Mich hat diesmal bei „Unterm Birnbaum“ auch beeindruckt, wie Kultur, von den Theaterbesuchen in Berlin bis zum Grabkreuz, die erzählte Geschichte – eigentlich nicht besonders erfreulich – beeinflusst. Ganz anders dagegen wirkt Kultur in Cécile, s. als Auszug: S. 352, Rosa:„Ich missbillige diese
Kunstprüderie, die doch meistens nur Hochmut ist. Die Kunst soll die Menschen erfreuen, immer da sein,…mehrMich hat diesmal bei „Unterm Birnbaum“ auch beeindruckt, wie Kultur, von den Theaterbesuchen in Berlin bis zum Grabkreuz, die erzählte Geschichte – eigentlich nicht besonders erfreulich – beeinflusst. Ganz anders dagegen wirkt Kultur in Cécile, s. als Auszug: S. 352, Rosa:„Ich missbillige diese Kunstprüderie, die doch meistens nur Hochmut ist. Die Kunst soll die Menschen erfreuen, immer da sein, wo sie gerufen wird, aber sich nicht wie die Schnecke oder gar vornehmen im Haus zurückziehen. Die schrecklichsten sind die Klaviervirtuosen, die 12 Stunden lang spielen, wenn man sie nicht hören will, und nicht spielen, wenn man sie hören will. Das Verlangen nach einem Walzer ist die tödlichste der Beleidigung, und doch ist der Walzer etwas Hübsches und wohl eines Entgegenkommens wert. Denn er macht ein Dutzend Menschen auf eine Stunde glücklich.“ Besonders berührt hat mich, wie passend die außerhalb dem früheren sowjetischen Raum kaum bekannten Wereschagin und die beginnende Industrialisierung Zentralasiens einfließen, Tintorettos „Salat von Engelfüssen“ in der Anmerkung, S. 533 aufgeschlüsselt wird. Die entspannt-konzentrierte Distanz ist auch in den Beschreibungen spürbar, wenn es etwa heißt, das Wetter sei „zwischen nebeln und nieseln“.
Den Horizont erweitert die – glänzend – als Hauptintrige von Cécile auf S. 563 in den Anmerkungen mitgeteilte Anekdote, die doch hinsichtlich des Inhalts der Geschichte eigentlich irreführt, geht es doch um eher um Lebensentwürfe und ihren Niederschlag in „Plaudereien“ und Ausflügen. Die Anmerkungen sind immer interessant, halten bei Verweisen auf andere Werke oder biographische Hintergründe klug die Waage zwischen leerer Verdoppelung der Erzählungen und rein aufzählender Knappheit. So habe ich auch nur ein Versehen entdeckt, dass nämlich auf eine dritte Anmerkung hingewiesen wird, wo doch die erste gemeint zu sein scheint: Welche zwei man wohl überlesen, versäumt hat, weil der Atem für sie nicht reichte?