Aravind Adigas dritter Roman erzählt von zwei jungen Brüdern auf der Suche nach sich selbst, vom Sport als Aufstiegschance und gnadenlosem Wettbewerb, von jungen Talenten und alten Talentsuchern, von Liebe und Ausbeutung, von Leidenschaft und Gewalt. Manjunath Kumar ist vierzehn. Er weiß, dass er ein guter Kricketspieler ist, vielleicht sogar so gut wie sein älterer Bruder Radha. Er weiß, warum er seinen dominanten und sportbesessenen Vater fürchtet, seinen brillanten Bruder bewundert und von der Welt amerikanischer Serien sowie interessanter wissenschaftlicher Fakten fasziniert ist. Aber es gibt vieles, das er noch nicht weiß - über sich selbst und die Welt um ihn herum ...
Als er Radhas großen Rivalen kennenlernt, einen privilegierten Jungen voller Selbstvertrauen, beginnt sich für Manju alles auf den Kopf zu stellen und er muss Entscheidungen treffen, die seine Welt verändern. Suggestiv und sensibel, bissig und schwungvoll - ein neuer, eindrucksvoller Roman des indischen Bestsellerautors und Booker-Prize-Gewinners.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Als er Radhas großen Rivalen kennenlernt, einen privilegierten Jungen voller Selbstvertrauen, beginnt sich für Manju alles auf den Kopf zu stellen und er muss Entscheidungen treffen, die seine Welt verändern. Suggestiv und sensibel, bissig und schwungvoll - ein neuer, eindrucksvoller Roman des indischen Bestsellerautors und Booker-Prize-Gewinners.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Shirin Sojitrawalla hat die langweiligen Kricket-Passagen locker durchgestanden in Aravind Adigas neuem Roman. Zwar hat das Buch nicht ganz den Biss der Vorgänger, meint sie, doch Adiga schreibt weiterhin frisch und respektlos über die indische Gesellschaft, ihre kriminellen und menschenverachtenden Seiten. Anhand der Coming-of-Age- und Coming-out-Geschichte eines Bruderpaars erörtet der Autor laut Rezensentin die Themen Religion, Klassen, Kricket, Homosexualität und den Indian Dream. "Gewitzt" übersetzt, scheint ihr das Buch den Zustand Indiens gut abzubilden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.2016Das Sunny-Tonny-Genuine-English-Willow-Schlagzeug
Wer dieses Sportgerät nicht kennt, lernt es in Aravind Adigas Indien- und Cricket-Roman "Golden Boy" lieben
Wer beim Stichwort "Indien" Farben und Bollywood-Kino assoziiert, der ist schon mittendrin im Rummel dieses Romans. Aber das Wichtigste fehlt: die Vorstellung von einem "sauberen Treibschlag", die konzentrierte Bewegung, ausgeübt beim Cricket, das in Indien so populär ist wie hier der Fußball. Cricket ist ein Mannschaftssport, und wer behauptet, er sei so ähnlich wie Baseball, outet sich sofort als Laie. Gaaanz andere Taktik, gaaanz anderes Spielfeld. Aber es geht letztlich auch um "Runs" (Läufe erzielen), möglichst viele, möglichst mehr als der Rekordhalter. Und weil es also um Ruhm geht, ist dies, wie alle Geschichten von Ruhm, nicht nur ein Höhenflug.
"Golden Boy" ist der dritte Roman von Aravind Adiga, der 2008 den Booker-Preis für "Der weiße Tiger" erhielt. Er schilderte darin das moderne Indien mit seinem krassen Aufeinanderprallen von Arm und Reich, Tradition und Moderne, West und Ost. Das alles zeigt sich erstaunlich gut auch beim Cricket, einer Hinterlassenschaft der britischen Kolonialmacht, die alte Sportarten wie "Kho-Kho, Kabbadi und Büffelrennen im Monsun" verdrängte. "Golden Boy", gelesen als politischer Roman, studiert Unterwerfungssysteme.
Die Geschichte handelt von zwei Brüdern, Manju und Radhu, die man durch vierzehn Jahre Leben begleitet, bis sie Ende zwanzig sind. Die Mutter ist tot und fehlt überall. Der ehrgeizige Vater erzieht die Jungs allein. Als Chutney-Verkäufer hat er nur ein mäßiges Einkommen. Die Söhne sind seine Hoffnung auf ein besseres Leben. Mit militärischem Drill stählt er seit Jahren im Vorstadtmilieu der Slums ihre "Cricketkörper" - immerzu im Kampf gegen das einschießende Testosteron. Abendliche Stretchübungen sind das Zu-Bett-geh-Ritual, Rasieren vor dem 21. Lebensjahr, Autofahren und Pornos sind strikt verboten. Bei Zuwiderhandlung setzt es Schläge. Dieses mit bester Absicht stramm durchgezogene Training bringt sogar Erfolg: Radhu, der Ältere, wird Rekordhalter; Manju zieht nach und überholt ihn noch. Der letzte Schliff dieser jungen Cricketdiamanten kommt mit Investoren. Der Vertrag wird auf einer Papierserviette dokumentiert, und nur der Leser ahnt, dass hier viel zu wenig für den Vater rausspringt.
Aravind Adiga, 1974 im südindischen Madras geboren, war sechzehn, als er mit seiner Familie nach Sydney auswanderte. Nach einem Studium der Englischen Literatur in Oxford und Korrespondententätigkeit für "Time" und die "Financial Times" lebt er heute in Mumbai. In den Randbezirken der Zwölfmillionenmetropole spielt sein Roman. Cricket wird darin selbst Sportmuffeln nahegebracht. Da gibt es Beschreibungen und Wortgebilde, die einen sofort entwaffnen. Etwa ein "Sunny-Tonny-Genuine-English-Willow-Schlagzeug mit nagelneuem Ledergriff". Nicht, dass man das unbedingt haben wollte, aber man versteht, warum ein Schlagmann wie Radhu mit dieser Ausrüstung einen schlichten Fahrscheinkontrolleur zum andächtigen Schweigen bringt.
"Golden Boy" ist nicht so dicht erzählt wie etwa "Der weiße Tiger". Aber es gibt doch viele gute Szenen. Ein liebevoller Seitenhieb etwa gilt dem spirituellen Pomp in Indien. Denn selbstverständlich gibt es einen Cricket-Gott. Er wohnt in einem der vielen bunten Tempel in Spielfeldnähe und wird regelmäßig aufgesucht. Erzählwitz ergibt sich in den trockenen Dialogen oder in den eitlen Selbstgesprächen des Sponsors Anand Mehta, der besten Nebenfigur: "Meine Frau frage ich immer: Asha, was sind Inder denn? Worauf ich ihr die Antwort gebe: Inder, meine Liebe, sind ein im Grunde sentimentales Volk mit hohen Cholesterinwerten."
Sarkastisch und übergriffig gezeichnet, steht Mehta für die dunkle, geschäftsträchtige Seite des Sports. Cricket ist für ihn nichts Geringeres als "der Sieg der Zivilisation über den Instinkt". Doch es ist eben dieser Instinkt, der Adigas Prosa so farbig macht. Der Autor erweckt ihn zum Leben, indem er ihn oft nur andeutet: bei Manju, der gerne alles ableckt, weil Kiesel anders schmecken als Stiftkappen; bei Radhu, dem bodenständigeren Bruder, der nur Augen für Mädchen hat; und bei Jarved, einem Muslim, der sich zur Homosexualität bekennt.
Adigas Roman leuchtet unter dem Oberflächenglanz die Unterwelt eines Landes aus, das sich schneller wandelt, als man es verarbeiten kann. Und er zeigt auch, was dieser Wandel anrichtet, etwa am Beispiel des mittlerweile abgehängten Ex-Stars: "Radhu hatte das gehobene gute Aussehen eines Lebemanns, der permanent arbeitslos ist: Mit dem Silberring im linken Ohr und seinem langen, schwarzen, gegelten Haar, das zurückgekämmt war und sich im Nacken nach oben wellte, wirkte er wie ein Prinz aus einer Sanskrit-Romanze. Seine wunderschönen Iriden, seine Filmstar-Augen, waren vom Alkohol ramponiert, doch Manju erkannte immer noch ihre alte Farbe." In dieser Beschreibung ist noch die Sehnsucht nach Märchenfiguren wie in Bollywood zu spüren. Aravind Adigas Figuren opfern sie auf der Suche nach Macht. Doch im Buch lässt der Autor auf allen Seiten das Menschliche, Allzumenschliche durchscheinen.
ANJA HIRSCH
Aravind Adiga:
"Golden Boy". Roman.
Aus dem Englischen von Claudia Wenner. Verlag C. H. Beck, München 2016. 335 S., geb., 21,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wer dieses Sportgerät nicht kennt, lernt es in Aravind Adigas Indien- und Cricket-Roman "Golden Boy" lieben
Wer beim Stichwort "Indien" Farben und Bollywood-Kino assoziiert, der ist schon mittendrin im Rummel dieses Romans. Aber das Wichtigste fehlt: die Vorstellung von einem "sauberen Treibschlag", die konzentrierte Bewegung, ausgeübt beim Cricket, das in Indien so populär ist wie hier der Fußball. Cricket ist ein Mannschaftssport, und wer behauptet, er sei so ähnlich wie Baseball, outet sich sofort als Laie. Gaaanz andere Taktik, gaaanz anderes Spielfeld. Aber es geht letztlich auch um "Runs" (Läufe erzielen), möglichst viele, möglichst mehr als der Rekordhalter. Und weil es also um Ruhm geht, ist dies, wie alle Geschichten von Ruhm, nicht nur ein Höhenflug.
"Golden Boy" ist der dritte Roman von Aravind Adiga, der 2008 den Booker-Preis für "Der weiße Tiger" erhielt. Er schilderte darin das moderne Indien mit seinem krassen Aufeinanderprallen von Arm und Reich, Tradition und Moderne, West und Ost. Das alles zeigt sich erstaunlich gut auch beim Cricket, einer Hinterlassenschaft der britischen Kolonialmacht, die alte Sportarten wie "Kho-Kho, Kabbadi und Büffelrennen im Monsun" verdrängte. "Golden Boy", gelesen als politischer Roman, studiert Unterwerfungssysteme.
Die Geschichte handelt von zwei Brüdern, Manju und Radhu, die man durch vierzehn Jahre Leben begleitet, bis sie Ende zwanzig sind. Die Mutter ist tot und fehlt überall. Der ehrgeizige Vater erzieht die Jungs allein. Als Chutney-Verkäufer hat er nur ein mäßiges Einkommen. Die Söhne sind seine Hoffnung auf ein besseres Leben. Mit militärischem Drill stählt er seit Jahren im Vorstadtmilieu der Slums ihre "Cricketkörper" - immerzu im Kampf gegen das einschießende Testosteron. Abendliche Stretchübungen sind das Zu-Bett-geh-Ritual, Rasieren vor dem 21. Lebensjahr, Autofahren und Pornos sind strikt verboten. Bei Zuwiderhandlung setzt es Schläge. Dieses mit bester Absicht stramm durchgezogene Training bringt sogar Erfolg: Radhu, der Ältere, wird Rekordhalter; Manju zieht nach und überholt ihn noch. Der letzte Schliff dieser jungen Cricketdiamanten kommt mit Investoren. Der Vertrag wird auf einer Papierserviette dokumentiert, und nur der Leser ahnt, dass hier viel zu wenig für den Vater rausspringt.
Aravind Adiga, 1974 im südindischen Madras geboren, war sechzehn, als er mit seiner Familie nach Sydney auswanderte. Nach einem Studium der Englischen Literatur in Oxford und Korrespondententätigkeit für "Time" und die "Financial Times" lebt er heute in Mumbai. In den Randbezirken der Zwölfmillionenmetropole spielt sein Roman. Cricket wird darin selbst Sportmuffeln nahegebracht. Da gibt es Beschreibungen und Wortgebilde, die einen sofort entwaffnen. Etwa ein "Sunny-Tonny-Genuine-English-Willow-Schlagzeug mit nagelneuem Ledergriff". Nicht, dass man das unbedingt haben wollte, aber man versteht, warum ein Schlagmann wie Radhu mit dieser Ausrüstung einen schlichten Fahrscheinkontrolleur zum andächtigen Schweigen bringt.
"Golden Boy" ist nicht so dicht erzählt wie etwa "Der weiße Tiger". Aber es gibt doch viele gute Szenen. Ein liebevoller Seitenhieb etwa gilt dem spirituellen Pomp in Indien. Denn selbstverständlich gibt es einen Cricket-Gott. Er wohnt in einem der vielen bunten Tempel in Spielfeldnähe und wird regelmäßig aufgesucht. Erzählwitz ergibt sich in den trockenen Dialogen oder in den eitlen Selbstgesprächen des Sponsors Anand Mehta, der besten Nebenfigur: "Meine Frau frage ich immer: Asha, was sind Inder denn? Worauf ich ihr die Antwort gebe: Inder, meine Liebe, sind ein im Grunde sentimentales Volk mit hohen Cholesterinwerten."
Sarkastisch und übergriffig gezeichnet, steht Mehta für die dunkle, geschäftsträchtige Seite des Sports. Cricket ist für ihn nichts Geringeres als "der Sieg der Zivilisation über den Instinkt". Doch es ist eben dieser Instinkt, der Adigas Prosa so farbig macht. Der Autor erweckt ihn zum Leben, indem er ihn oft nur andeutet: bei Manju, der gerne alles ableckt, weil Kiesel anders schmecken als Stiftkappen; bei Radhu, dem bodenständigeren Bruder, der nur Augen für Mädchen hat; und bei Jarved, einem Muslim, der sich zur Homosexualität bekennt.
Adigas Roman leuchtet unter dem Oberflächenglanz die Unterwelt eines Landes aus, das sich schneller wandelt, als man es verarbeiten kann. Und er zeigt auch, was dieser Wandel anrichtet, etwa am Beispiel des mittlerweile abgehängten Ex-Stars: "Radhu hatte das gehobene gute Aussehen eines Lebemanns, der permanent arbeitslos ist: Mit dem Silberring im linken Ohr und seinem langen, schwarzen, gegelten Haar, das zurückgekämmt war und sich im Nacken nach oben wellte, wirkte er wie ein Prinz aus einer Sanskrit-Romanze. Seine wunderschönen Iriden, seine Filmstar-Augen, waren vom Alkohol ramponiert, doch Manju erkannte immer noch ihre alte Farbe." In dieser Beschreibung ist noch die Sehnsucht nach Märchenfiguren wie in Bollywood zu spüren. Aravind Adigas Figuren opfern sie auf der Suche nach Macht. Doch im Buch lässt der Autor auf allen Seiten das Menschliche, Allzumenschliche durchscheinen.
ANJA HIRSCH
Aravind Adiga:
"Golden Boy". Roman.
Aus dem Englischen von Claudia Wenner. Verlag C. H. Beck, München 2016. 335 S., geb., 21,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"A novel with broad sweep, accomplished with commendable economy and humor, in a sinewy compact prose that has the grace and power of a gifted athlete."
Marcel Theroux, The New York Reviwe of Books, 29. Januar 2017
"Eine fesselnde Erzählung von Erfolg und Scheitern - schwer aus der Hand zu legen."
Deutsche Welle, 18. Dezember 2016
"Adiga ist ein Meister (darin), die krassen Disparitäten der indischen Gesellschaft zu literarisieren, ohne dass dabei die Moralkeule geschwungen wird."
Tilman Warnecke, Der Tagesspiegel online, 16. Dezember 2016
"Cricket wird bei Adiga zur Metapher für das Spiel des Lebens (...) Ein kurzweiliger, lesenswerter Roman."
Ulrich Rüdenauer, SWR2 Buchkritik, 24. Oktober 2016
"Ein extrem unterhaltsames, kluges und von Leben flirrendes Lehrstück über Indien und die Menschheit."
Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau, 4. November 2016
"Die Einblicke in die indische Gesellschaft sind spannend und die Konflikte universell."
SPIEGEL Online, 16. Oktober 2016
Marcel Theroux, The New York Reviwe of Books, 29. Januar 2017
"Eine fesselnde Erzählung von Erfolg und Scheitern - schwer aus der Hand zu legen."
Deutsche Welle, 18. Dezember 2016
"Adiga ist ein Meister (darin), die krassen Disparitäten der indischen Gesellschaft zu literarisieren, ohne dass dabei die Moralkeule geschwungen wird."
Tilman Warnecke, Der Tagesspiegel online, 16. Dezember 2016
"Cricket wird bei Adiga zur Metapher für das Spiel des Lebens (...) Ein kurzweiliger, lesenswerter Roman."
Ulrich Rüdenauer, SWR2 Buchkritik, 24. Oktober 2016
"Ein extrem unterhaltsames, kluges und von Leben flirrendes Lehrstück über Indien und die Menschheit."
Judith von Sternburg, Frankfurter Rundschau, 4. November 2016
"Die Einblicke in die indische Gesellschaft sind spannend und die Konflikte universell."
SPIEGEL Online, 16. Oktober 2016