When Julie Summers' car breaks down in a sleazy street, a young Arab garage mechanic comes to her rescue. Out of this meeting develops a friendship that turns to love. But soon, despite his attempts to make the most of Julie's wealthy connections, Abdu is deported from South Africa and Julie insists on going too - but the couple must marry to make the relationship legitimate in the traditional village which is to be their home. Here, whilst Abdu is dedicated to escaping back to the life he has discovered, Julie finds herself slowly drawn in by the charm of her surroundings and new family, creating an unexpected gulf between them 'As gripping as a thriller and as felt as a love song' IRISH TIMES
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.11.2001Wo bleibt der Sandsturm?
Wüstenschatten: Nadine Gordimer packt die Koffer
Der heiße Sturmwind hat den Himmel "wie mit Sandpapier abgeschliffen". Jetzt herrscht Stille und vollkommene Klarheit. Die Wüste hat in ihrer Unermeßlichkeit "den Häusern, den Menschen Einhalt geboten: hier geht es nicht weiter mit euren stinkenden Autos, euren trüben Laternen ... und dem Geschwätz eurer Radios; hier enden eure Ziele und Hoffnungen."
Das wichtigste und erste für all ihre Geschichten sei stets deren Schauplatz, hat Nadine Gordimer einmal erklärt. Weltgegenden, die durch große Wüsten von der internationalen Megakultur abgeschirmt seien, hieß es in ihrer Nobelpreisrede vor zehn Jahren, bieten Mythen eine Heimstatt. Mit dem neuen Roman, ihrem fünfzehnten, wagt die südafrikanische Autorin nun, einen solchen Ort erzählerisch zu erkunden.
Dabei wird kein einziger Schauplatz des Romans jemals benannt. Von jenem randständigen Wüstenland, wo der zweite und wichtigere Teil der Handlung spielt, erfahren wir bloß, daß es beim Abzug irgendeiner Kolonialmacht übriggeblieben, islamisch und arabisch ist. Und die im ersten Teil sehr schemenhaft gezeigte Metropole, in der Erste und Dritte Welt nebeneinander leben, sieht ganz so aus wie das heutige Johannesburg, doch auch diese Stadt bleibt ungenannt. Namen gelten immer nur den anderen Orten, den entfernten Ländern, wohin die Figuren so hoffnungsvoll wie sehnsüchtig aufbrechen. Nach Australien, Kanada, Amerika - nur fort aus seinem rückständigen Wüstendorf will der eine. Ins Weite einer fremden Gegenwelt, nur raus aus der Enge des behüteten Vorstadtwohlstands die andere. Der Roman entwirft so eine Topographie aus Wünschen und Mythen, bei der zuletzt auch der Leser hofft, daß doch alles anders wäre.
Alles beginnt mit einer Autopanne. Julie, eine junge weiße Frau aus gutem Hause, sucht in zweifelhafter Gegend bei einer Werkstatt Hilfe. Aus der Zufallsbekanntschaft mit dem Monteur Abdu, der ihr den Wagen repariert, wird erst eine Affäre, die ihre liberale Abenteuerlust bedient, dann die große Liebe, die ihr Leben ändert. Abdu lebt ohne feste Adresse, Arbeitserlaubnis oder Aufenthaltsgenehmigung. Als sein illegaler Status auffliegt und ihn das Land, wo er sein Glück gesucht hat, ausweist, geht Julie mit in sein entlegenes Heimatdorf, das ihm längst fremd geworden ist. Dort kehren sich zunächst die Rollen um, denn nun ist sie es, die den Zugang zur Sprache und den Ritualen der Familie erst mühsam suchen muß. Doch dann findet sie die Wüste, mythisch, weit und unbeeindruckt von den Wechselfällen der Geschichte. Hier sieht sie schon bald einen Zielort ihrer Hoffnungen. Abdu aber bricht erneut auf, diesmal in die Neue Welt: er bleibt weiter unterwegs. Wie der deutsche Titel sagt, ist er ein "Mann von der Straße".
Mit dem Ende der Apartheid, so ist oft behauptet worden, sei Gordimer ihr Thema abhanden gekommen. Derartigen Befürchtungen tritt dieser Roman souverän entgegen. Auch wo rassistische Trennung zwischen Hautfarben nicht länger Staatsdoktrin ist, birgt die Bürgergesellschaft tiefe Gräben und zieht Trennlinien, um ihre Zugehörigen durch Ausschluß anderer zu markieren. Sozialprestige und materielle Gütermehrung, so erfahren wir, bauen weiterhin darauf, daß nebenan ausreichend Dienstboten und schlecht bezahlte Arbeiter dafür bereitstehen, den Karren bei Bedarf aus dem Dreck zu ziehen. Migrantenschicksale und die durch Abschiebung zerstörten Lebenshoffnungen werden hier als Kehrseite der neuen Mobilität gezeigt. Statt ganz andere Themen und Konstellationen zu erfinden, erzählt Gordimer erneut ihre altbekannten Geschichten und überprüft sie auf ihre Tauglichkeit unter den veränderten Bedingungen.
Im ersten Teil hat beispielsweise der schwarze Staranwalt, der im letzten Roman "Die Hauswaffe" eine zentrale Rolle spielte, einen Gastauftritt, und der Kriminalfall, der dort eingehend verhandelt wurde, ist jetzt Gegenstand von Party-Konversationen. Der zweite Teil dann unternimmt es, ein Szenario unter umgekehrten Vorzeichen wieder durchzuspielen, das Gordimer vor zwanzig Jahren in "Julys Leute" einst entwarf. Damals führte sie der internationalen Leserschaft vor Augen, wie ein revolutionärer Umsturz in Südafrika die weiße Mittelklasse in Identitätsverlust stürzen müsse, wenn sie sich fassungslos in einem fremden Land entdeckte, wo alle eingefleischten Gewißheiten unversehens versandeten. Diesmal führt sie ihre Heldin Julie wirklich in ein Wüstenland, dessen Existenz und Lebensweise außerhalb des vertrauten Horizonts liegen. Wieder steht hier alles Leben unter einem Vorbehalt des Vorläufigen, des Übergangs in einer "Zwischenzeit". Diesmal aber will uns die Autorin glauben machen, daß die Heldin dieses Provisorium überwindet, indem sie sich selbst neu entdeckt. Julie will Oasen schaffen und in Reisanbau investieren, anstatt wie Abdu auf das nächste Visum warten und die Koffer packen. Sie wird in der Fremde heimisch.
Doch solch einer berückenden Vision scheint selbst die Erzählerin nicht ganz zu trauen. Sie will die kulturverbindenden Erfolge feiern und erinnert uns zugleich an "englische Scharaden in der Wüste" und kostümierten Imperialismus, "der mit äußerster Herablassung den Menschen in der Wüste die Ehre erwies, so sein zu wollen wie sie". Schon oft ist so das Unbehagen am saturierten Zivilstandsleben durch Aufbruch ins entlegene Abenteuer abgeschüttelt worden. Gordimers Geschichte müht sich, ihre Heldin gegen diesen Verdacht zu schützen und die Einweisung ins geheimnisvolle andere, statt durch exotische Verlockungen, mit tastenden und vorsichtigen Gesten vorzuführen. Der koloniale Schatten aber bleibt.
Nicht weniger vereinnahmend und problematisch ist der große Gestus der allwissenden Überschau, den die Autorin wählt. Selbstbewußt öffnet sie den Zauberkasten des Erzählens, durchleuchtet nach Belieben das Bewußtsein der Figuren und teilt uns viel mehr daraus mit, als wir womöglich wissen wollen. Die stärksten Szenen sind jene, in denen Gordimer eine Situation nur sparsam kommentiert, aus der Distanz beobachtet und darauf vertraut, die Dinge sprechen zu lassen. Zumal Gordimers Sprache, jedenfalls in dieser Übersetzung, an gestelzten Formulierungen so reich wie an Klischees ist. Immerfort "wallen" die Busen und "blitzen" die schwarzen Augen. Da "lächelt" ein Mann "von einem inneren Podest auf die Zeremonie herab", und die Familie, lesen wir, sei "ein Baum nicht der Abstammung, sondern der Komplexität gegenwärtiger Umstände". Das verstehe, wer kann. Man muß dem Roman zugute halten, daß er sich solchen Komplexitäten immerhin mutig stellt. Die weltweiten Migrationsströme, bei denen die Metropolen statt Wahlheimat zu Durchgangsstationen werden, bieten der Gegenwartsliteratur nicht nur aus Aktualitätsgründen ein drängendes und großes Thema, das Gordimers bewährte Gabe zum Moralischen herausfordert. Gerade deshalb muß man allerdings bedauern, daß sie hier zu oft dem Druck des vordergründig Versöhnlichen, der spürbar auf ihrer Geschichte lastet, nachgibt.
Julie "bot ihm anerkennend alles, was sie hatte: ihren Körper. Er war in ihrem Körper er selbst, dort gehörte er niemandem, sie war das Land, in das er ausgewandert war." Wenn man solche Sätze liest, wünscht man sich einen neuen Sandsturm, der für Klarheit und für Stille sorgt.
TOBIAS DÖRING
Nadine Gordimer: "Ein Mann von der Straße". Roman. Berlin Verlag, Berlin 2001. 272 S., geb., 39, 80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wüstenschatten: Nadine Gordimer packt die Koffer
Der heiße Sturmwind hat den Himmel "wie mit Sandpapier abgeschliffen". Jetzt herrscht Stille und vollkommene Klarheit. Die Wüste hat in ihrer Unermeßlichkeit "den Häusern, den Menschen Einhalt geboten: hier geht es nicht weiter mit euren stinkenden Autos, euren trüben Laternen ... und dem Geschwätz eurer Radios; hier enden eure Ziele und Hoffnungen."
Das wichtigste und erste für all ihre Geschichten sei stets deren Schauplatz, hat Nadine Gordimer einmal erklärt. Weltgegenden, die durch große Wüsten von der internationalen Megakultur abgeschirmt seien, hieß es in ihrer Nobelpreisrede vor zehn Jahren, bieten Mythen eine Heimstatt. Mit dem neuen Roman, ihrem fünfzehnten, wagt die südafrikanische Autorin nun, einen solchen Ort erzählerisch zu erkunden.
Dabei wird kein einziger Schauplatz des Romans jemals benannt. Von jenem randständigen Wüstenland, wo der zweite und wichtigere Teil der Handlung spielt, erfahren wir bloß, daß es beim Abzug irgendeiner Kolonialmacht übriggeblieben, islamisch und arabisch ist. Und die im ersten Teil sehr schemenhaft gezeigte Metropole, in der Erste und Dritte Welt nebeneinander leben, sieht ganz so aus wie das heutige Johannesburg, doch auch diese Stadt bleibt ungenannt. Namen gelten immer nur den anderen Orten, den entfernten Ländern, wohin die Figuren so hoffnungsvoll wie sehnsüchtig aufbrechen. Nach Australien, Kanada, Amerika - nur fort aus seinem rückständigen Wüstendorf will der eine. Ins Weite einer fremden Gegenwelt, nur raus aus der Enge des behüteten Vorstadtwohlstands die andere. Der Roman entwirft so eine Topographie aus Wünschen und Mythen, bei der zuletzt auch der Leser hofft, daß doch alles anders wäre.
Alles beginnt mit einer Autopanne. Julie, eine junge weiße Frau aus gutem Hause, sucht in zweifelhafter Gegend bei einer Werkstatt Hilfe. Aus der Zufallsbekanntschaft mit dem Monteur Abdu, der ihr den Wagen repariert, wird erst eine Affäre, die ihre liberale Abenteuerlust bedient, dann die große Liebe, die ihr Leben ändert. Abdu lebt ohne feste Adresse, Arbeitserlaubnis oder Aufenthaltsgenehmigung. Als sein illegaler Status auffliegt und ihn das Land, wo er sein Glück gesucht hat, ausweist, geht Julie mit in sein entlegenes Heimatdorf, das ihm längst fremd geworden ist. Dort kehren sich zunächst die Rollen um, denn nun ist sie es, die den Zugang zur Sprache und den Ritualen der Familie erst mühsam suchen muß. Doch dann findet sie die Wüste, mythisch, weit und unbeeindruckt von den Wechselfällen der Geschichte. Hier sieht sie schon bald einen Zielort ihrer Hoffnungen. Abdu aber bricht erneut auf, diesmal in die Neue Welt: er bleibt weiter unterwegs. Wie der deutsche Titel sagt, ist er ein "Mann von der Straße".
Mit dem Ende der Apartheid, so ist oft behauptet worden, sei Gordimer ihr Thema abhanden gekommen. Derartigen Befürchtungen tritt dieser Roman souverän entgegen. Auch wo rassistische Trennung zwischen Hautfarben nicht länger Staatsdoktrin ist, birgt die Bürgergesellschaft tiefe Gräben und zieht Trennlinien, um ihre Zugehörigen durch Ausschluß anderer zu markieren. Sozialprestige und materielle Gütermehrung, so erfahren wir, bauen weiterhin darauf, daß nebenan ausreichend Dienstboten und schlecht bezahlte Arbeiter dafür bereitstehen, den Karren bei Bedarf aus dem Dreck zu ziehen. Migrantenschicksale und die durch Abschiebung zerstörten Lebenshoffnungen werden hier als Kehrseite der neuen Mobilität gezeigt. Statt ganz andere Themen und Konstellationen zu erfinden, erzählt Gordimer erneut ihre altbekannten Geschichten und überprüft sie auf ihre Tauglichkeit unter den veränderten Bedingungen.
Im ersten Teil hat beispielsweise der schwarze Staranwalt, der im letzten Roman "Die Hauswaffe" eine zentrale Rolle spielte, einen Gastauftritt, und der Kriminalfall, der dort eingehend verhandelt wurde, ist jetzt Gegenstand von Party-Konversationen. Der zweite Teil dann unternimmt es, ein Szenario unter umgekehrten Vorzeichen wieder durchzuspielen, das Gordimer vor zwanzig Jahren in "Julys Leute" einst entwarf. Damals führte sie der internationalen Leserschaft vor Augen, wie ein revolutionärer Umsturz in Südafrika die weiße Mittelklasse in Identitätsverlust stürzen müsse, wenn sie sich fassungslos in einem fremden Land entdeckte, wo alle eingefleischten Gewißheiten unversehens versandeten. Diesmal führt sie ihre Heldin Julie wirklich in ein Wüstenland, dessen Existenz und Lebensweise außerhalb des vertrauten Horizonts liegen. Wieder steht hier alles Leben unter einem Vorbehalt des Vorläufigen, des Übergangs in einer "Zwischenzeit". Diesmal aber will uns die Autorin glauben machen, daß die Heldin dieses Provisorium überwindet, indem sie sich selbst neu entdeckt. Julie will Oasen schaffen und in Reisanbau investieren, anstatt wie Abdu auf das nächste Visum warten und die Koffer packen. Sie wird in der Fremde heimisch.
Doch solch einer berückenden Vision scheint selbst die Erzählerin nicht ganz zu trauen. Sie will die kulturverbindenden Erfolge feiern und erinnert uns zugleich an "englische Scharaden in der Wüste" und kostümierten Imperialismus, "der mit äußerster Herablassung den Menschen in der Wüste die Ehre erwies, so sein zu wollen wie sie". Schon oft ist so das Unbehagen am saturierten Zivilstandsleben durch Aufbruch ins entlegene Abenteuer abgeschüttelt worden. Gordimers Geschichte müht sich, ihre Heldin gegen diesen Verdacht zu schützen und die Einweisung ins geheimnisvolle andere, statt durch exotische Verlockungen, mit tastenden und vorsichtigen Gesten vorzuführen. Der koloniale Schatten aber bleibt.
Nicht weniger vereinnahmend und problematisch ist der große Gestus der allwissenden Überschau, den die Autorin wählt. Selbstbewußt öffnet sie den Zauberkasten des Erzählens, durchleuchtet nach Belieben das Bewußtsein der Figuren und teilt uns viel mehr daraus mit, als wir womöglich wissen wollen. Die stärksten Szenen sind jene, in denen Gordimer eine Situation nur sparsam kommentiert, aus der Distanz beobachtet und darauf vertraut, die Dinge sprechen zu lassen. Zumal Gordimers Sprache, jedenfalls in dieser Übersetzung, an gestelzten Formulierungen so reich wie an Klischees ist. Immerfort "wallen" die Busen und "blitzen" die schwarzen Augen. Da "lächelt" ein Mann "von einem inneren Podest auf die Zeremonie herab", und die Familie, lesen wir, sei "ein Baum nicht der Abstammung, sondern der Komplexität gegenwärtiger Umstände". Das verstehe, wer kann. Man muß dem Roman zugute halten, daß er sich solchen Komplexitäten immerhin mutig stellt. Die weltweiten Migrationsströme, bei denen die Metropolen statt Wahlheimat zu Durchgangsstationen werden, bieten der Gegenwartsliteratur nicht nur aus Aktualitätsgründen ein drängendes und großes Thema, das Gordimers bewährte Gabe zum Moralischen herausfordert. Gerade deshalb muß man allerdings bedauern, daß sie hier zu oft dem Druck des vordergründig Versöhnlichen, der spürbar auf ihrer Geschichte lastet, nachgibt.
Julie "bot ihm anerkennend alles, was sie hatte: ihren Körper. Er war in ihrem Körper er selbst, dort gehörte er niemandem, sie war das Land, in das er ausgewandert war." Wenn man solche Sätze liest, wünscht man sich einen neuen Sandsturm, der für Klarheit und für Stille sorgt.
TOBIAS DÖRING
Nadine Gordimer: "Ein Mann von der Straße". Roman. Berlin Verlag, Berlin 2001. 272 S., geb., 39, 80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
'A majestic and deeply moving saga profound and startling' DAILY MAIL