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Michail Gorbatschow feiert am 2. März 2011 seinen 80. Geburtstag und das Ende der Sowjetunion jährt sich zum 20. Mal - Anlaß für György Dalos, das Leben dieser politischen Ausnahmeerscheinung nachzuzeichnen.
Der Bauernsohn Michail Gorbatschow war der Staatsmann, dessen Politik das Weltgeschehen der späten achtziger und frühen neunziger Jahre am nachhaltigsten geprägt hat. Seine Perestrojka, Glasnost und Neues Denken führten zur Entspannung zwischen den Supermächten, zum Abzug der Mittelstreckenraketen in Europa und - was nicht ganz seine Absicht war - zum Ende der Diktaturen im ehemaligen…mehr

Produktbeschreibung
Michail Gorbatschow feiert am 2. März 2011 seinen 80. Geburtstag und das Ende der Sowjetunion jährt sich zum 20. Mal - Anlaß für György Dalos, das Leben dieser politischen Ausnahmeerscheinung nachzuzeichnen.

Der Bauernsohn Michail Gorbatschow war der Staatsmann, dessen Politik das Weltgeschehen der späten achtziger und frühen neunziger Jahre am nachhaltigsten geprägt hat. Seine Perestrojka, Glasnost und Neues Denken führten zur Entspannung zwischen den Supermächten, zum Abzug der Mittelstreckenraketen in Europa und - was nicht ganz seine Absicht war - zum Ende der Diktaturen im ehemaligen Ostblock. Ebenso hingen der Zerfall der Sowjetunion und die radikale Veränderung des dortigen politischen Systems mit seinem Wirken zusammen, das ursprünglich nur eine Reform der Ökonomie und der Institutionen vorgesehen hatte. In diesem Buch wird das Drama eines Mannes erzählt, der mit den Konsequenzen seines Tuns in Kollision gerät, und - während er im Ausland fast zur Ikone wird - in seinem Land immer mehr an Prestige und Macht verliert, was letzten Endes zu seinem Scheitern im Dezember 1991 führt.
Autorenporträt
György Dalos, geb. 1943 in Budapest in einer jüdischen Familie, gehörte zur demokratischen Opposition Ungarns und lebte in den achtziger Jahren nach Aufenthalten in Berlin in Wien und Budapest. György Dalos wurde vielfach in Deutschland und Ungarn ausgezeichnet und war bis 1999 der Direktor des ungarischen Kulturinstituts in Berlin und im selben Jahr literarischer Leiter des Ungarn-Schwerpunkts während der Frankfurter Buchmesse. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter 1995 der "Adelbert-von-Chamisso-Preis", 2000 die "Goldene Plakette der Republik Ungarn" und 2010 der "Preis der Leipziger Buchmesse für Europäische Verständigung".
György Dalos lebt als Autor in Berlin.

Elsbeth Zylla, geboren 1955, studierte Germanistik und Politikwissenschaft und war danach in der Erwachsenenbildung tätig. Sie ist Übersetzerin und Lektorin und arbeitet seit 1993 für die Heinrich-Böll-Stiftung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.2011

Hoffnungsträger und Wahrheitsbringer
Das wunderbare Buch von György Dalos setzt Michail Gorbatschow ein Denkmal

Als der sowjetische Parteichef Viktor Tschernenko im Frühjahr 1985 starb, ahnte wohl niemand, dass sein Nachfolger die Welt verändern würde. Denn Michail Gorbatschow war nichts weiter als ein Verlegenheitskandidat, weil kein anderes Mitglied des Politbüros für das Amt des Generalsekretärs noch in Frage gekommen wäre. Niemand erwartete, was dann geschah: Die Herrschaft der Gerontokratie zerfiel, die Diktatur zerbrach, und am Ende des Jahres 1991 gab es auch die Sowjetunion nicht mehr. Wie konnte es geschehen, dass in nur wenigen Jahren zerfiel, was in Jahrzehnten errichtet worden war? György Dalos gibt darauf eine einfache und klare Antwort. Weil sich die Sowjetunion in einer Krise befunden habe und Gorbatschow der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt gewesen sei, um aus Vorstellungen Taten werden zu lassen.

Gorbatschow kam nicht als Reformer zur Welt. Aber er war aus anderem Holz geschnitzt als die Greise, die ihn zum Generalsekretär gemacht hatten. Nur er allein wagte es, beim Namen zu nennen, was viele empfanden, aber nicht aussprachen. Wie konnte es geschehen, dass das Regime die beste aller Welten verhieß, aber nur den alltäglichen Mangel verwaltete? Diesen Widerspruch empfand nicht nur Gorbatschow als tiefe politische Legitimationskrise. Wer das sowjetische System retten wolle, so lautete seine Diagnose, müsse der Wirklichkeit ins Auge sehen. Die fetten Jahre waren vorüber, die Sowjetunion war gegenüber den westlichen Ländern in einen ökonomischen und militärischen Rückstand geraten, den sie nicht mehr aufholen konnte. Warum sollte ihre Regierung einen Rüstungswettlauf bestreiten, den sie nicht gewinnen konnte, warum die Ökonomie der sozialistischen Bruderländer subventionieren und Krieg in Afghanistan führen, wenn dabei nichts zu gewinnen war?

Es gab einen unausgesprochenen Konsens zwischen dem Regime und der Bevölkerung: das nämlich die einen für das Wohlergehen zu sorgen und die anderen zu gehorchen hatten. Dieser Konsens war in Gefahr - und Gorbatschow versuchte ihn wiederherzustellen, indem er sich und seiner Umgebung einredete, der Grund allen Übels sei das politische System der Sowjetunion. Dalos beschreibt ihn als einen Mann, der aus Überzeugung handelte und der bereit war, die Konsequenzen zu tragen, die sich aus solchen Überzeugungen für ihn ergeben mussten. Wahrscheinlich nahmen die Menschen in der Sowjetunion überhaupt nicht wahr, dass sie sich in einer Krise befanden. Gorbatschow aber empfand das Geschehen in der politischen und sozialen Welt als Krise, und er war entschlossen, sie auf seine Weise zu beheben.

Gorbatschow aber war ein Generalsekretär ohne Öffentlichkeit, er konnte nichts tun ohne die Zustimmung jenes Milieus, das er verändern wollte. Deshalb hatte er keine andere Wahl als durch den geschickten Einsatz unabhängiger Medien eine Unterstützung für seine Vorhaben zu mobilisieren, die er in der Parteiführung nicht mehr gewinnen konnte. Dalos spricht von der Herstellung eines polarisierenden Kräftefeldes, das Gorbatschow die Möglichkeit gegeben habe, Gegenmeinungen zu erzeugen. Gorbatschows Reformen stießen anfangs auf großen Zuspruch. Die Rehabilitierung von Opfern des Stalinismus, die Aufhebung der Zensur und die Gewährung von Meinungsfreiheit: das alles machte den Generalsekretär zum Hoffnungsträger, nicht nur im Ausland, sondern auch in der Sowjetunion.

Gesellschaft entstand also als staatliche Veranstaltung, und bald schon emanzipierte sie sich vom Staat, der sie geschaffen hatte. Gorbatschow konnte, was er ins Werk gesetzt hatte, nicht mehr unter Kontrolle halten. Denn in der Öffentlichkeit wurden jetzt auch alle Defizite beim Namen genannt: die unzureichende Information über das Reaktorunglück in Tschernobyl, das Erdbeben in Armenien, die interethnischen Konflikte im Kaukasus, die Verbrechen von Mafiabanden und die katastrophale wirtschaftliche Situation. Jedermann konnte nun erfahren, dass die Sowjetunion eine Mangelgesellschaft war und es auch bleiben würde, weil ihre Führer scheinbar nichts unternahmen, um Mangel in Überfluss zu verwandeln. Die Verhältnisse kehrten sich gegen ihren Urheber. Denn nun konnten auch die Gegner der Perestroika Kritik üben und Widerstand mobilisieren. Als im Jahr 1989 die ersten halbwegs freien Wahlen abgehalten wurden, begann der Stern des Generalsekretärs bereits zu sinken. Weder im Zentrum noch in den Republiken konnte er auf Unterstützung noch hoffen, weil auch die Kommunisten erkannt hatten, dass sie politisch nur überleben konnten, wenn sie sich in den Dienst des Separatismus stellten.

Gorbatschow wusste, das er ein Präsident ohne Macht sein würde, wenn er die Alleinherrschaft der Kommunistischen Partei aufs Spiel setzte. Und dennoch brachte er zu Ende, was er 1987 begonnen hatte. Irgendwann hatte er entschieden, daran lässt Dalos keinen Zweifel, dass die Gewalt nie wieder sprechen sollte, wenn Machtfragen entschieden werden mussten. Dalos erzählt vom Besuch Gorbatschows in Bukarest und von der Verachtung, die er für den rumänischen Diktator und dessen Gewaltherrschaft empfunden habe. Über den organisierten Jubel, den Ceausescu für seinen Gast aufbot, soll Gorbatschow empört gewesen sein. Niemals zuvor habe er eine solche "Erniedrigung des Volkes" erleben müssen. Auch Kadar und Honecker erfuhren, dass die Sowjetunion sich für sie nicht mehr verwenden würde. Gorbatschow hatte sich mit der Souveränität der osteuropäischen Staaten abgefunden, und er nahm hin, dass auch die Republiken der Sowjetunion eine solche Souveränität für sich beanspruchten. Gorbatschow, schreibt Dalos, war am Ende ein Präsident ohne Land, ein Mann ohne Unterstützung, im Westen hoch geachtet, daheim jedoch unbeliebt und verhasst. "Was brachte uns die Glasnost? Wahrheit, Wahrheit und nichts als die Wahrheit", so klagten die Enttäuschten, die geglaubt hatten, das Ende des Sozialismus werde der Anfang des Paradieses sein.

Im Herbst 1989 empfing Gorbatschow eine Abordnung von streikenden Bergarbeitern in Moskau. Er konnte nichts für sie tun, und dennoch empfanden die Arbeiter, dass sich auch in ihrem Leben etwas zum Besseren verändert hatte. "Zum ersten Mal fühlten wir uns nicht als graue Masse, sondern als Menschen. Nicht als Sklaven, sondern als Persönlichkeiten." Vielleicht wird man in Russland eines Tages, wenn die Wut über das Ende des Imperiums verflogen ist, anerkennen, welch große zivilisatorische Leistung Michail Gorbatschow vollbracht hat. György Dalos hat ihr mit seinem wunderbaren Buch ein würdiges Denkmal gesetzt.

JÖRG BABEROWSKI

György Dalos: Gorbatschow. Mensch und Macht. Verlag C. H. Beck, München 2011. 288 S., 19,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Recht positiv hat Rezensent Jörg R. Mettke diese Biografie Michail Gorbatschows von György Dalos aufgenommen. Die große Gorbatschow-Biografie ist das Werk in seinen Augen nicht, will es aber auch gar nicht sein. Er hebt hervor, dass der Autor seinen Schwerpunkt auf die Zeit von 1986 bis 1991 legt, die Zeit, als Gorbatschow Generalsekretär der KPdSU war. Das Buch zeichnet sich für ihn aus durch eine kluge, frische Nacherzählung der ungeheuren historischen Umwälzungen dieser Epoche. Er bescheinigt dem Autor, die sich überstürzenden Ereignisse gekonnt zu bündeln und zu vergegenwärtigen. Besonders die Darstellung des politischen Wesens Gorbatschows hat Mettke überzeugt. Er bedauert allerdings, dass Dalos auf die Angabe von Quellen für seine Zitate verzichtet. Zudem stört ihn gelegentlich das "mitteleuropäische Dissidenten-Ostinato" des Autors, das die Beschreibung bisweilen mit "dezent antirussisch-zivilisatorischer Arroganz" überlagere. Nichtsdestoweniger schätzt er Dalos' Darstellung als überzeugend und auch unterhaltsam.

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