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»Orpheus vom Lande«, so bezeichnet Ottó Tolnai sich oft in seinen Gedichten. Mit großem Atem besingt er seine nähere Umgebung, die Vojvodina, die Kargheit ihrer Landschaft, ihre dörflichen Bewohner. Tolnai folgt den Bildern, Worten und Sätzen, über die er stolpert, folgt ihrer Sprach- und Bildlogik, ihren unerwarteten Wendungen, bis die Erinnerungen, Wahrnehmungen und Träume sich absurd und präzise zur feinmaschig verknüpften Welt hin öffnen. Ein einfacher Besenstiel wird zur glänzenden Achse des Alls, ein verlorener Handschuh zum Geschlechtsteil eines Engels. Alltag und All, Derbheit und…mehr

Produktbeschreibung
»Orpheus vom Lande«, so bezeichnet Ottó Tolnai sich oft in seinen Gedichten. Mit großem Atem besingt er seine nähere Umgebung, die Vojvodina, die Kargheit ihrer Landschaft, ihre dörflichen Bewohner. Tolnai folgt den Bildern, Worten und Sätzen, über die er stolpert, folgt ihrer Sprach- und Bildlogik, ihren unerwarteten Wendungen, bis die Erinnerungen, Wahrnehmungen und Träume sich absurd und präzise zur feinmaschig verknüpften Welt hin öffnen.
Ein einfacher Besenstiel wird zur glänzenden Achse des Alls, ein verlorener Handschuh zum Geschlechtsteil eines Engels. Alltag und All, Derbheit und Poesie finden in Ottó Tolnais Sprechgesang leichtfüßig zueinander, um sich als zwei Seiten ein und derselben Medaille zu erweisen.
Zsuzsanna Gahses in Absprache mit dem Autor zusammengestellte Auswahl vereint Kurz- und Langgedichte aus unterschiedlichen Zeiten, die über gemeinsame Motive, Themen und Wörter miteinander korrespondieren und eindringlich übdersetzt eine eigene Komposition bilden. Abgerundet wird die Sammlung durch ein Nachwort der Übersetzerin.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Ottó Tolnai, geb. 1940 in Kanizsa im ungarischsprachigen Teil der Vojvodina des heutigen Serbiens, wo er in Pálics lebt. Für seine Lyrik, Prosa, Theaterstücke und Essays erhielt er zahlreiche Auszeichnungen.

Zsuzsanna Gahse, geb. 1946 in Budapest, aufgewachsen in Wien, lebt in der Schweiz. Schriftstellerin, Essayistin und Übersetzerin. Preise und Auszeichnungen, u.a. Aspekte Literaturpreis 1983, Preis der Stadt Wiesbaden im Rahmen des Ingeborg-Bachmann-Preises 1986, Stuttgarter Literaturpreis 1990, Stadtbeobachterin der Stadt Zug 1993-1994, Bamberger Poetikprofessur 1996. 2006 erhielt Zsuszanna Gahse den Adelbert-von-Chamisso-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2009

Die Angst, vom Erdball zu fallen
Orpheus vom Lande: Der ungarische Lyriker Ottó Tolnai treibt luftige Metaphysik

Ottó Tolnai, 1940 im ungarischsprachigen Teil der Vojvodina im heutigen Serbien geboren, ist ein ungemein produktiver Autor. In über dreißig Bänden hat er Gedichte, Theaterstücke und Essays publiziert und dafür etliche Preise bekommen. Auf Deutsch sind zwei Bände mit Erzählungen erschienen und nun auch eine erste Auswahl seiner Gedichte. Der Titel "Göttlicher Gestank" klingt nicht gerade attraktiv. Soll er wohl auch nicht.

Tolnai ist ein überaus phantasievoller Lyriker. Er sprudelt vor Einfällen und setzt sie mit neuen Einzelheiten und Assoziationen fort. Worte generieren Worte, Bilder immer neue Bilder. So entstehen feinmaschige Netze von Bezügen, in denen sich Wahrnehmungen, Erinnerungen und Träume zu bunten Textteppichen verknüpfen. Der Dichter verwebt alles, was ihm geeignet scheint, mit Gusto, oft auch mit ziemlicher Willkür. Doch langweilig ist er nie.

Er selbst nennt sich einen "Orpheus vom Lande". Und wirklich kann man ihn einen Bukoliker nennen. Die karge ländliche Landschaft der Vojvodina ist in vielen Gedichten der Erlebnishintergrund. Tolnai kommt gern auf seine Herkunft, auf Sippe und Familie zurück. Er beschwört die Urgroßmama, die es angeblich nicht gibt und doch in dem Gedicht als "Omama" aufersteht. Was er über sie schreibt, ist ihm zugleich "reine" wie "rauhe" Poesie - nämlich "poésie pure" und "poésie brute".

Solche Ambivalenz ist Tolnais Stärke und Verführung. Er ist ein surrealistischer Realist und ein realistischer Phantast. Er schreibt ein Dutzend Seiten über den "Rosshaarbesen aus Pest" und kommt über Hölzchen und Stöckchen zuletzt auf die Nabe der Welt. Das ist à la Alfred Jarry eher Pata- als Metaphysik.

Sehr ernst darf man den Metaphysiker Tolnai ohnehin nicht nehmen. In seiner fluktuierenden Welt gibt es nichts Festes, nicht einmal die lyrische Form. Alles, was die Phantasie in die luftige Höhe treibt, kann auch wieder zur Erde fallen. Deshalb wohl muss der schlitzohrige Poet seinen Leim kochen, "so eine klebrige Pampe / um nicht wie eine lose Schuhsohle / endgültig vom Erdball zu fallen". Wenn dieser Leim etwas Göttliches hat, darf er auch stinken, sagt sich der Leser. Hauptsache, er hält.

HARALD HARTUNG

Ottó Tolnai: "Göttlicher Gestank". Gedichte. Aus dem Ungarischen und mit einem Nachwort von Zsuzsanna Gahse. Edition Korrespondenzen, Wien 2009. 161 S., geb., 21,50 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Was genau da müffelt, lässt sich nicht sagen, aber für Rezensent Harald Hartung geht das in Ordnung, solange es göttlich ist und die Sache zusammenhält. Diese erstmals auf Deutsch erhältliche Auswahl mit Gedichten des aus der Vojvodina stammenden ungarischen Autors OttoTolnai zum Beispiel. Die Stücke sieht Hartung geprägt von der überbordenden Fantasie Tolnais, von Gusto und zugleich Willkür und von dem "Erlebnishintergrund" der vojvodinischen Landschaft. Und weil der Autor ein Bukoliker ist und das Fließende, die Ambivalenzen schätzt, langweilt sich der Rezensent bei der Lektüre nie.

© Perlentaucher Medien GmbH