Produktdetails
- Verlag: Verlag Antje Kunstmann
- Seitenzahl: 334
- Abmessung: 30mm x 145mm x 215mm
- Gewicht: 525g
- ISBN-13: 9783888972584
- ISBN-10: 3888972582
- Artikelnr.: 09370634
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.01.2002Dranbleiben ist Männerpflicht
Ciao, Macho: Margherita Giacobinos Abgesang auf einen Mythos
Männer halten sich gern fern von jener Sorte Frauenliteratur, deren Superweiber zu sehr lieben und zuviel Prosecco trinken. Das ist vielleicht ein Fehler. Denn selbst wenn sich uns die Geheimnisse von Liebeszauber und Orangenprinzessinnenhaut, die Ekstasen von Shopping und Peeling auch nie ganz erschließen werden, so geben diese Romane doch unschätzbare Einblicke in das Seelenleben des anderen Geschlechts und nützliche Fingerzeige für den Umgang mit ihm. "Götter, Gatten und Geliebte" - die Alliteration erinnert an Margherita Giacobinos letzten Erfolg "Hausfrauen in der Hölle" - spielt, wie schon der Stoßseufzer verrät, in Italien: "Ohne ihn wäre mein Leben wie eine Pizza ohne Peperoncino." Mit ihm, dem entzauberten Märchenprinzen, wäre es freilich auch nur ein Teigfladen mit Käse.
Irene hat in Hamburg ein Meisterwerk der deutschen Gegenwartsliteratur erworben. Der "große Roman eines Landes und einer Generation" kann eigentlich nur der Feder von Günter Grass entstammen. Jedenfalls liest ihn die ebenso temperamentvoll wie glücklos Liebende, als ob sie mit einem "strengen, launischen Greis" Liebe machte: Sie zupft ihn am Bart, knöpft ihm die Hose auf und verliert die Lust. "Bücher sind wie Männer. Manchmal muß man hartnäckig und unbeirrbar mit ihnen kämpfen, um sie zu erobern, und dann wieder sind sie es, die dich packen und zwingen, wider Willen dranzubleiben." Manchmal sind Bücher freilich auch wie Frauen: Man muß schon mit sich kämpfen, um sich von kleinen Sorgen und großen Nöten dreier Liebesmärtyrerinnen über mehr als dreihundert Seiten verführen zu lassen. Aber Da- und Dranbleiben ist hier erste Männerpflicht: Daß Götter, Gatten und Geliebte in der Regel abwesend sind, ist nämlich Anfang und Ende, Ursache und Lösung aller Frauenprobleme.
Margherita Giacobino lebt als Literaturwissenschaftlerin und Flaubert-Übersetzerin in Turin. Ihr Roman ist keine linde Schmonzette, auch keine larmoyante Emanzipationstragödie, sondern durchaus unterhaltsam, streckenweise sogar pfiffig und originell und jedenfalls mit allen Wassern der Weltliteratur gewaschen. Daß außer Borges, Conrad und Proust auch Männer wie "Ghandi" und "Markuse" erwähnt werden, sollte man weder der Autorin noch der hervorragenden Übersetzung von Maja Pflug anlasten. Und doch wird das Hohelied auf die Nestwärme unter Freundinnen und der Abgesang auf den Macho-Mythos wohl nur Leserinnen dauerhaft fesseln können. Dem Mann bleibt das augenzwinkernde Palaver über Luffahandschuhe und Kleinmädchentraumata, Gucci und Fendi ein Buch mit sieben Siegeln.
Drei Frauen warten auf den "Großen Abwesenden". Der ideale Mann soll zärtlich und klug, attraktiv und großzügig sein, immer da und doch nie zu nah. Irene, die Powerfrau des Trios, weiß als Leiterin der Niederlassung einer deutschen Boilerfirma, daß Männer auch nur mit Wasser kochen, aber als Durchlauferhitzer weiblicher Energie ganz brauchbar sind. Ihr derzeitiger Geliebter Renato ist mehr; jedenfalls scheint es aus der Ferne so, und näher läßt er die Liebestolle nicht an sich heran. Seinetwegen hat Irene ihre Freundin Nora verlassen; allein, der diskrete Prinz erweist sich als kalter Frosch, der unter seinem Bett ein Maschinengewehr und in seinem Busen noch einige Geheimnisse mehr verbirgt. Die schöne, empfindsame Sandra, die als Kellnerin die Männer bedient, hat ihre letzte Affäre gerade hinter sich. Das Zweckbündnis scheiterte an der notorischen Absenz und Sprödigkeit ihres Traummanns; aber die Anhänglichkeit ihres aktuellen Geliebten, eines kuscheligen, rasend eifersüchtigen Gärtners, ist ihr noch mehr zuwider. Nora schließlich ist als sanftmütige, altjüngferliche Ärztin prädestiniert zur Selbstaufopferung, und die Männer nutzen ihr Helfersyndrom weidlich aus: Ihre Patienten sind Monster, ihr Vater ist noch im Altersheim ein Filou, ihr Bruder ein zynischer, verantwortungsloser Egoist, der Nora um die Liebe und das Erbe der Eltern betrog und sie jetzt als Verliererin verhöhnt.
Weil auch die drei Grazien bei aller Klatschlust eifersüchtig ihre kleinen Geheimnisse hüten, werden sie erst am Ende gewahr, was der Leser bald ahnt: Ihr Paris ist ein und derselbe Mann. Der scheue Teilzeit-, der unnahbare Exgeliebte und Bruder Leichtfuß sind Erscheinungsformen jenes ewigen Adams, der sich der Einhegung in Evas Paradies entzieht. Die späte Erkenntnis macht die Pointe dieses Romans aus. Sein Reiz liegt eher in der einfühlsamen Schilderung dreier Frauenschicksale zwischen Arbeit und Liebe, trivialem Alltag und großen Lebensentwürfen. Die Männer sind nie, die Frauen immer für andere da oder hin und weg, weil die Sehnsucht nach dem Abwesenden sie blind macht für das Anwesende. So war es schon im Schoß der Familie. "Sei lieb. Tu es für Papa", sagten die Mütter ihren Töchtern. Alle Italiener sind Muttersöhnchen; aber in jeder Italienerin steckt auch, "atavistischer Fluch der weiblichen Biologie", ein Stück vom Vater, und so duldsam und lieb wie Mamma will sie nie werden. Der Mann betrügt, die Frau betrügt sich und will betrogen sein. Bis ihr der Gucci-Geduldsfaden reißt.
Margherita Giacobino gewinnt diesen Konflikten komische und bittere Seiten ab, und man muß ihr zugute halten, daß sie nie ins feministische Eifern gerät. Mit leichter Hand und neckischen, niemals sarkastischen Bosheiten entwirft sie ein Triptychon, auf dessen Rückseite sich ein Bild zeitgenössischen italienischen Frauenlebens abzeichnet.
Im Warten auf das Unmögliche steckt natürlich auch ein Drama der Emanzipation; aber Giacobino löst die Tragikomödie in versöhnlicher - oder muß man "vertöchterlichter" sagen? - Ironie auf: Alle Frauen sehnen sich nach dem Mann ihrer Träume; doch wenn er dann vor der Tür steht, als Liebessoldat und brav, nehmen sie schaudernd Abstand von der Aussicht auf ewige Treue. Als Renato nach einem Schlaganfall im Koma liegt, fällt sich das um sein Krankenbett versammelte Trio weder in die Arme noch über den Pflegefall Mann her. Nora und ihre Schwestern lassen ihn einfach liegen, um sich in einer "Frauenfamilie" zögernd von der leeren Mitte des Patriarchats zu befreien. Der Mann, der als Abwesender allgegenwärtig und allmächtig war, wird im Triumph von seiner rechtmäßigen Gattin heimgeholt: Genugtuung für das Weibertrio und Strafe genug für den bettlägrigen Latin Lover.
MARTIN HALTER.
Margherita Giacobino: "Götter, Gatten und Geliebte". Roman. Aus dem Italienischen übersetzt von Maja Pflug. Antje Kunstmann Verlag, München 2001. 335 S., geb., 20,35 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ciao, Macho: Margherita Giacobinos Abgesang auf einen Mythos
Männer halten sich gern fern von jener Sorte Frauenliteratur, deren Superweiber zu sehr lieben und zuviel Prosecco trinken. Das ist vielleicht ein Fehler. Denn selbst wenn sich uns die Geheimnisse von Liebeszauber und Orangenprinzessinnenhaut, die Ekstasen von Shopping und Peeling auch nie ganz erschließen werden, so geben diese Romane doch unschätzbare Einblicke in das Seelenleben des anderen Geschlechts und nützliche Fingerzeige für den Umgang mit ihm. "Götter, Gatten und Geliebte" - die Alliteration erinnert an Margherita Giacobinos letzten Erfolg "Hausfrauen in der Hölle" - spielt, wie schon der Stoßseufzer verrät, in Italien: "Ohne ihn wäre mein Leben wie eine Pizza ohne Peperoncino." Mit ihm, dem entzauberten Märchenprinzen, wäre es freilich auch nur ein Teigfladen mit Käse.
Irene hat in Hamburg ein Meisterwerk der deutschen Gegenwartsliteratur erworben. Der "große Roman eines Landes und einer Generation" kann eigentlich nur der Feder von Günter Grass entstammen. Jedenfalls liest ihn die ebenso temperamentvoll wie glücklos Liebende, als ob sie mit einem "strengen, launischen Greis" Liebe machte: Sie zupft ihn am Bart, knöpft ihm die Hose auf und verliert die Lust. "Bücher sind wie Männer. Manchmal muß man hartnäckig und unbeirrbar mit ihnen kämpfen, um sie zu erobern, und dann wieder sind sie es, die dich packen und zwingen, wider Willen dranzubleiben." Manchmal sind Bücher freilich auch wie Frauen: Man muß schon mit sich kämpfen, um sich von kleinen Sorgen und großen Nöten dreier Liebesmärtyrerinnen über mehr als dreihundert Seiten verführen zu lassen. Aber Da- und Dranbleiben ist hier erste Männerpflicht: Daß Götter, Gatten und Geliebte in der Regel abwesend sind, ist nämlich Anfang und Ende, Ursache und Lösung aller Frauenprobleme.
Margherita Giacobino lebt als Literaturwissenschaftlerin und Flaubert-Übersetzerin in Turin. Ihr Roman ist keine linde Schmonzette, auch keine larmoyante Emanzipationstragödie, sondern durchaus unterhaltsam, streckenweise sogar pfiffig und originell und jedenfalls mit allen Wassern der Weltliteratur gewaschen. Daß außer Borges, Conrad und Proust auch Männer wie "Ghandi" und "Markuse" erwähnt werden, sollte man weder der Autorin noch der hervorragenden Übersetzung von Maja Pflug anlasten. Und doch wird das Hohelied auf die Nestwärme unter Freundinnen und der Abgesang auf den Macho-Mythos wohl nur Leserinnen dauerhaft fesseln können. Dem Mann bleibt das augenzwinkernde Palaver über Luffahandschuhe und Kleinmädchentraumata, Gucci und Fendi ein Buch mit sieben Siegeln.
Drei Frauen warten auf den "Großen Abwesenden". Der ideale Mann soll zärtlich und klug, attraktiv und großzügig sein, immer da und doch nie zu nah. Irene, die Powerfrau des Trios, weiß als Leiterin der Niederlassung einer deutschen Boilerfirma, daß Männer auch nur mit Wasser kochen, aber als Durchlauferhitzer weiblicher Energie ganz brauchbar sind. Ihr derzeitiger Geliebter Renato ist mehr; jedenfalls scheint es aus der Ferne so, und näher läßt er die Liebestolle nicht an sich heran. Seinetwegen hat Irene ihre Freundin Nora verlassen; allein, der diskrete Prinz erweist sich als kalter Frosch, der unter seinem Bett ein Maschinengewehr und in seinem Busen noch einige Geheimnisse mehr verbirgt. Die schöne, empfindsame Sandra, die als Kellnerin die Männer bedient, hat ihre letzte Affäre gerade hinter sich. Das Zweckbündnis scheiterte an der notorischen Absenz und Sprödigkeit ihres Traummanns; aber die Anhänglichkeit ihres aktuellen Geliebten, eines kuscheligen, rasend eifersüchtigen Gärtners, ist ihr noch mehr zuwider. Nora schließlich ist als sanftmütige, altjüngferliche Ärztin prädestiniert zur Selbstaufopferung, und die Männer nutzen ihr Helfersyndrom weidlich aus: Ihre Patienten sind Monster, ihr Vater ist noch im Altersheim ein Filou, ihr Bruder ein zynischer, verantwortungsloser Egoist, der Nora um die Liebe und das Erbe der Eltern betrog und sie jetzt als Verliererin verhöhnt.
Weil auch die drei Grazien bei aller Klatschlust eifersüchtig ihre kleinen Geheimnisse hüten, werden sie erst am Ende gewahr, was der Leser bald ahnt: Ihr Paris ist ein und derselbe Mann. Der scheue Teilzeit-, der unnahbare Exgeliebte und Bruder Leichtfuß sind Erscheinungsformen jenes ewigen Adams, der sich der Einhegung in Evas Paradies entzieht. Die späte Erkenntnis macht die Pointe dieses Romans aus. Sein Reiz liegt eher in der einfühlsamen Schilderung dreier Frauenschicksale zwischen Arbeit und Liebe, trivialem Alltag und großen Lebensentwürfen. Die Männer sind nie, die Frauen immer für andere da oder hin und weg, weil die Sehnsucht nach dem Abwesenden sie blind macht für das Anwesende. So war es schon im Schoß der Familie. "Sei lieb. Tu es für Papa", sagten die Mütter ihren Töchtern. Alle Italiener sind Muttersöhnchen; aber in jeder Italienerin steckt auch, "atavistischer Fluch der weiblichen Biologie", ein Stück vom Vater, und so duldsam und lieb wie Mamma will sie nie werden. Der Mann betrügt, die Frau betrügt sich und will betrogen sein. Bis ihr der Gucci-Geduldsfaden reißt.
Margherita Giacobino gewinnt diesen Konflikten komische und bittere Seiten ab, und man muß ihr zugute halten, daß sie nie ins feministische Eifern gerät. Mit leichter Hand und neckischen, niemals sarkastischen Bosheiten entwirft sie ein Triptychon, auf dessen Rückseite sich ein Bild zeitgenössischen italienischen Frauenlebens abzeichnet.
Im Warten auf das Unmögliche steckt natürlich auch ein Drama der Emanzipation; aber Giacobino löst die Tragikomödie in versöhnlicher - oder muß man "vertöchterlichter" sagen? - Ironie auf: Alle Frauen sehnen sich nach dem Mann ihrer Träume; doch wenn er dann vor der Tür steht, als Liebessoldat und brav, nehmen sie schaudernd Abstand von der Aussicht auf ewige Treue. Als Renato nach einem Schlaganfall im Koma liegt, fällt sich das um sein Krankenbett versammelte Trio weder in die Arme noch über den Pflegefall Mann her. Nora und ihre Schwestern lassen ihn einfach liegen, um sich in einer "Frauenfamilie" zögernd von der leeren Mitte des Patriarchats zu befreien. Der Mann, der als Abwesender allgegenwärtig und allmächtig war, wird im Triumph von seiner rechtmäßigen Gattin heimgeholt: Genugtuung für das Weibertrio und Strafe genug für den bettlägrigen Latin Lover.
MARTIN HALTER.
Margherita Giacobino: "Götter, Gatten und Geliebte". Roman. Aus dem Italienischen übersetzt von Maja Pflug. Antje Kunstmann Verlag, München 2001. 335 S., geb., 20,35 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Schon den wenige Jahre zuvor erschienenen Roman von Margherita Giacobino mit dem Titel "Hausfrauen in der Hölle" charakterisiert Sabine Peters als "süffige, unterhaltsame Literatur" mit der Tendenz zu "ein bißchen mehr", und die Besprechung des neues Romans dieser Autorin klingt ähnlich vielversprechend. Wieder geht es um die "geliebten/gehassten Männer, die, wie die Rezensentin feststellt, zwar meistens abwesend sind, aber viel Raum im Fühlen und Denken der Hauptfiguren einnehmen würden. Obwohl die Rezensentin die Handlung von "Götter, Gatten und Geliebte" als stark konstruiert bezeichnet und die Auflösung der Verwicklungen schnell zu erahnen sei, scheint dies ihr Lesevergnügen nicht beeinträchtigt zu haben. Der Roman mit vielen Zügen einer Komödie sei ein genießerisch geschriebenes und ebenso übersetztes Buch und werde, davon ist sie überzeugt, in Hausfrauen- und anderen Weiberrunden weite Kreise ziehen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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