in der Schweiz, es verbanden ihn nicht nur persönliche Kontakte, sondern er liebte die Landschaft und interessierte sich besonders für die Schweizer
Geschichte.
„Goethes Schweizer Reisen“ ist eine kommentierte Sammlung von Originalquellen, wobei nicht nur…mehrGoethes Reisen in die Schweiz stehen immer ein wenig im Schatten seiner ikonischen Italienreise. Dabei war Goethe viel öfter und auch früher in der Schweiz, es verbanden ihn nicht nur persönliche Kontakte, sondern er liebte die Landschaft und interessierte sich besonders für die Schweizer Geschichte.
„Goethes Schweizer Reisen“ ist eine kommentierte Sammlung von Originalquellen, wobei nicht nur Goethe als Urheber auftaucht, sondern auch aus Briefen und Tagebüchern Dritter zitiert wird, wodurch die Dokumentation besonderen Reiz enthält. Mit großer Akribie und detektivischer Sorgfalt haben die Herausgeber das Material zusammengestellt und mit zeitgenössischen Stichen, Aquarellen und Zeichnungen illustriert. So entsteht nicht nur ein oft tagesaktuelles Reisejournal, sondern durch die vielschichtigen Quellen werden Ereignisse und Begegnungen außerordentlich lebendig. Die Rituale der gehobenen Gesellschaft werden genauso thematisiert, wie die ausgeprägte Briefkultur der Zeit. Von besonderem Reiz ist der Vergleich zwischen Goethes Reisetagebüchern, die er in stark verdichteter Form führte und der literarischen Umsetzung in „Dichtung und Wahrheit“, etwa 30 Jahre später. Die wenigen Notizen scheinen in seinem Gedächtnis sofort komplexe Bilder hervorgerufen zu haben, vor allem die Personenbeschreibungen sind verblüffend genau. Hier muss man als Leser natürlich die berechtigte Frage stellen, was nun Dichtung und was Wahrheit ist. Die Präzision der Recherche zeigt allerdings, dass die einzelnen Informationsbruchstücke untereinander oft komplementär sind und sich aufs Beste ergänzen. Man darf also der literarischen Autobiografie in der Regel durchaus Vertrauen schenken, denn sie widerspricht eigentlich nie den überlieferten Aussagen Dritter.
Der zweite Band holt Goethes Reisen in die Gegenwart. Auf 25 Wanderungen hält man quasi stets Goethes Journal in der Hand, denn sie führen meist sogar auf historischen Pfaden zu Orten, die Goethe eindrücklich beschreibt, oder zu Gebäuden, die einen direkten Bezug zu Personen haben, die Goethe traf. Davon ist erstaunlich viel erhalten, nicht zuletzt, da die Schweiz seit dieser Zeit keinen Krieg erlebt hat. Die Wanderungen sind zum Teil recht anspruchsvoll, mit Strecken bis zu 30 km, auch Bergtouren sind darunter, denn Goethe war ein begeisterter Bergwanderer. Die wenigsten Touren sind als Rundweg geplant, aber für den Rückweg gibt es Angaben zum geeigneten öffentlichen Nahverkehr. Beide Bände sind jeweils durch Querverweise zu den Wanderungen, bzw. den passenden Originalquellen verknüpft. Auch im Wanderführer finden sich zahlreiche Abbildungen mit An- und Aussichten, wobei es einen besonderen Reiz darstellt, diese mit den historischen Ansichten aus dem Quellenband zu vergleichen. Erstaunlicherweise haben einige Orte ihren Charme vollständig bewahrt, man wandert hier also nicht nur im übertragenen Sinn auf Goethes Spuren.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)