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Wie Frauen die schöpferischen Phasen des berühmten Malers beeinflusst haben Gebraucht, geliebt, gehasst: Picasso war besessen von Frauen. Er brauchte und benutze sie für sein Schaffen, ließ sich von ihnen inspirieren, war zweimal verheiratet und hatte unzählige Geliebte.
Die Kunstkennerin Rose-Maria Gropp widmet sich in diesem Buch Gefährtinnen, Geliebten und Gemalten von Picasso. Sie erkundet ihre Biografien und macht sie im Spannungsfeld von Schöpfung und Dekonstruktion begreifbar. Sie betrachtet sie unabhängig von Picasso als eigenständige Menschen, zum Teil auch Künstlerinnen, und will…mehr

Produktbeschreibung
Wie Frauen die schöpferischen Phasen des berühmten Malers beeinflusst haben
Gebraucht, geliebt, gehasst: Picasso war besessen von Frauen. Er brauchte und benutze sie für sein Schaffen, ließ sich von ihnen inspirieren, war zweimal verheiratet und hatte unzählige Geliebte.

Die Kunstkennerin Rose-Maria Gropp widmet sich in diesem Buch Gefährtinnen, Geliebten und Gemalten von Picasso. Sie erkundet ihre Biografien und macht sie im Spannungsfeld von Schöpfung und Dekonstruktion begreifbar. Sie betrachtet sie unabhängig von Picasso als eigenständige Menschen, zum Teil auch Künstlerinnen, und will noch nicht beachtete Facetten im Geflecht der Frauen sichtbar machen.

»Um Picasso gab es ein regelrechtes Geflecht von Frauen, eng untereinander verwoben, in dessen Zentrum er zu nisten beliebte. So entstand ein Modell fortwährender Überschneidungen und unerklärter Ablösungen. Er brauchte die immer neue Frau, er wollte die immer jüngere Frau, die seine Potenz in jedem Sinnebeglaubigte. Nennen wir diese Verflechtungen das 'System Picasso'.«
Autorenporträt
Rose-Maria Gropp, Jahrgang 1956, ist Journalistin, Publizistin, Kunstkennerin und Kritikerin. Sie schreibt über Kunst in all ihren Erscheinungsformen. Viele Jahre lang war sie Redakteurin im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.04.2023

Von der Feier zur Demontage

Verlassen hat ihn nur eine: Rose-Maria Gropp stellt elf Frauen vor, die zeitweise an der Seite Picassos waren und in sein Werk eingingen.

Von Katharina Rudolph

Es war an einem Abend im Januar 1927, als die junge Frau in Paris auf dem Weg ins Kaufhaus Galeries Lafayette war, um sich einen Kragen zu kaufen. "Er schaute mich an. Er hatte eine superbe Krawatte, rot und schwarz", erinnerte sie sich knapp fünfzig Jahre später an einen Herren, dem sie damals begegnet war. Er lächelte charmant, sprach sie an und sagte: "'Mein Fräulein, Sie haben ein interessantes Gesicht. Ich würde Sie gerne porträtieren. [. . .] Ich habe das Gefühl, dass wir große Dinge zusammen machen werden.' [. . .] Und dann, na ja, sagte er zu mir: 'Ich bin Picasso.'"

So soll sie ausgesehen haben, die erste Begegnung zwischen der siebzehnjährigen Marie-Thérèse Walter, einer athletisch gebauten Blondine, und dem damals 45 Jahre alten Pablo Picasso. Mehrere Jahre waren sie danach ein Paar, 1935 brachte Marie-Thérèse die gemeinsame Tochter Maya zur Welt, das zweitälteste der vier Kinder, die Picasso einmal haben würde - von drei Frauen. Die Begegnung vor dem Pariser Nobelkaufhaus ist eine von vielen anekdotenhaften "Erstkontakt-Szenen", die Marie-Thérèse mit manch anderer Frau in Picassos Leben verbindet und die, so die Autorin und Kunstkritikerin Rose-Maria Gropp, "den Eintritt in den Bannkreis des Künstlers" jeweils "mit einer Aura" versehen.

Rose-Maria Gropp hat ein Buch geschrieben nicht über Picasso und die Frauen, sondern über die Frauen und Picasso - ein feiner Unterschied, der deutlich macht, wer hier im Zentrum der Betrachtung steht. Der Band trägt das Zitat "Göttinnen und Fußabstreifer" im Titel, das überliefert ist von Françoise Gilot, die zwischen 1943 und 1953 mit Picasso liiert war und in den Sechzigerjahren in ihren Erinnerungen (deren Veröffentlichung in Frankreich Picasso mit allen Mitteln zu verhindern suchte) schrieb: "Er behauptete mit Vorliebe: 'Es gibt nur zwei Kategorien von Frauen - Göttinnen und Fußabstreifer.' Und immer, wenn er dachte, ich könne mich zu sehr als Göttin fühlen, tat er, was er konnte, um mich zum Fußabstreifer zu erniedrigen."

Elf sehr unterschiedlichen Frauen, die zeitweise an Picassos Seite waren, widmet Rose-Maria Gropp je ein Kapitel. Mit wissenschaftlicher Akribie nimmt sie dabei insbesondere die teils wenig bekannten Lebensläufe der gemeinhin als Musen titulierten Frauen - ein Wort, das Gropp vermeidet - vor und nach ihrer Zeit mit dem selbsternannten Gottgleichen ("Gott ist ja auch nichts anderes als ein Künstler - wie ich") in den Blick. Zugleich widmet sie sich der Frage, was die Beziehung mit Picasso für jede von ihnen bedeutet hat.

Marie-Thérèse Walter erscheint bei Gropp als "Schattenfrau", weil sich die ersten acht Jahre ihrer Liaison mit Picasso im Verborgenen abspielten. Der war da nämlich noch mit seiner ersten, ziemlich eifersüchtigen Gattin Olga Khokhlova zusammen. Was ihn allerdings nicht davon abhielt, Marie-Thérèse während Urlauben mit der Ehefrau heimlich ganz in der Nähe einzuquartieren, zwecks Stelldichein in einer Strandhütte. Das "Prinzip der Überschneidung" praktizierte Picasso in Sachen Beziehungen sein Leben lang. Über Marie-Thérèse etwa lagerte sich, als sie Mutter wurde und für ihn an Attraktivität verlor, Dora Maar, Dora Maar wurde abgelöst von Françoise Gilot, der Mutter seiner 1947 und 1949 geborenen Kinder Claude und Paloma. Kaum eine seiner Beziehungen hat Picasso offiziell beendet. Aber er brauchte in der Kunst wie im Leben die stets neue, junge Frau, "die seine Potenz in jedem Sinne beglaubigte".

Das Prinzip der Überschneidung wandte er dabei auch als Künstler an. So manche der Frauen fand sich als Zwitterwesen aus sich selbst und anderen Geliebten in seinem OEuvre wieder. In vielen erhellenden Passagen arbeitet Gropp heraus, was Picasso als Maler und Bildhauer so alles anstellte mit seinen Gefährtinnen. Dabei geht es ihr weniger um kunsthistorische Einordnung als vielmehr um die Frage, was die Art, wie der Künstler eine Frau ins Bild setzte, für diese bedeutete. Und zwar fern jenes Klischees, wonach es doch eine Erfüllung gewesen sein müsse, durch des großen Meisters Hand gewissermaßen Unsterblichkeit zu erlangen.

Dabei hatte der über-selbstbewusste Picasso ein bewährtes Muster: Während er zu Beginn einer Liaison "die perfekte Intaktheit der - jeweils neuen - Frau feiert, scheint er sie in seiner Kunst dann sukzessive demontieren zu müssen - im Maße seines abnehmenden Begehrens". Diese Demontage konnte sehr unterschiedlich aussehen. Eine seiner frühen Lieben, Fernande Olivier, erfuhr, immerhin integriert in Picassos Entwicklung hin zum Kubismus, eine zunehmende "Dekonstruktion" und Zerklüftung. Wobei die Grenzen zur Destruktion, so Gropp, fließend waren. Die einstige Ballerina Olga Khokhlova wurde im "Großen Akt im roten Sessel" von 1929 zur monströsen Fratze, zum "gepeinigten Zerrbild", Dora Maar in mehreren Werken als "La femme qui pleure" zur Heulsuse. Es waren gewiss keine erhebenden Erfahrungen für die Betroffenen.

Und Marie-Thérèse? Sie löste sich, nachdem sie anfangs der Geheimhaltung wegen nur als Buchstabenkombination in Picassos Werk aufgetaucht war, später in "erotisierenden schwellenden Formationen" auf, was, so Gropp, im Gemälde "Le Rêve" (1932) kulminierte: Marie-Thérèse sitzt schlafend in einem Sessel, die Hände vorm Schoß. Ein Teil ihres Kopfes gleicht, unschwer zu erkennen, einem erigierten Penis, so als hätte sie nichts anderes im Sinn als den kommenden oder gerade erfolgten Geschlechtsakt. Hie und da lässt die Autorin ihr Wissen als langjährige Leiterin des Kunstmarkt-Ressorts dieser Zeitung in die Betrachtung miteinfließen. So erfährt der Leser etwa, dass Marie-Thérèse heute die gefragteste Picasso-Frau überhaupt ist. 2013 wurden in einem Privatgeschäft 155 Millionen Dollar für "Le Rêve" hingeblättert.

Aufbegehrt hat Marie-Thérèse im Grunde nie, blieb finanziell und emotional von ihm abhängig. Den Kragen, den sie einst in den Galeries Lafayette gekauft hatte, nahm sie, vier Jahre nach Picassos Tod, mit ins Grab. Dora Maar und Françoise Gilot dagegen widersetzten sich auf ihre je eigene Art Picassos lebenslangem Einfluss, was, wie Gropp zeigt, auch damit zusammenhing, dass beide über eine eigenständige Identität als Künstlerin verfügten. Maar war eine erfolgreiche Fotografin und malte später; Gilot, die 2022 ihren hundertsten Geburtstag feierte, arbeitet bis heute als Malerin. Und auch der soziale Hintergrund war entscheidend: beide Frauen kamen aus wohlhabenden Familien, wodurch sie finanziell unabhängig waren - was Picasso durchaus missfiel. Gilot war die einzige Frau, die die Chuzpe besaß, Picasso zu verlassen. "Françoises Selbstbestimmtheit rührte an seine tiefsten Ängste, schreibt Gropp. An ihr sei "sein gigantisches Ego zerschellt".

Man kann Rose-Maria Gropps Buch als feministisch bezeichnen. Überzeugend aber ist, dass es nicht mit erhobenem Zeigefinger daherkommt, die Autorin weder moralisiert noch verklärt. Ihre Einschätzungen beruhen auf intensiven Quellenrecherchen, die so manches bis dahin gänzlich Unbekannte zutage gefördert haben, und nie geht es dabei um ein Infragestellen von Picassos künstlerischer Bedeutung. Sehr wohl aber darum, herauszuarbeiten, dass sein Verhältnis zu Frauen "Züge von Ambivalenz, mitunter Aggressivität bis hin zu kaum verborgener Misogynie" trug.

Rose-Maria Gropp: "Göttinnen und Fußabstreifer". Die Frauen und Picasso.

Piper Verlag, München 2023. 288 S., Abb., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Katharina Rudolph lobt das Buch über die Frauen und Picasso, das ihre frühere FAZ-Kollegin Rose-Maria Gropp vorlegt, als feministischen Ansatz zu verstehen, was Picassos Verhalten für seine Partnerinnen bedeutete. Dass Gropp gut recherchiert, nicht moralisiert und Picassos künstlerische Bedeutung nicht infrage stellt, gefällt Rudolph gut. Anekdotisch und kenntnisreich breitet die Autorin die Lebensläufe von Dora Maar, Francoise Gilot und all den anderen Frauen an Picassos Seite aus und verfolgt akribisch ihre "Demontage" in Picassos Kunst, erläutert die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Dieses Buch geht keiner Legende auf den Leim, es ist gut recherchiert und eine wohltuend unprätentiöse Erkundung der wichtigsten von Picassos Gefährtinnen und Geliebten, bei dem endlich die Frauen im Mittelpunkt stehen und nicht wieder ihre Bedeutung für den Meister.« art spezial 20230413