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Schirin Ebadi kämpft mit dem Koran gegen die Unterdrückung der Frauen und für Reformen im iranischen Gottesstaat. Eine faszinierende Frau im dramatischen Kampf für ein offeneres Antlitz des Islam.

Produktbeschreibung
Schirin Ebadi kämpft mit dem Koran gegen die Unterdrückung der Frauen und für Reformen im iranischen Gottesstaat. Eine faszinierende Frau im dramatischen Kampf für ein offeneres Antlitz des Islam.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.04.2004

Eine Religion im Umbruch
Der Iran ist nicht so mittelalterlich, wie der Westen annimmt
KATAJUN AMIRPUR: Gott ist mit den Furchtlosen. Schirin Ebadi – Die Friedensnobelpreisträgerin und der Kampf um die Zukunft Irans. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2003. 160 Seiten, 8,90 Euro.
Mit dem Sieg der Konservativen bei den iranischen Parlamentswahlen vom Februar scheint besiegelt zu sein, was sich seit längerem abzeichnete: das Ende der Reformbewegung und damit das Ende des Versuchs, ein theokratisch-autoritäres System von innen zu reformieren. Dennoch hoffen viele Iraner, dass der Wandel zu einer offenen Gesellschaft und einem demokratischen Rechtsstaat weitergeht – nun verstärkt mit außerparlamentarischen Mitteln. Die Iranistin Katajun Amirpur untermauert diese Hoffnung mit einem Buch, das der neuen Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi gewidmet ist. Darin verficht sie zwei Thesen: Iran kann seinen Weg in die Moderne finden. Und der Islam kann es auch.
„Ich habe die Hoffnung nie aufgegeben, dass in Iran eine friedliche Evolution hin zu demokratischen Grundsätzen stattfindet”, wird die Menschenrechtlerin und Anwältin Ebadi zitiert. Der Kampf müsse dabei im Inneren geführt werden, jede Einmischung erschwere dieses Ringen – eine deutliche Absage an Interventionsphantasien in Washington. Doch was kann die Nobelpreisträgerin noch zuversichtlich stimmen, wo doch so viele Reformzeitungen verboten, Aktivisten verhaftet, Parlamentarier abgewählt sind? Bei der Suche nach Antworten zertrümmert Amirpur Vorurteile über einen angeblich mittelalterlichen Iran, wie sie auch durch Bücher wie „Nicht ohne meine Tochter” von Betty Mahmoodys entstanden sind. Heute stellen die Frauen 63 Prozent der Studenten Irans. Viele Frauen sind berufstätig und versuchen nicht ohne Erfolge, die Zumutungen des Mullah-Regimes abzuwehren.
Die Autorin erzählt von iranischen Familien, in denen sich die Frau um die Autoreparatur kümmert, während der Mann Kuchen backt, und von Mullahs, die Verhütungsmittel propagieren. Sie berichtet von Jugendlichen, die sich im Internet über die Außenwelt informieren, wilde Partys feiern und von Meinungsfreiheit und Rechtssicherheit träumen. „Die iranische Bevölkerung ist inzwischen sicherlich die bei weitem amerikafreundlichste der islamischen Welt”, schreibt Amirpur. Sogar George Bushs Dictum, Iran sei Teil einer Achse des Bösen, finde bei manchen Zustimmung.
Der Wandel der Gesellschaft ist also womöglich schon zu weit fortgeschritten, als dass ihn Fundamentalisten noch stoppen könnten. Dem Khomeini-Regime läuft das Volk davon. Allein im Jahr 2002 haben 200 000 junge Leute ihr Land verlassen. Das bleibt auch den Mullahs nicht verborgen. Auch weil sich die Menschen massenweise vom real existierenden Gottesstaat abwenden, gewinnen Reformtheologen an Boden.
„Wir brauchen eine andere Interpretation des Islams, eine Interpretation, die Raum lässt für Menschenrechte und Frauenrechte”, sagt Ebadi. Sie findet Unterstützung bei Theologen, die sich dagegen wenden, jede Aussage des Korans wörtlich zu nehmen. Echte Religiosität könne nur in einer demokratischen Gesellschaft gedeihen, da Glaube auf Willensfreiheit basiere, wird der Theologe Abdolkarim Sorusch zitiert. „Freie Gesellschaften, ob religiös oder areligiös, sind göttlich – und menschlich zugleich. In totalitären Gesellschaften aber bleibt weder die Menschheit noch die Gottheit übrig.” Die Autorin meint dazu: „Die iranische Debatte ist ein Anhaltspunkt dafür, was dem Islam alles zugemutet werden kann.”
Geschichte, Systemanalyse, Gesellschaftskritik, Islamkunde – Amirpurs Buch spricht auf wenigen Seiten vieles an. Es führt an Grundfragen eines Landes und einer Religion im Umbruch heran, und es weckt den Wunsch, mehr zu erfahren.
STEFAN ULRICH
Schirin Ebadi, Friedensnobelpreisträgerin, fordert die Einhaltung der Menschenrechte im Iran.
Foto: Reuters
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Charlotte Wiedemann würdigt dieses Buch als "Plädoyer gegen Klischees": Die Kölner Iranistin Katajun Amirpur zeichne ein komplexes Bild von der politisch engagierten Muslimin und Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi. Weder zu den "Verhuschten", noch zu den "verwestlichten" Frauen gehört die iranische Anwältin, die sich bald nach der Revolution im Iran von 1978/79 für die Gleichberechtigung der Frauen stark machte, berichtet die Rezensentin. Die Rezensentin weiß grundsätzlich die Bemühungen zu schätzen, vielschichtiger über die Lage der Frauen im Islam und ihre Beteiligung am politischen Umbruch zu informieren als es hierzulande üblich ist. Doch hat das Buch in ihren Augen auch deutliche Schwächen. Man merkt ihm das "hastig Geschriebene" und das "kaum Lektorierte" leider an, bedauert die Rezensentin, der das Porträt insgesamt etwas zu "atemlos" erschient.

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